Ein wichtiger Teil unserer Arbeit ist die Beobachtung der ausgewilderten Orang-Utans in ihrem neuen Lebensraum. Sie aufzuspüren ist jedoch manchmal etwas herausfordernd: Einige der Tiere meiden die Menschen, manche reagieren aggressiv und wieder andere nähern sich neugierig den Post-Release-Monitoring-Teams, sobald sie sie erspähen. Der Grund für das unterschiedliche Verhalten liegt meist in ihrer persönlichen Geschichte.
Manche Orang-Utans halten sich von Menschen fern
Unsere Post-Release-Monitoring (PRM)-Teams bringen von ihren Touren durch die Auswilderungsgebiete jedes Mal neue Eindrücke von ihren Begegnungen mit den „Neuen Wilden“ mit. Auf einer ihrer letzten Patrouillen traf das Team aus Camp Lesik unter anderem auf Mona, die schon seit über sieben Jahren im Kehje-Sewen-Wald lebt. Das Weibchen tendiert dazu, den Menschen keine große Beachtung zu schenken. Kommen sie dann näher, wird jedoch eine starke Abneigung spürbar und Mona reagiert bisweilen aggressiv. Dann ist Vorsicht geboten.
Auch Marlies mag Menschen nicht so gern. Bevor sie 2003 in unser Schutzzentrum kam, wurde sie illegal als Haustier gehalten. Sobald sie Menschen sieht, stellen sich Ihre Haare auf – ein untrügliches Zeichen, dass sie Wut verspürt. In diesem erregten Zustand kann Marlies unberechenbar sein. Daher bleibt das Team immer wachsam und trifft die notwendigen Vorkehrungen, um eine unerwartete Begegnung mit ihr zu vermeiden. Im schlimmsten Fall kann das Team einfach in den Fluss springen. Das ist tatsächlich schon vorgekommen. Orang-Utans können nicht schwimmen, daher ist das Wasser für die Beobachter ein sicherer Ort. Wenn Marlies weiß, dass es eine Barriere zwischen ihr und den Menschen gibt, beruhigt sie sich dann jedoch immer wieder und zieht sich zurück.
Andere treibt die Neugier
Doch es gibt auch ausgesprochen neugierige Orang-Utans, die sich unseren Teams nähern, sobald sie sie erspähen. Ein Grund: Die Ausrüstung, die unsere Teams immer dabeihaben, scheint die Tiere magisch anzuziehen. Ob Fernglas, Regenmantel, Stirnlampe, Packsack oder Markierungsband – die farbenfrohen Gegenstände wecken großes Interesse und sind begehrtes „Diebesgut“. Die schlauen Orang-Utans finden immer einen Weg, unsere Leute auszutricksen und mit Teilen der Ausrüstung im Wald zu verschwinden… Ein wahrer Meister darin ist das bald 13jährige Männchen Robert, der schon in der Waldschule so lernbegierig und geschickt was, dass er eine „Klasse“ überspringen konnte. Sobald Robert in die Nähe des PRM-Teams kommt, wird das Equipment nicht mehr aus den Augen gelassen – sowohl vom Menschen als auch vom Tier.
Jedes Tier hat eine eigene Persönlichkeit
Indem wir die Individuen erforschen, erfahren wir sehr viel über die Art und ihre Anpassungsfähigkeit an ihren Lebensraum. Und genauso wie jedes Tier, ist auch jede Begegnung anders: von aufregend und lustig bis zu angespannt und nervenaufreibend. Das Verhalten eines Orang-Utans kann sich innerhalb eines Augenblicks völlig ändern. Ein Tier, dass tagelang in derselben Routine unterwegs ist, verhält sich am nächsten Tag plötzlich komplett anderes. Was die Verhaltensänderung ausgelöst hat, ist dabei nicht immer klar. Daraus die richtigen Schlüsse zu ziehen, ist nicht einfach und erfordert jahrelange Beobachtung.
Anpassung an den Lebensraum erfolgreich
Auch wenn es für unsere Teams manchmal herausfordernd ist, wenn einer der Schützlinge aggressiv reagiert, Dinge stibitzt oder sofort verschwindet – sie alle sind bestens an ihren Lebensraum im Regenwald von Borneo angepasst. Wir wünschen ihnen und uns, dass das so bleibt.
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