30. August 2020

Orang-Utans und Groß­katzen rücken zusammen — mit Folgen

Nur sehr wenige Tiere können Orang-Utans gefähr­lich werden. Hier berichten wir von Angriffen des seltenen Sunda-Nebel­par­ders auf Olbert und Olivia, zwei von der BOS Foun­da­tion ausge­wil­derte Orang-Utans. Dank unseres erfah­renen Tier­ärz­te­teams sind beide Tiere bereits wieder auf freiem Fuß in unserem Schutz­wald Bukit Batikap unter­wegs. Der starke Rück­gang des natür­li­chen Regen­waldes und die damit verbun­denen Ressour­cen­knapp­heit macht sich leider auch auf diese Weise bemerkbar.

Das war knapp. Nach über zwei­mo­na­tiger Behand­lung waren Olberts tiefe, dolch­zahn­ar­tige Biss­wunden an Rücken und Kopf endlich verheilt. Wenn unser Team ihn nicht gefunden und behan­delt hätte, wäre er vermut­lich an der Infek­tion seiner Wunden gestorben. Auch Orang-Utan Weib­chen Olivia wurde, eben­falls drei Jahre nach ihrer erfolg­rei­chen Auswil­de­rung, wegen infi­zierter Biss­wunden in unsere Schutz­sta­tion zurück­ge­bracht und behan­delt. Derar­tige Verlet­zungen können, laut Aussage unserer erfah­renen Tier­ärzte, nur von einer großen Katze, dem Sunda-Nebel­parder stammen. All jene, die den Anblick offener Wunden wegste­cken können, finden Bilder in der Galerie unter diesem Text (Spoiler-Alarm: die Wunden schauen wirk­lich nicht schön aus).

Seltene Schönheiten

Sunda-Nebel­parder sind selten gewor­dene, wahre Schön­heiten, die vor allem nachts, manchmal aber auch am Tag im Regen­wald aktiv sind. Mit Schwanz einbe­rechnet, erreicht die Groß­katze eine Länge von bis zu knapp zwei Metern. Ihr Fell weist die artspe­zi­fi­sche Wolken­zeich­nung auf und mit ihren perfekt ans Dämmer­licht ange­passten, scharfen Augen, ihrem wendigen, grazilen Körperbau, langen, dolch­ar­tigen Eckzähnen und scharfen Krallen sind sie Meister der Jagd.

Wie auch manch andere Feliden, können auch Nebel­parder gut klet­tern und nutzen Bäume als Ruhe­plätze, sowie manchmal auch um ihre Beute für ein späteres Mahl zu verste­cken (1). Dennoch ist ein Angriff hoch oben in den Bäumen eher unwahr­schein­lich. Ein ausge­wach­sener Orang-Utan, immerhin das größte baum­be­woh­nende Säuge­tier der Welt, ist mit seinem perfekt ans Klet­tern ange­passten Körper und starken, lang­glied­rigen Greif­händen, vermut­lich einer noch so gut klet­ternden Groß­katze überlegen.

Passt nicht ganz ins Beuteschema

Angriffe von Nebel­par­dern sind selten. Zum natür­li­chen Beute­spek­trum der Groß­katze gehören boden­be­woh­nende Vögel, Hirsch­arten, kleine Primaten, Nage­tiere und gele­gent­lich auch Fische und Schlangen (1). Bisher sind nur drei Fälle außer­halb unserer Schutz­wälder doku­men­tiert (2,3,4), in denen Orang-Utans von Nebel­par­dern ange­griffen wurden. Nur ein Einziger davon endete in Folge tödlich. Bei Olivia und Olbert wird auf Grund der Rücken­ver­let­zungen vermutet, dass die Angriffe von hinten am Boden erfolgt sind. Beide Tiere waren dafür bekannt, mehr Zeit als andere ausge­wil­derte Orang-Utans am Boden zu verbringen – dies hat sich inzwi­schen glück­li­cher­weise geän­dert. Neueste Beob­ach­tungen zeigen, dass Olbert nun vorsich­tiger geworden ist, er verbringt seit seiner erneuten Auswil­de­rung nur noch insge­samt 5 % seiner Zeit am Boden (5). Auch Olivia wird hoffent­lich in Zukunft wach­samer sein.

Olbert im sicheren Baum
Olbert im sicheren Baum

Unter Beobachtung

Bisher haben wir 183 Orang-Utans in unserem Schutz­wald Bukit Batikap erfolg­reich in die lang ersehnte Frei­heit entlassen. Nach der Auswil­de­rung werden die Tiere von unserem Team mit Hilfe von Sendern geortet und ihr Gesund­heits­zu­stand auf Sicht­kon­takt über­prüft. Dazu gehört, neben der Evalu­ie­rung ihres Zustands, auch, ob sie natür­lich vorkom­mende Futter­res­sourcen wie Früchte und Pflan­zen­ma­te­rial suchen und verzehren (das ist einer der Indi­ka­toren dafür, dass sie ein selbst­stän­diges Leben in der freien Wild­bahn führen können), sich Schlaf­nester bauen und diese auch am Tag verlassen (denn wenn es ihnen schlecht geht, bleiben sie manchmal sogar im Nest), und wie viel Zeit sie am Boden oder in den Bäumen verbringen (denn kranke Tiere sind im extremsten Fall manchmal sogar zu schwach zum Klettern).

