Orang-Utans können nicht sprechen wie Menschen. Dennoch sind sie in der Lage, recht komplex miteinander zu kommunizieren. Sie bedienen sich dabei einer Reihe von Lauten und Gesten. Von afrikanischen Menschenaffen war das schon länger bekannt. Von Orang-Utans dagegen hatte man es zunächst nur vermutet.
Mittlerweile konnten Forscher aber auch bei einigen wildlebenden Orang-Utans solche Verständigungsmittel nachweisen, die einem Artgenossen eindeutige Botschaften übermitteln. Das belegt eine neue Studie, die gerade im International Journal of Primatology veröffentlicht wurde. Dabei zeichneten Forscher etwa 1.000 Signale im Torfwald von Sabangau in Südwest-Borneo auf, die zwischen 16 Individuen der Unterart Pongo pygmaeus wurmbii ausgetauscht wurden. Beobachtet wurden elf verschiedene Lautäußerungen und 21 Gesten. Dabei benutzten die erwachsenen Tiere Laute und Gesten etwa gleich häufig, während sich die jüngeren überwiegend auf Gesten verließen.
Viele Stunden Material
Ausgewertet wurden fast 700 Stunden Video- und Audiomaterial, die das Kommunikationsverhalten der Orang-Utans dokumentieren. Dabei wurden zahlreiche Einzelheiten festgestellt, die so vorher noch nicht bekannt waren. Zum Beispiel agierten die Signal gebenden Tiere deutlich intensiver, wenn sie bemerkten, dass der Empfänger sie tatsächlich wahrnahm. Dabei gestikulierten sie eher mit Armen und Händen als mit ihren Beinen und Füßen, waren aber in der Wahl der Gliedmaßen flexibler als beispielsweise Schimpansen in den gleichen Kommunikationssituationen.
Orang-Utans äußern sich
Die Lautäußerungen reichten von verschiedenen Kuss- oder Schmatzgeräuschen bis hin zu dumpfen, gutturalen oder auch höheren Tönen. Ein rauhes, sich rasch wiederholendes Geräusch erinnerte die Forscher sogar an eine startende Maschine. Ein auch den Mitarbeitern der BOS Foundation bekannter Laut ist beispielsweise ein spezifisches Kussgeräusch, der sogenannte Kiss Squeak, das Abneigung (z.B. gegen menschliche Anwesenheit) ausdrückt. Der weithin schallende, unverwechelbare „Long Call“ eines revierbeanspruchenden dominanten Männchens war jedoch nicht Teil der Studie. Diese umfasste lediglich Weibchen mit ihren Jungtieren sowie halberwachsene Orang-Utans.
Die Bedeutungen der verschiedenen Laute und Gesten reichte von „Küss mich!“ über „Lass mich in Ruhe!“, „Spiel doch weiter mit mir!“, „Komm jetzt mit!“ (Mutter zu Kind), „Gib das her!“, „Hör auf damit!“ bis hin zu „Ok, kletter hier vorbei!“ oder schlicht „Geh weg!“.
Weiterhin viel Forschungsbedarf
Die Studie umfasste nur wenige Tiere und war, was das Kommunikationsverhalten wildlebender Orang-Utans angeht, zunächst nur ein Anfang. Orang-Utans systematisch zu beobachten ist schwieriger als bei afrikanischen Menschenaffen, da Orang-Utans nicht in festen Gruppen, sondern mehr oder weniger solitär leben. Außerdem halten sie sich viel seltener am Boden auf als Schimpansen, Bonobos oder Gorillas. „Die Erforschung der Kommunikation wilder Orang-Utans ist nicht einfach. Orang-Utans erfahren weniger soziale Interaktionen als andere nichtmenschliche Menschenaffenspezies“ heißt es in der Studie. Daher gibt es noch viel Forschungsbedarf, sicher auch, inwieweit die kommunikativen Laute und Gesten angeboren sind oder erlernt werden, also möglicherweise Teil einer Art Kulturbildung darstellen.
Quelle: International Journal of Primatology (2019) 40:393–416
https://doi.org/10.1007/s10764-019–00095‑w
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