Orang-Utan-Mütter sind, wir können es nicht anders sagen, echte Supermütter im Tierreich. Sie hüten ihren Nachwuchs wie einen unbezahlbaren Schatz. Und das ist er ja auch. Sowieso. Aber insbesondere deshalb, weil Orang-Utans nur alle sechs bis acht Jahre ein Baby bekommen. So eine niedrige Reproduktionsrate hat kein anderes Säugetier. Und das ist auch einer der Gründe, warum Orang-Utans vom Aussterben bedroht sind. Denn jedes getötete oder der Wildnis entrissene Tier, wirkt sich direkt auf zukünftige Generationen aus.
Supermütter sind sie auch deshalb, weil sie sich sieben bis acht Jahre lang ganz allein um ihren Nachwuchs kümmern – bis das Kind bereit ist, selbstständig zu leben. Die halbsolitäre Natur der Orang-Utans bedeutet, dass eine Orang-Utan-Mutter nicht auf die Unterstützung anderer Tiere in einer Gruppe zählen kann. Sie kann nicht auf Väter, Tanten, Onkel oder Nichten zurückgreifen, die sich auch mal um die Erziehung kümmern. Nur in seltenen Fällen leistet ihr ein fast schon selbstständiges Kind zumindest zeitweise Gesellschaft und Unterstützung.
In den ersten Lebensjahren ist ein Orang-Utan-Kind sehr stark von seiner Mutter abhängig. So ist das Leben einer Orang-Utan-Mutter, die einen Säugling aufzieht, nicht einfach: Sie muss mehr Nahrung als üblich suchen, um ihr Kind zu stillen, während es sich die ganze Zeit an ihren Körper klammert. Orang-Utan-Mütter müssen also wirklich starke Supermütter sein, um ihren Nachwuchs in der Wildnis aufzuziehen!
Auch unsere Post-Release-Monitoring-Teams (PRM) sind immer wieder beeindruckt, wenn sie in unseren Auswilderungswäldern auf eine Mutter mit Kind treffen. So auch neulich im Kehje Sewen-Wald in der Nähe des Camps Lesik.
An diesem Tag hatte unser Team das Glück, Sayang (12) und ihre Tochter Padma (3) frühmorgens in der Nähe des Camps anzutreffen. Sayang wurde 2009 auf der Vorauswilderungsinsel Kaja Island geboren und 2013 gemeinsam mit ihrer Mutter Yayang ausgewildert.
Während der Beobachtungen blieb Padma meist in den Armen ihrer Mutter und schenkte unserem Team nur gelegentlich Aufmerksamkeit. Es schien, dass sie sich durch unserer Anwesenheit etwas gestört fühlte, denn sie fing an, Stöcke zu zerbrechen und diese nach dem Team zu werfen. Für Orang-Utans ein eindeutiges Zeichen von Unmut. Sayang hingegen war die Ruhe selbst. Sie sah dem Treiben ohne jede Reaktion zu. Vielleicht wurden wir Zeugen einer Lehrstunde: Padma durfte an uns üben, wie sich ein Orang-Utan vor Bedrohungen schützt. Gut gemacht, kleine Padma, dein Selbstbewusstsein erwacht.
Bei der Beobachtung junger Orang-Utans im Regenwald vergeht die Zeit schon mal wie im Flug. Die Sonne stand schon hoch am Himmel, als Sayang mit Padma auf dem Rücken von den Bäumen unweit des Lagers herunterkletterte und zum Ufer des Pehpan-Flusses hinabstieg. Das Team folgte ihnen durch das dichte Gebüsch und wurde dann Zeuge, wie Sayang ihre Tochter über den Fluss trug.
Das hatte die Kolleg:innen durchaus überrascht. Denn Orang-Utans können nicht schwimmen und haben durchaus Respekt vor tiefem oder reißendem Wasser. Und der Pehpan-Fluss hat eine sehr schnelle, durchaus starke Strömung.
Doch Sayang trug ihre Tochter mutig durch das Wasser. Sie platzierte Padma sicher auf ihrem oberen Rücken, damit sie auch auf jeden Fall vor dem Wasser sicher war. Ruhig und geschickt machte sich Sayang mit ihrer wertvollen Fracht auf den Weg. Wir hielten den Atem an.
Doch alle Sorge war unnötig. Mutter und Tochter kamen wohlbehalten am anderen Ufer an.
Auch das Team querte den Fluss, um die Beobachtungen fortzusetzen.
Wenn wir Sayang beobachten, dann sehen wir ohne Frage, wie grenzenlos groß ihre Liebe zu ihrer Tochter Padma ist. Es steht vollkommen außer Frage: Sie würde sich selbst in Gefahr begeben, nur um ihr Kind vor jeder Bedrohung zu schützen! Hochachtung, Sayang, du bist eine wundervolle Orang-Utan-Supermutter!
Jede Spende hilft. Den Orang-Utans und dem Regenwald.