Orang-Utan in der Kamerafalle
Orang-Utan in der Kamerafalle

Die größte Gefahr

Für Orang-Utans stellt die durch den Menschen verur­sachte Abhol­zung des Regen­waldes die größte Bedro­hung dar. Nur sehr wenige Tiere können Orang-Utans in freier Wild­bahn gefähr­lich werden, dazu gehören neben dem Sunda-Nebel­parder, Schlangen, wie zum Beispiel Pythons, und Kroko­dile (ja auch die gibt es auf Borneo!). Andere große Säuge­tiere, wie Malai­en­bären, sind nicht bekannt dafür Orang-Utans anzu­greifen. Sie fressen haupt­säch­lich Früchte und eher selten kleine Säuge­tiere, Insekten und Honig (3).
Auch der Sunda-Nebel­parder ist durch den stetig voran­schrei­tende Lebens­raum­ver­lust gefährdet (6,7). Zudem ist die ille­gale Jagd, um Körper­teile wie Fell und Knochen für große Geld­summen am Schwarz­markt zu verkaufen, ein großes Problem. Dies geschieht nicht nur unter teil­weise kata­stro­phalen hygie­ni­schen Verhält­nissen, die eine poten­ti­elle Gefahr für die Entste­hung von Zoonosen wie COVID-19 darstellen, sondern auch für einen dubiosen Zweck: die Tier­teile finden Verwen­dung in der tradi­tio­nellen chine­si­schen Medizin.

Der tropi­sche Regen­wald, die soge­nannte grüne Lunge der Erde, ist eine der letzten Zufluchts­stätten der Arten­viel­falt und spielt eine zentrale Rolle für das Ökosystem und unser Klima. Beim Wachstum binden die Bäume und andere Pflanzen große Mengen an Kohlen­stoff aus der Atmo­sphäre, spei­chern ihn in ihrer Biomasse und produ­zieren Sauer­stoff. Ein gesunder Wald bietet Zuflucht, Lebens­raum und genü­gend verfüg­bare, natür­liche Ressourcen für alle darin lebenden Tiere – für Pflan­zen­fresser, sowie Beute­greifer. Durch das faszi­nie­rende Zusam­men­spiel jedes einzelnen Teiles, von der kleinsten Mikrobe bis zu den größten Tieren, wie Orang-Utan und Nebel­parder, wird ein empfind­li­ches Gleich­ge­wicht herge­stellt. Jedes Glied im Ökosystem Wald ist wichtig, um die natür­liche Balance zu erhalten.

Eines unserer wich­tigsten Ziele ist es, mehr Regen­wald­flä­chen zu erwerben und zu Schutz­wald für unsere Orang-Utans und andere wilde Tiere umzu­wan­deln. Helfen auch Sie diesen faszi­nie­renden Lebens­raum und seine gewal­tige Arten­viel­falt zu erhalten und zu schützen. Werden auch Sie zum BOS-Unter­stützer. Mit ihrer Spende helfen sie den Orang-Utans und dem Regen­wald, der Heimat dieser und anderer beson­derer Tiere! Jeder Beitrag hilft.

Text:
Dr. Isabelle Laumer / Bilder und Inhalte stammen von einem gemein­samen Projekt von BOSF, Univer­sity of British Columbia (UBC) und Bogor Agri­cul­tural Univer­sity Institut Perta­nian Bogor (IPB).

Refe­renzen:

1.    Chiang PJ, Allen ML (2017) A review of our current know­ledge of clouded leopards (Neofelis nebu­losa). Int J Avian Wildl Biol 2:148–154.

2.    Marzec AM, Kunz JA, Falkner A, Utami Atmoko SS, Alavi SE, Moldawer AM, Vogel ER, Schupplil C, van Schaik CP, van Noor­dwijk MA (2016) The dark side of the red ape: male­me­diated lethal female compe­ti­tion in Bornean oran­gutans. Behav Ecol Socio­biol 70:459–466.

3.    Kana­mori T, Kuze N, Bernard H, Malim TP, Kohshima S (2012) Fata­lity of a wild Bornean oran­gutan (Pongo pygmaeus morio): beha­viour and death of a wounded juve­nile in Danum Valley, North Borneo. Primates 53:221–226.

4.    van Noor­dwijk MA, Utami Atmoko SS, Knott CD, Kuze N, Morrogh-Bernard HC, Oram F, Schuppli C, van Schaik CP, Willems EP (2018) The slow ape: high infant survival and long inter­birth inter­vals in wild oran­gutans. J Hum Evol 125:38–49.

5.    Sunder­land-Groves, J.L., Tandang, M.V., Patis­pa­thika, F.H. et al. (2020) Suspected Sunda clouded leopard (Neofelis diardi) preda­tion attempts on two rein­tro­duced Bornean oran­gutans (Pongo pygmaeus wurmbii) in Bukit Batikap Protec­tion Forest, Central Kali­mantan, Indo­nesia. Primates.

6.    Hearn, A., Ross, J., Brodie, J., Cheyne, S., Haidir, I.A., Loken, B., Mathai, J., Wilting, A. & McCarthy, J. (2015). Neofelis diardi. The IUCN Red List of Threa­tened Species 2015:
       e.T136603A97212874.

7.    Hearn, A., Sanderson, J., Ross, J., Wilting, A. & Sunarto, S. (2008). Neofelis diardi ssp.
borneensis. The IUCN Red List of Threa­tened Species 2008: e.T136945A4351615.