Es war nur ein verräterisches Knacken in den Ästen hoch über ihnen, das unser Monitoring-Team aus dem Camp Nles Mamse aufmerken lies. Ein Orang-Utan? Unsere Teams müssen sich gut auf ihre Ohren verlassen können, denn oft ist es nur dieses kurze Geräusch, das sie auf die Spur der Tiere bringt. Und tatsächlich: Hoch oben im Blätterdach erkannten sie rotbraunes Fell – dort saßen gleich zwei Orang-Utans!
Es dauerte nicht lange, bis das Team die Tiere als Angely (12) und Justin (14) identifizierte, die beide schon seit längerer Zeit im Kehje Sewen Forest leben. Angely wurde 2016 ausgewildert; Justin folgte ein Jahr später. Beide gemeinsam anzutreffen, war eine vielversprechende Gelegenheit, Daten über ihr Verhalten zu sammeln… Also baute unser Team seine Ausrüstung auf und begann mit den Beobachtungen. Was sehr schnell offensichtlich wurde: Justin folgte Angely praktisch überall hin.
Orang-Utan sind meist Einzelgänger

Seitdem Justin im Kehje Sewen Wald lebt, sehen wir ihn immer wieder auf Brautschau. So wich er vor rund vier Jahren dem Orang-Utan-Weibchen Recki nicht mehr von der Seite und im letzten Jahr machte er Elder leidenschaftlich den Hof. Orang-Utans sind in der Regel Einzelgänger – semi-solitär nennen Biologen ihr Verhalten. Das heißt, sie kommen nur manchmal für die gemeinsame Futtersuche und natürlich zur Paarung zusammen. Dann ziehen sie wieder allein durch den Regenwald.
Flirten auf Menschenaffenart
Zurück zu Justin und Angely. Aufmerksam beobachtete unser Team die beiden bei der Futtersuche und ihrem Miteinander hoch in den Bäumen. Die Zeit verging. Am Nachmittag bewölkte sich der Himmel – perfekte Bedingungen für eine kleine Siesta. Justin begann, sein Tagesnest zu bauen. Gerade wollte er sich in sein mit Blättern gepolstertes Bauwerk legen, als sich Angely – die die ganze Zeit in der Nähe gefressen hatte – entfernte und auf einen anderen Baum kletterte. Justin zögerte keinen Moment, verließ sein bequemes Nest wieder und folgte ihr.

Angely begann nun ihrerseits, ein Nest zu bauen und Justin tat es ihr nach. Er blieb ganz in ihrer Nähe und baute sein Bett nur ein Stockwerk höher als ihres. Als sie dann in ihren jeweiligen Nestern lagen, passierte etwas sehr Spannendes: Beide Orang-Utans hielten sich über die Entfernung an derselben Liane fest. Justin rüttelte immer wieder an der Kletterpflanze, und Angely schüttelte sie leicht zu ihm zurück. Das taten sie abwechselnd eine ganze Weile, so als würden sie über die Liane Nachrichten verschicken. Die beiden hatten offenbar eine eigene Form der Kommunikation gefunden.
Romantische Zweisamkeit unterm Regendach
Etwas später begann es zu regnen – der Regen wurde immer heftiger. Angely war durch das dichte Blätterdach bestens geschützt, während immer dickere Regentropfen schnell Justins Fell durchnässten. Kurzerhand pflückte er sich ein breites Blatt und hielt es wie einen Regenschirm über seinen Kopf. So ausgerüstet, kletterte er langsam, aber zielstrebig zu Angely hinunter. Bereitwillig ließ sie Justin neben sich Platz nehmen, während der Regen um sie herum fiel. So blieben die Beiden Seite an Seite sitzen, vom Regen geschützt. Eine romantischere Szene hätten Liebesromanautoren nicht schreiben können. Da es langsam dunkel wurde, zog sich unser Beobachtungsteam ins Lager zurück. Wie die Geschichte im dunklen Geäst des Regenwaldes wohl weiterging? Wir wissen es nicht….
Unterstützen Sie unsere Arbeit mit den rothaarigen Menschenaffen. Mit Ihrer Spende helfen Sie den Orang-Utans, dem Regenwald und damit auch unserem Klima. Jeder Beitrag hilft.