Für uns ist es immer der allerschönste Moment unserer Arbeit, wenn wir Orang-Utans nach einem oft jahrelangen Rehabilitationsprozess wieder in die Freiheit entlassen können. Deswegen war die Auswilderung von acht Tieren Ende letzten Jahres auch wieder ein Highlight. Ein Jahr, das auch uns immer wieder vor große Herausforderungen gestellt hat. Für die letzte Auswilderung in 2021 haben wir uns Mitte Dezember auf den Weg zum Bukit Baka Bukit Raya National Park gemacht.
Zehn Stunden über unbefestigte Schlammpisten
Die acht Orang-Utans wurden in zwei Gruppen aufgeteilt. Los ging es am Abend des 14. Dezembers mit den Weibchen Suci (6) und Moni (15) sowie den Männchen Pickle (14) und Miko (11). Zwei Tage später machte sich der Trupp mit den Weibchen Lido (15) und Ating (17) und den Männchen Petto (16) und Sembara (13) auf den Weg.
Unter Einhaltung strenger Gesundheitsprotokolle — alle Menschen und Tiere waren zuvor negativ auf Covid19 getestet worden — verließen die Auswilderungsteams unser Rehabilitationszentrum Nyaru Menteng um kurz vor 19 Uhr Ortszeit. Fast zehn Stunden ging es dann über unbefestigte Straßen in den Bezirk Marikit. Starke Regenfälle einige Tage zuvor hatten die Wege in Schlammpisten verwandelt und die Fahrt war sehr beschwerlich. Ein Lieferwagen der ersten Gruppe blieb sogar im Matsch stecken, so dass der Trupp das Ziel für den Tag nicht wie geplant erreichen konnte.
Erstes Etappenziel war das Dorf Tumbang Hiran. Von dort wurde die Reise auf dem Fluss fortgesetzt. Nach Sonnenaufgang waren Transportboxen, Vorräte und Equipment sicher auf den Booten verstaut und es ging Richtung Hiran Wasserscheide. Die Flussfahrt dauerte zehn Stunden – das Team hielt nur kurz im Überwachungscamp an, um dort Vorräte abzuladen. Danach ging es noch mal eine Stunde flussaufwärts weiter zu den Auswilderungsstellen.
Die erste Mahlzeit in Freiheit
Orang-Utans sind eher Einzelgänger, daher lassen wir sie meistens mit einem entsprechenden Abstand voneinander frei. Doch es kommt immer wieder auch vor, dass die Menschenaffen in ihrer gemeinsamen Zeit auf der Vorauswilderungsinsel so etwas wie Freundschaften schließen. Dann entscheiden wir uns – wie dieses Mal bei Miko und Pickle sowie Suci und Moni — sie gemeinsam auszuwildern.
Miko und Pickle wurden nur wenige Meter voneinander entfernt frei gelassen. Nachdem sie die Transportboxen verlassen hatten, entschied sich Miko für Bambusblätter als erste offizielle Mahlzeit in Freiheit. Pickle machte es sich leicht und schob sich die Futterreste in den Mund, die von der Auswilderungsaktion übriggeblieben waren.
Suci und Moni zog es direkt in den Wald. Seite an Seite erkundeten sie ihr neues Zuhause und begannen, nach Nahrung zu suchen. Auf Sucis Speiseplan standen Termiten, Mahawai-Früchte (Polyalthia hypoleuca) und Kambium, eine der Lieblingsspeisen von Orang-Utans. Mony zog für ihre erste Mahlzeit Rattankerne und junge Blätter vor. Als es dann dunkel wurde, bauten sich beide nicht weit voneinander entfernt ihre Schlafnester.
Während der ganzen Zeit lies unser Post-Release-Monitoring-Team die Orang-Utans nicht aus den Augen. Erst als es zu dunkel wurde, zogen sie sich zurück.
Läuft alles nach Plan?
Nachdem wir die Transportboxen geöffnet haben, müssen die Tiere allein zurechtkommen. Deswegen ist es so wichtig, dass unsere Beobachtungsteams die Orang-Utans während ihrer ersten Stunden in Freiheit möglichst lange und genau im Blick behalten. Finden die Tiere eigenständig Futter? Bauen sie sich Schlafnester? Wie reagieren sie auf die anderen Tiere? Alles wird genauestens dokumentiert.
Auch bei der zweiten Gruppe, die zwei Tage später frei gelassen wurde, ging es erst mal auf Futtersuche. Die 15jährige Lido hangelte sich von Ast zu Ast und blieb einige Zeit im Baum. Sie pulte nach Termiten und verspeiste diese genüsslich. Zwischendrin schob sie sich immer wieder junge Meranti-Blätter in den Mund. Dann ging es weiter zum nächsten Baum, wo sie auf Kambium umstieg, eine der Leibspeisen von Orang-Utans. Ganz in ihrer Nähe saß auch der 13jährige Sembara, der sich ebenfalls an dem Kambium satt aß. Als das Tageslicht schwand, bauten sich beide ihr Schlafnest.
Die 17jährige Ating hatte sich für Bambusblätter entschieden, während ihr ein Jahr jüngerer Begleiter Petto neben Bambus auch auf Kambium herumkaute. Die beiden aßen in aller Ruhe, um sich nach einer langen und energieaufwändigen Reise zu stärken. Ihre Nester bauten sie nicht weit voneinander in die Bäume, als es so weit war.
In den ersten Stunden im Wald haben uns diese acht Orang-Utans gezeigt, dass sie bereit sind, ihre neue Umgebung kennen zu lernen. Wir sind sicher, dass sie sich in ihrem neuen Zuhause, dem Bukit-Baka-Bukit-Raya-Nationalpark, wohlfühlen und glücklich sein werden. Alles Gute!
Möchten Sie einen Orang-Utan auf dem Weg in die Freiheit unterstützen und begleiten? Dann übernehmen Sie doch eine Patenschaft.