In der Wildnis aufzuwachsen ist nicht immer einfach. Doch zum Glück haben im Regenwald geborene Orang-Utans liebevolle Mütter an ihrer Seite, die ihnen zeigen, wie sie im Dschungel zurechtkommen. Darum haben Orang-Utans die längsten Geburtsintervalle (Abstand zwischen zwei Geburten), länger ist als bei allen anderen Säugetieren einschließlich dem Menschen.
Die jungen Waldmenschen bleiben in der Regel als Einzelkinder bis zu ihrem siebten oder achten Lebensjahr bei ihren Müttern. In dieser Zeit lernen sie alles, was man als wilder Orang-Utan können muss: Wie man klettert, wo man wann welche Nahrung im Regenwald findet, wie man stabile Nester baut, welche Gefahren lauern, was gegen Krankheiten helfen kann und wie man mit anderen Orang-Utans umgeht. All das lernen sie von der besten Ausbilderin, die es dafür geben kann: der eigenen Mutter.
Nur Cindy, eine 24-jährige Orang-Utan-Dame hält sich nicht an die Regel, nur alle acht Jahre ein Baby zu bekommen. Am 22. Januar 2007 wurde ihr Sohn Cilik auf der Vorauswilderungsinsel Kaja Island (Zentral-Kalimantan) geboren. Nicht einmal sechs Jahre später, am 12. November 2012, brachte Cindy schon Tochter Riwut zur Welt. Im November 2013 wurde die ganze Familie dann im Bukit Batikap Schutzwald ausgewildert. Riwut wuchs dort weiter in der Obhut ihrer Mutter und Lehrmeisterin auf, während ihr großer Bruder Cilik schon früh selbständig wurde und nur ab und zu vorbeikam, um seine Mutter und seine kleine Schwester zu besuchen.
Im Juni 2018 traf eines unserer Post-Release-Monitoring-Teams auf Cindy und Riwut, die unterwegs auf Futtersuche waren. Doch Cindy schien nicht ganz bei der Sache. Sie hatte einen jungen, attraktiven Mann entdeckt. Es war Olbert. Der starke und gutaussehende Orang-Utan, der noch immer Narben von seinem Kampf mit einem Nebelparder von vor einem Jahr trug, hatte Cindys ganze Aufmerksamkeit gewonnen.
Und im September entdeckten wir erste Anzeichen einer erneuten Schwangerschaft Cindys. Dabei benötigt die gerade mal sechs Jahre alte Riwut immer noch viel Fürsorge ihrer Mutter. Ein neues Geschwisterchen würde sie nicht gutheißen.
Denn wenn Orang-Utan-Mütter Nachwuchs erwarten, verdrängen sie instinktiv das größere Kind. Das konnte unser Post-Monitoring-Team auch bei Cindy und Riwut feststellen. Cindy hält inzwischen immer mehr Abstand zu ihrer Tochter. Auch wenn die kleine Riwut vielleicht noch nicht ganz bereit ist, sich von ihrer Mutter zu verabschieden, hat sie inzwischen schon genug Wissen von der erfahrenen Cindy vermittelt bekommen, um allein im Dschungel zu leben.
Obwohl Riwut noch oft anhänglich ist und die Nähe ihrer Mutter sucht, sobald sie sich erschreckt, so weiß sie doch schon, wie man an das leckere Mark bestimmter Bäume kommt, wie sie auch die härtesten Schale mancher Früchte knacken kann und wo sie nahrhafte Termiten findet. Cindy hat Riwut sehr gut großgezogen. Das macht Cindy nicht nur zu einer großartigen Mutter, sondern auch zu einer hervorragende Naturschützerin. Denn während wir nun geduldig auf die Geburt von Cindys drittem Baby warten, können wir nicht anders, als zu denken, dass Cindy es sich wohl zur Aufgabe gemacht hat, im Alleingang die vom Aussterben bedrohten Borneo-Orang-Utans zu retten!
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