9. November 2022
Orang-Utan Baimah

Vier Neuan­kömm­linge – vier Mal Hoff­nung auf ein Leben in Freiheit

Dieser Moment, wenn in unserem Rettungs­zen­trum das Telefon klin­gelt und wir einen Hinweis auf einen Orang-Utan bekommen, der Hilfe braucht – er ist jedes Mal wieder emotional und jagt unseren Adre­na­lin­spiegel in die Höhe. Natür­lich ist unser Team einge­spielt und weiß genau, was zu tun ist. Übli­cher­weise besteht die Rettungs­mann­schaft aus einem Tier­arzt, einem Baby­sitter, einem Mitar­beiter der örtli­chen Natur­schutz­be­hörde und jemandem aus unserem Kommu­ni­ka­ti­ons­team. Doch ganz gleich wie oft wir schon losge­fahren sind, um einen verletzt aufge­fun­denen oder illegal als Haus­tier gehal­tenen Orang-Utan zu retten: Die Aufre­gung bleibt, denn wir wissen nie genau, was uns vor Ort erwartet.

Wir wissen nur eines sicher: Das ist es, wofür wir bei BOS kämpfen

Mit jedem geret­teten Orang-Utan haben wir eine weitere Chance, ein Tier zu reha­bi­li­tieren, in ein Leben in Frei­heit zu entlassen und damit die Art vor dem Verschwinden zu bewahren. In den letzten Wochen haben wir gleich vier solcher Chancen bekommen: Unser Team ist vier Mal zur Hilfe gerufen worden. Wie sich die Rettungs­ak­tionen unter­scheiden, möchten wir euch hier erzählen. Und euch natür­lich unsere vier Neuzu­gänge vorstellen.

Baimah: über­ge­wichtig und in Babykleidung

Den Hinweis auf Baimah haben wir von der Polizei erhalten, die das etwa zwei Jahre alte Orang-Utan-Mädchen in Baby­klei­dung bei einem Ehepaar entdeckte. Bestimmt haben die beiden es gut gemeint, als sie Baimah regel­mäßig gebadet, mit Milch, Obst und Reis gefüt­tert und wie ein Menschen­baby behan­delt haben. Als unser Team Baimah abholen wollte, fiel es dem Ehepaar sehr schwer, sich von der Kleinen zu trennen, die sie 18 Monate lang bei sich hatten.
Aber natür­lich ist es nicht nur illegal, was sie getan haben, es hat Baimah auch geschadet: Mit 15 kg ist die Zwei­jäh­rige so über­ge­wichtig, dass sie Schwie­rig­keiten hat durch die Nase zu atmen. Außerdem war sie verängs­tigt und klam­merte sich an einem Pfosten fest, als unsere Baby­sit­terin und unser Tier­arzt sich ihr vorsichtig näherten. Nicht einmal Milch wollte sie von uns annehmen. Es stellte sich später heraus, dass sie nur Milch mit Erdbeer­ge­schmack mag.

Orang-Utan Baimah
Orang-Utan Baimah


Baimah ist inzwi­schen gut in unserem Rettungs­zen­trum ange­kommen, sie ist nicht mehr so ängst­lich und gewöhnt sich an die neue Umge­bung. Es geht ihr gesund­heit­lich gut, aller­dings werden wir in den nächsten Wochen damit beschäf­tigt sein, ihre Ernäh­rung wieder auf eine artge­rechte Dschungel-Kost umzu­stellen und ihr Gewicht zu redu­zieren. Sobald sie die Quaran­täne hinter sich hat, darf sie auch mit den anderen Orang-Utan-Kindern spielen. Wir freuen uns schon darauf, sie dabei begleiten und beob­achten zu dürfen.

Segi: ohne Mutter aufgefunden

Es ist eine Geschichte, die wir bei Rettungen immer wieder erzählt bekommen: dass das Orang-Utan-Baby mutter­see­len­al­leine in einem Feld oder am Wald­rand gefunden worden sei. Fakt ist, dass Orang-Utan-Mütter ihren Nach­wuchs niemals frei­willig alleine lassen. Bis zu acht Jahre lang sind Mutter und Kind unzer­trenn­lich. In dieser unglaub­lich wich­tigen Zeit lernt das Kleine alles, was es für sein Leben im Regen­wald wissen und können muss. Dass Segi also von Feld­ar­bei­tern ganz alleine entdeckt wurde, kann nur einen Grund haben: Ihrer Mutter ist etwas zuge­stoßen. Glück­li­cher­weise ging es dem 18 Monate alten Orang-Utan-Mädchen gut, als unser Team eintraf, sie hatte nur leichte Schürf­wunden auf dem Kopf, Rücken und an der linken Hand. Und glück­li­cher­weise wurden wir direkt, nachdem sie gefunden wurde, zur Hilfe gerufen.

