Dieser Moment, wenn in unserem Rettungszentrum das Telefon klingelt und wir einen Hinweis auf einen Orang-Utan bekommen, der Hilfe braucht – er ist jedes Mal wieder emotional und jagt unseren Adrenalinspiegel in die Höhe. Natürlich ist unser Team eingespielt und weiß genau, was zu tun ist. Üblicherweise besteht die Rettungsmannschaft aus einem Tierarzt, einem Babysitter, einem Mitarbeiter der örtlichen Naturschutzbehörde und jemandem aus unserem Kommunikationsteam. Doch ganz gleich wie oft wir schon losgefahren sind, um einen verletzt aufgefundenen oder illegal als Haustier gehaltenen Orang-Utan zu retten: Die Aufregung bleibt, denn wir wissen nie genau, was uns vor Ort erwartet.
Wir wissen nur eines sicher: Das ist es, wofür wir bei BOS kämpfen
Mit jedem geretteten Orang-Utan haben wir eine weitere Chance, ein Tier zu rehabilitieren, in ein Leben in Freiheit zu entlassen und damit die Art vor dem Verschwinden zu bewahren. In den letzten Wochen haben wir gleich vier solcher Chancen bekommen: Unser Team ist vier Mal zur Hilfe gerufen worden. Wie sich die Rettungsaktionen unterscheiden, möchten wir euch hier erzählen. Und euch natürlich unsere vier Neuzugänge vorstellen.
Baimah: übergewichtig und in Babykleidung
Den Hinweis auf Baimah haben wir von der Polizei erhalten, die das etwa zwei Jahre alte Orang-Utan-Mädchen in Babykleidung bei einem Ehepaar entdeckte. Bestimmt haben die beiden es gut gemeint, als sie Baimah regelmäßig gebadet, mit Milch, Obst und Reis gefüttert und wie ein Menschenbaby behandelt haben. Als unser Team Baimah abholen wollte, fiel es dem Ehepaar sehr schwer, sich von der Kleinen zu trennen, die sie 18 Monate lang bei sich hatten.
Aber natürlich ist es nicht nur illegal, was sie getan haben, es hat Baimah auch geschadet: Mit 15 kg ist die Zweijährige so übergewichtig, dass sie Schwierigkeiten hat durch die Nase zu atmen. Außerdem war sie verängstigt und klammerte sich an einem Pfosten fest, als unsere Babysitterin und unser Tierarzt sich ihr vorsichtig näherten. Nicht einmal Milch wollte sie von uns annehmen. Es stellte sich später heraus, dass sie nur Milch mit Erdbeergeschmack mag.
Baimah ist inzwischen gut in unserem Rettungszentrum angekommen, sie ist nicht mehr so ängstlich und gewöhnt sich an die neue Umgebung. Es geht ihr gesundheitlich gut, allerdings werden wir in den nächsten Wochen damit beschäftigt sein, ihre Ernährung wieder auf eine artgerechte Dschungel-Kost umzustellen und ihr Gewicht zu reduzieren. Sobald sie die Quarantäne hinter sich hat, darf sie auch mit den anderen Orang-Utan-Kindern spielen. Wir freuen uns schon darauf, sie dabei begleiten und beobachten zu dürfen.
Segi: ohne Mutter aufgefunden
Es ist eine Geschichte, die wir bei Rettungen immer wieder erzählt bekommen: dass das Orang-Utan-Baby mutterseelenalleine in einem Feld oder am Waldrand gefunden worden sei. Fakt ist, dass Orang-Utan-Mütter ihren Nachwuchs niemals freiwillig alleine lassen. Bis zu acht Jahre lang sind Mutter und Kind unzertrennlich. In dieser unglaublich wichtigen Zeit lernt das Kleine alles, was es für sein Leben im Regenwald wissen und können muss. Dass Segi also von Feldarbeitern ganz alleine entdeckt wurde, kann nur einen Grund haben: Ihrer Mutter ist etwas zugestoßen. Glücklicherweise ging es dem 18 Monate alten Orang-Utan-Mädchen gut, als unser Team eintraf, sie hatte nur leichte Schürfwunden auf dem Kopf, Rücken und an der linken Hand. Und glücklicherweise wurden wir direkt, nachdem sie gefunden wurde, zur Hilfe gerufen.
