Die DNA von Orang-Utans und uns Menschen stimmt zu 97 Prozent überein. Tatsächlich sind uns diese intelligenten Tiere in ihrem Verhalten und ihren Bedürfnissen sehr ähnlich. Nur deswegen ist es überhaupt möglich, dass unsere „Ersatzmütter“ den kleinen Orang-Utan-Waisen in der Waldschule alles das beibringen, was sie sonst von ihren Müttern gelernt hätten. Wieviel wir Menschen umgekehrt von den Orang-Utans lernen können, erleben unsere Monitoring-Teams immer wieder. Zum Beispiel, wie man im Wald überlebt.
Unsere Post-Release-Monitoring-Teams arbeiten tief im Regenwald, weitab von jeglicher Zivilisation. Immer wieder müssen Versorgungstrupps neben dem benötigten Equipment auch Nahrungsmittel in die Camps liefern. In Schlechtwetter-Zeiten kann es auch mal länger dauern, bis Nachschub kommt. Frisch gefangener Fisch aus den nahegelegenen Flüssen ergänzt dann den Speiseplan.
Doch der Regenwald bietet noch so viel mehr an Nahrung – wenn man weiß, was essbar und was giftig ist. Es gibt unzählige Pflanzen und Früchte, die wir Menschen völlig unbedenklich essen können. Wer sich jedoch nicht auskennt, kann nur schwer unterscheiden, was gut schmeckt und wovon wir besser die Finger lassen. Orang-Utans kennen den Unterschied sehr genau. Was liegt da näher, als diese Experten bei ihrer Nahrungsbeschaffung zu beobachten – und von ihnen zu lernen?
Orang-Utans wissen sehr genau, was essbar ist
Vor einiger Zeit entdeckte unser Team auf der Insel Juq Kehje Swen Desi und Kimi. Desi lebt seit Sommer 2019 auf der Vorauswilderungsinsel. Schon kurz nach ihrer Ankunft hatte sie eine neue Freundin gefunden: Kimi, ein wildes Orang-Utan-Weibchen, das schon länger auf der Insel lebt. Desi, die viele Jahre im Samboja Lestari Rehabilitationszentrum auf ein Leben in Freiheit vorbereitet wurde, hat ganz andere Gewohnheiten und Strategien zur Futtersuche als die wilde Kimi. Diese ist eindeutig vertrauter mit einer größeren Auswahl an natürlichen Nahrungsquellen im Wald. Indem Desi ihre Freundin sehr genau beobachtet, lernt sie jeden Tag immer mehr Früchte und Pflanzen kennen, die essbar sind. Und auch unsere Teams lernen, denn sie beobachten und dokumentieren die Aktivitäten der beiden Menschenaffen sehr genau.
Das Vertrauen in das Wissen der Orang-Utans geht sogar so weit, dass das Team einige der Lieblingsfrüchte der beiden selbst probiert hat: Zum Beispiel Lunuk, oder auch wilde Feige (Ficus sp.), und Loa (Ficus racemose), die beide auf der Insel Juq Kehje Swen häufig vorkommen. Und tatsächlich – die Früchte schmecken richtig gut! Anderes Obst ist zwar nicht so lecker, aber dennoch gut bekömmlich. Zum Beispiel die Früchte von Drewak (Microcos sp.) und Lempaung (Baccaurea lanceolate). Sie hinterlassen einen sauren Geschmack auf der Zunge, sind aber essbar. Auch einige Blätter und Kräuter, wie die würzigen Zingiberaceae-Röhren, sind bei Orang-Utans sehr beliebt und schmecken auch den Menschen.
Um eine andere Frucht, die als mondokaki oder bongang (Tabernaemontana macrocarpa) bekannt ist, haben die beiden Orang-Utan-Weibchen einen weiten Bogen gemacht. Unser Team nahm das als deutlichen Hinweis und hat diese roten Früchte nicht einmal angefasst. Und tatsächlich: Offenbar wird diese Pflanze in einigen Formen als Medizin verwendet aber dient in anderer Form als Pfeilgift. Also Hände weg!
Wir können viel von Orang-Utans lernen
Der tropische Regenwald, mit seiner unvorstellbaren Vielfalt an Pflanzen, bietet noch sehr viel mehr. Wussten Sie, dass mehr als die Hälfte aller Wirkstoffe aus der modernen Medizin von tropischen Pflanzen stammen? Der Regenwald ist eine wahre Apotheke – wenn man weiß, welche Pflanzen heilen und welche giftig sind. Beide Sorten sind reichlich vorhanden. So gibt es beispielsweise Blätter gegen Fieber (Durian), Verstopfung (Papaya) oder Entzündungen (Dracaena cantleyi). Die Orang-Utans machen sich diese Heilkraft der Pflanzen zunutze. So wurden sie dabei beobachtet, wie sie die Blätter der Dracaena cantleyi zerkauten und sich anschließend den entzündungshemmenden Speichel-Pflanzen-Mix auf ihre Gliedmaßen schmierten.
Durch die Beobachtung der Orang-Utans lernen unsere Teams, wie sie im Fall der Fälle im Regenwald überleben können.
Werden auch Sie zum BOS-Unterstützer. Mit Ihrer Spende helfen Sie den Orang-Utans, dem Regenwald und damit auch unserem Klima. Jeder Beitrag hilft.