Bevor es in die große, weite Welt geht, müssen kleine Orang-Utans alles lernen, was sie für ein selbstständiges Leben in Freiheit brauchen. Dazu gehört zum Beispiel, verschiedene Baumarten zu erkennen und zu wissen, wo und wie man darin am besten ein Schlafnest baut. Genauso wichtig ist es, Nahrung zu finden und Gefahren zu erkennen und sie zu vermeiden. In der Waldschule versuchen unsere Babysitterinnen, den jungen Orang-Utan-Waisen so viel wie möglich beizubringen. Wenn alles gut läuft, brauchen sie diese Unterstützung dann immer seltener – und irgendwann gar nicht mehr.
Neugierig entdecken die kleinen Orang-Utans die Welt
Doch nicht nur die Babysitterinnen sind Lehrmeister der kleinen Orang-Utans. Genau wie bei uns Menschen, schauen sich die Waldschüler, je älter sie werden, auch immer mehr von ihren Altersgenossen oder den etwas größeren Orang-Utans ab. Das konnten wir neulich auch bei Rachel beobachten. Sie und Jessi, eine begeisterte Kletterin, waren in den Bäumen unterwegs. Rachel blieb ihrer etwas älteren Klassenkameradin dicht auf den Fersen und beobachtete ganz genau, was sie machte.
Rachel kam vor drei Jahren zu BOS – 2017, genau einen Tag vor Weihnachten, wurde sie an uns übergeben. Anfangs noch etwas schüchtern, begann sie nach und nach ihre neue Welt zu erobern. Dieses Jahr im Januar kam sie dann in die vierte Waldschulklasse und entpuppte sich als wahre Entdeckerin. Sie ist wissbegierig und lernt schnell, vor allem von ihren Artgenossen. Und genau das zeigte sie an diesem Tag.
Auf der Suche nach Lösungen
Hoch oben in den Bäumen, wo das vor der Sonne schützende Blätterdach immer durchlässiger wird, war es sehr heiß. Und die Mittagshitze macht durstig. Etwas zu trinken gibt es für die Waldschüler immer bei den Babysitterinnen… Also machte sich Jessi flugs auf den Weg Richtung Waldboden. Als sie unten ankam entschied die Babysitterin, gleich die ganze Gruppe zu sich zu rufen, um auch den anderen Orang-Utans etwas zu trinken zu geben. Rachel jedoch saß noch immer hoch oben im Baum. Sie hörte den Ruf. Und auch sie schien durstig zu sein, denn sie setzte sich sofort in Bewegung. Doch dann kam sie ins Stocken. Um sich sicher nach unten zu hangeln, müsste sie zum Nachbarbaum hinüber – doch der schien außerhalb ihrer Reichweite. Rachel hielt inne, suchte nach Alternativen. Erst versuchte sie, an dem Baum, auf dem sie saß, nach unten zu klettern. Doch Ihre Arme waren nicht lang genug, um den Stamm zu umfassen. Was nun? Sie rief nach Hilfe, doch die Babysitterinnen konnten nichts anderes tun, als ihr Mut zuzusprechen.
Von den Großen lernen
Das clevere Orang-Utan-Mädchen wusste, dass sie den Weg allein finden musste. Wie hatte Jessi es nur gemacht? Rachel griff plötzlich entschlossen nach einem kleineren Ast und schwang sich mutig zum nächstgrößeren. Von dort ging es wieder zum nächsten Ast und immer so weiter, bis sie es sicher ganz auf den Boden geschafft hatte. Rachels Babysitterin war sehr stolz auf ihren Schützling. Nicht nur, weil es geschafft hatte, sicher unten anzukommen, sondern vor allem, weil sie sich so beharrlich bemüht hatte, ans Ziel zu gelangen. Zur Belohnung gab es dann eine besonders großzügige Portion Sojamilch.
Wir hoffen, dass Rachel ihren Drang zum Erlernen neuer Fähigkeiten beibehält. Das ist die beste Voraussetzung für den Weg in die Freiheit.
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