Segi hat die Quarantäne bereits hinter sich und sich gut in unserem Waldkindergarten eingelebt. Sie ist ein cleveres kleines Mädchen, unglaublich geschickt im Klettern und bereits sehr unabhängig für ihr Alter. Trotzdem spielt sie auch gerne mit Gleichaltrigen, am liebsten mit Kinan, Avo und Kalanaman. Und sie genießt die Aufmerksamkeit ihrer Ersatz-Mamas.
Rabia: zwei Jahre in einem Käfig
Schicksale wie die von Rabia bestätigen uns darin, dass nicht nur unsere Rettungsmissionen wichtig sind, sondern auch unsere Arbeit mit den Communities, zu der auch Bildung und Aufklärung rund um den Artenschutz gehören. Nur so können wir hoffentlich in Zukunft verhindern, dass wir ein Lebewesen des Waldes, das sich normalerweise täglich unzählige Kilometer durch die Baumwipfel bewegt, alleine oder an seine Mama gekuschelt, das klettert, hangelt und auch Mal Purzelbäume schlägt, aus einem Käfig befreien müssen. Rabias Rettungsmission gehört zu jenen, die sich ganz besonders in die Erinnerung unseres Teams einbrennen: Zweieinhalb Jahre ist der Orang-Utan-Junge zum Zeitpunkt seiner Rettung alt und zwei seiner Lebensjahre hat er in einem kleinen Käfig verbringen müssen. Als Rabia sein Gefängnis verlassen darf, kann er kaum auf eigenen Beinen stehen. Die Muskeln an seinem ganzen Körper sind unterentwickelt. Abgesehen davon ist er jedoch körperlich gesund und auch sein Haar ist dicht und sauber.
Brav lässt sich Rabia von unserer Tierärztin untersuchen und von unserem Babysitter auf den Arm nehmen und ins Rettungszentrum bringen. Er ist ganz offensichtlich an Menschen gewöhnt – an den Umgang mit Artgenossen hingegen gar nicht. Inzwischen ist er bereits seit einigen Wochen in unserer Waldschule und hat erstaunliche Fortschritte gemacht. Zu unserer großen Freude übt er fleißig das Klettern und freundet sich langsam mit den anderen Orang-Utan-Kindern an. Nur an der Essensumstellung müssen wir noch arbeiten, denn Reis und Kondensmilch mit Schokogeschmack bekommt er bei uns natürlich nicht mehr. Gerne futtert Rabia frisches Obst, das ihm seine Ersatz-Mamas anbieten, und hat sich auch schon an junge Pflanzensprosse heran gewagt.
Spanser: anhänglich und schüchtern
Zwei Monate lang hat ein Mann den zweijährigen Orang-Utan-Jungen bei sich behalten, nachdem er ihn seinen eigenen Angaben zufolge hinter seinem Haus im Wald gefunden hatte. In dieser Zeit wurde Spanser mit zuckriger Kondensmilch, Babynahrung und Bananen gefüttert und brachte proppere 6,8 kg auf die Waage, als unser Rettungsteam ihn befreite. Abgesehen davon war er glücklicherweise gesund und hatte lange, gepflegte Haare ohne jegliche Abschürfungen.
Auch Spanser hat die Quarantäne bereits hinter sich und besucht die Waldschule in Nyaru Menteng. Er tut sich noch ein wenig schwer im Umgang mit den anderen Orang-Utan-Kindern, die dem eher schüchternen Jungen gerne Mal das leckerste Obst vor der Nase wegschnappen. Unsere Babysitter halten sich aus diesen Kabbeleien heraus, denn nur wenn Spanser lernt, für sich selbst zu sorgen und sich auch gegen andere durchzusetzen, wird er später alleine im Dschungel zurecht kommen. Und tatsächlich spielt der Kleine inzwischen ab und zu mit Alex und Jeni, wagt sich weiter von seinen Ersatz-Mamas weg und bewegt sich zunehmend mutig in der Waldschule.
Unser Team ist sich sicher: Alle vier Orang-Utan-Kinder haben gute Chancen auf ein Leben in Freiheit. Sie haben bereits nach kurzer Zeit wichtige Fähigkeiten in unserer Waldschule gelernt und entwickeln sich prächtig. In unseren Rettungszentren, in der Community-Arbeit und durch die Aufforstung von Waldgebieten arbeiten wir unermüdlich daran, dass Spanser, Rabia, Segi und Baimah eines Tages das Leben in den Regenwäldern von Borneo führen können, für das sie geboren wurden.
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