Kalimantan ist der indonesische Name für die Insel Borneo, der drittgrößten der Welt nach Grönland und Neuguinea. Kalimantan ist auch die Heimat der Borneo-Orang-Utans, die sie sich mit unzähligen anderen Tierarten teilen. Viele von ihnen sind nicht minder bedroht als unsere rothaarigen Vettern. Wir stellen hier in loser Reihenfolge immer wieder einige dieser faszinierenden Geschöpfe vor.
Das Sunda-Pangolin (Manis javanica)
Pangoline oder Schuppentiere erinnern irgendwie an wandelnde Tannenzapfen und gehören vom äußeren Erscheinungsbild her wohl zu den seltsamsten Säugetieren. In acht Arten bilden sie in Afrika und Asien einen Bestandteil der einheimischen Fauna, wo sie je nach Spezies in Steppen, Savannen und Wäldern leben. Ihnen allen gemeinsam ist, dass sie sich nahezu ausschließlich von Termiten und Ameisen ernähren und an diese Lebensweise hochgradig angepasst sind. Und natürlich tragen sie alle das namensgebende Schuppenkleid, dass sie so auffällig unter den Säugern macht.
Ihre Schuppen sind nicht etwa Überbleibsel der reptilischen Vergangenheit aller Säugetiere, sondern eine evolutionäre Neuerscheinung. Sie haben sich aus — sozusagen — zusammengeklebten Haaren entwickelt und bilden zusammen mit der Fähigkeit der Pangoline, sich bei Bedrohung eng zusammenzurollen, einen wirksamen Schutz gegen Prädatoren (Fressfeinde). Selbst Großkatzen finden keine rechte Möglichkeit eine solche Kugel aufzubrechen, zumal sie sich an den scharfen Schuppenkanten verletzen können.
Parallel-Evolution
Pangoline haben auffallende Ähnlichkeiten mit den südamerikanischen Ameisenbären und dem afrikanischen Erdferkel. Erstere Tiergruppen besitzen keine Zähne mehr (die Erdferkel nur noch rudimentär), aber dafür extrem lange, klebrige Zungen, mit denen sie engste Gänge erreichen und ihre Insektennahrung aufnehmen können. Alle tragen an den Vorderfüßen große, kräftige Krallen, mit denen sie auch harte Termitennester aufbrechen. Bis in die 80er Jahre fasste man sie zu den sogenannten Zahnarmen zusammen, bis sich durch molekulargenetische Untersuchungen diese angenommene Verwandtschaft als irrig erwies. Alle drei Gruppen gehören ganz verschiedenen Säugetierordnungen an; ihre gemeinsamen Merkmale haben sich jeweils unabhängig entwickelt. Ähnliche Lebensbedingungen bringen bei Tieren und Pflanzen oft sehr ähnliche Anpassungen und Lebensweisen hervor, auch wenn die jeweiligen Spezies nicht weiter miteinander verwandt sind. Man nennt dies konvergente oder auch Parallel-Evolution.
Heimliche Lebensweise
Das 75 bis 120 cm große (wobei etwa die Hälfte auf den Schwanz entfällt) und bis zu 10 kg schwere Sunda-Pangolin gehört zu den vier asiatischen Vertretern der Pangoline und bewohnt außer Borneo und den anderen Großen Sundainseln auch noch die Malaiische Halbinsel und benachbarte Festlandgebiete. Sein eigentliches Habitat sind primäre Regenwälder, es kommt aber auch in Sekundär- und degradierten Wäldern, Gärten und sogar Plantagen vor. Vielleicht mit bedingt durch seine nächtliche Lebensweise ist über sein Verhalten im Einzelnen jedoch nur sehr wenig bekannt. Den Tag verbringt es in vorgefundenen oder selbst gegrabenen Höhlen, während die Nacht der Suche nach Ameisen- und Termitenbauten gewidmet ist. Dabei bewegt es sich nicht nur am Boden, sondern auch geschickt in den Bäumen, wobei ihm sein langer Greifschwanz gute Dienste leistet. Sein hervorragender Geruchssinn ist bei der Nahrungssuche das wichtigste Sinnesorgan.