Orang-Utan-Segi
Orang-Utan Segi


Segi hat die Quaran­täne bereits hinter sich und sich gut in unserem Wald­kin­der­garten einge­lebt. Sie ist ein cleveres kleines Mädchen, unglaub­lich geschickt im Klet­tern und bereits sehr unab­hängig für ihr Alter. Trotzdem spielt sie auch gerne mit Gleich­alt­rigen, am liebsten mit Kinan, Avo und Kala­naman. Und sie genießt die Aufmerk­sam­keit ihrer Ersatz-Mamas.

Rabia: zwei Jahre in einem Käfig

Schick­sale wie die von Rabia bestä­tigen uns darin, dass nicht nur unsere Rettungs­mis­sionen wichtig sind, sondern auch unsere Arbeit mit den Commu­ni­ties, zu der auch Bildung und Aufklä­rung rund um den Arten­schutz gehören. Nur so können wir hoffent­lich in Zukunft verhin­dern, dass wir ein Lebe­wesen des Waldes, das sich norma­ler­weise täglich unzäh­lige Kilo­meter durch die Baum­wipfel bewegt, alleine oder an seine Mama geku­schelt, das klet­tert, hangelt und auch Mal Purzel­bäume schlägt, aus einem Käfig befreien müssen. Rabias Rettungs­mis­sion gehört zu jenen, die sich ganz beson­ders in die Erin­ne­rung unseres Teams einbrennen: Zwei­ein­halb Jahre ist der Orang-Utan-Junge zum Zeit­punkt seiner Rettung alt und zwei seiner Lebens­jahre hat er in einem kleinen Käfig verbringen müssen. Als Rabia sein Gefängnis verlassen darf, kann er kaum auf eigenen Beinen stehen. Die Muskeln an seinem ganzen Körper sind unter­ent­wi­ckelt. Abge­sehen davon ist er jedoch körper­lich gesund und auch sein Haar ist dicht und sauber.

Orang-Utan Rabia
Orang-Utan Rabia


Brav lässt sich Rabia von unserer Tier­ärztin unter­su­chen und von unserem Baby­sitter auf den Arm nehmen und ins Rettungs­zen­trum bringen. Er ist ganz offen­sicht­lich an Menschen gewöhnt – an den Umgang mit Artge­nossen hingegen gar nicht. Inzwi­schen ist er bereits seit einigen Wochen in unserer Wald­schule und hat erstaun­liche Fort­schritte gemacht. Zu unserer großen Freude übt er fleißig das Klet­tern und freundet sich langsam mit den anderen Orang-Utan-Kindern an. Nur an der Essens­um­stel­lung müssen wir noch arbeiten, denn Reis und Kondens­milch mit Scho­ko­ge­schmack bekommt er bei uns natür­lich nicht mehr. Gerne futtert Rabia frisches Obst, das ihm seine Ersatz-Mamas anbieten, und hat sich auch schon an junge Pflan­zen­sprosse heran gewagt.

Spanser: anhäng­lich und schüchtern

Zwei Monate lang hat ein Mann den zwei­jäh­rigen Orang-Utan-Jungen bei sich behalten, nachdem er ihn seinen eigenen Angaben zufolge hinter seinem Haus im Wald gefunden hatte. In dieser Zeit wurde Spanser mit zuck­riger Kondens­milch, Baby­nah­rung und Bananen gefüt­tert und brachte prop­pere 6,8 kg auf die Waage, als unser Rettungs­team ihn befreite. Abge­sehen davon war er glück­li­cher­weise gesund und hatte lange, gepflegte Haare ohne jegliche Abschürfungen.

Baby-Orang-Utan Spanser
Orang-Utan Spanser


Auch Spanser hat die Quaran­täne bereits hinter sich und besucht die Wald­schule in Nyaru Menteng. Er tut sich noch ein wenig schwer im Umgang mit den anderen Orang-Utan-Kindern, die dem eher schüch­ternen Jungen gerne Mal das leckerste Obst vor der Nase wegschnappen. Unsere Baby­sitter halten sich aus diesen Kabbe­leien heraus, denn nur wenn Spanser lernt, für sich selbst zu sorgen und sich auch gegen andere durch­zu­setzen, wird er später alleine im Dschungel zurecht kommen. Und tatsäch­lich spielt der Kleine inzwi­schen ab und zu mit Alex und Jeni, wagt sich weiter von seinen Ersatz-Mamas weg und bewegt sich zuneh­mend mutig in der Waldschule.

Unser Team ist sich sicher: Alle vier Orang-Utan-Kinder haben gute Chancen auf ein Leben in Frei­heit. Sie haben bereits nach kurzer Zeit wich­tige Fähig­keiten in unserer Wald­schule gelernt und entwi­ckeln sich prächtig. In unseren Rettungs­zen­tren, in der Commu­nity-Arbeit und durch die Auffors­tung von Wald­ge­bieten arbeiten wir uner­müd­lich daran, dass Spanser, Rabia, Segi und Baimah eines Tages das Leben in den Regen­wäl­dern von Borneo führen können, für das sie geboren wurden.

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