Bedrohung
Im Jahr 2014 setzte die IUCN das Sunda-Pangolin auf die höchste Bedrohungsstufe, das heißt, es ist unmittelbar vom Aussterben bedroht! Den übrigen sieben Pangolinarten geht es entweder nicht besser, oder sie sind zumindest ebenfalls bedroht. Die Gründe dafür liegen auf der Hand:
Da ist zum einen, wie so oft, der Verlust an Lebensraum durch Waldvernichtung. Zwar lebt das Sunda-Pangolin auch in vom Menschen beeinflussten Habitaten, aber um sich hinreichend fortzupflanzen, braucht es dann doch ursprünglichere Waldgebiete, die genügend Versteck- und Nahrungsmöglichkeiten bieten. Zum anderen aber ist das Sunda-Pangolin wie kaum ein anderes Tier durch fortgesetzte Wilderei bedroht.
Ein illegales Wirtschaftsgut
Seit dem Jahr 2000 ist durch das Washingtoner Artenabkommen (CITES) der Handel mit lebenden Pangolinen sowie ihren Körperteilen verboten. Dennoch sinkt seitdem der Bestand stetig und dramatisch, so dass Sunda-Pangoline in weiten Teilen ihres eigentlichen Verbreitungsgebietes ausgerottet sind. Sie werden als Haustiere gehalten, als Delikatesse verzehrt und ihre Schuppen gelten in der sogenannten traditionellen chinesischen Medizin als Heilmittel für alles Mögliche von Potenzschwierigkeiten bis Geldsorgen. Ein Kilo Schuppen soll auf dem Schwarzmarkt mehrere tausend Dollar wert sein. Pangolinschuppen bestehen wie die ebenfalls hoch gehandelten Nashorn-Hörner aus Keratin. Ihr Konsum, in welcher Form auch immer, ist somit so wenig heilkräftig wie das Kauen von Fingernägeln. Trotzdem floriert dieser illegale Handel global, und Pangoline werden bejagt wie heutzutage wahrscheinlich keine zweite Tierart.
Corona und das Sunda-Pangolin
Allerdings hat das Angebot an Pangolinschuppen und ‑fleisch offenbar auch für den Menschen harte Konsequenzen. Einschlägige Studien lassen es immer wahrscheinlicher werden, dass gerade das Sunda-Pangolin ein entscheidender Zwischenwirt für einen Virus war, das heute als SARS-CoV‑2 die Welt beschäftigt. Covid-19 ist eine Zoonose, eine ursprünglich durch Tiere auf Menschen übertragene Krankheit. Aufgrund molekulargenetischer Analysen geht man mittlerweile davon aus, dass das Virus beziehungsweise eine Vorform von ihm über Federmäuse auf Sunda-Pangoline übertragen wurde und von dort aus auf Menschen überging. Die Pangoline mögen zum Beispiel bei der Nahrungssuche unbeabsichtigt Fledermauskot aufgenommen haben. Vielleicht war es sogar nur ein einziges unseliges Tier, das dann mit seinem unsichtbaren Gast lebend auf einem der wet markets, der Tiermärkte in der Stadt Wuhan landete. Den genauen Verlauf wird man vermutlich nie rekonstruieren können, aber dass die rücksichtslose Ausbeutung der Tierwelt die ganze Menschheit beeinträchtigt, ist mittlerweile hoffentlich unstrittig. In Erweiterung des bekannten BOS-Mottos kann man sagen: Nicht nur Orang-Utan‑, auch Pangolin-Schutz ist Menschenschutz.
Die Orang-Utans und der Regenwald brauchen uns. Gerade jetzt. Vielen Dank für Ihre Unterstützung.