
Neue Studie: Orang-Utans im Zoo sind neugieriger
Eine neue Studie zeigt: Orang-Utans im Zoo erkunden ihre Umwelt intensiver und vielfältiger als ihre wilden Artgenossen.
Orang-Utans, die in Zoos leben, zeigen eine deutlich höhere Neugier im Umgang mit ihrer Umwelt als ihre Artgenossen in freier Wildbahn. Das ist das zentrale Ergebnis einer neuen Verhaltensstudie, in der über 12.000 Beobachtungen sogenannter „explorativer Objektmanipulation“ (EOM) analysiert wurden – ein Verhalten, das eng mit Lernen, Problemlösen und kognitiver Entwicklung verbunden ist.
Vielfältiger und komplexer Umgang mit Objekten im Zoo
Insgesamt wurden 51 Sumatra-Orang-Utans im Alter zwischen sechs Monaten und 76 Jahren untersucht – 33 Tiere im indonesischen Regenwald von Suaq Balimbing und 24 in vier Zoos in Deutschland und der Schweiz. Die Zoo-Orang-Utans manipulierten häufiger, vielfältiger und mit größerer Komplexität Gegenstände in ihrer Umgebung als ihre wilden Verwandten. Besonders auffällig: Sie nutzten öfter Werkzeuge und konnten sogar mehrere Objekte gleichzeitig erkunden.

„Unsere Studie zeigt, dass Orang-Utans im Zoo nicht nur mehr erkunden, sondern dies auch auf andere Weise tun“, erklärt Dr. Isabelle Laumer, wissenschaftliche Beraterin von BOS Deutschland und Erstautorin der Studie. „Besonders faszinierend ist, dass zoo-gehaltene Orang-Utans selbst bei der Erkundung gleicher Objekte ein breiteres Repertoire an Verhaltensweisen zeigten und häufiger Werkzeuge nutzten oder mehrere Objekte gleichzeitig manipulierten.“
Gleiche Entwicklungsschritte – aber längere Erkundungsphase im Zoo
Interessanterweise begannen Orang-Utans in beiden Umgebungen im gleichen Alter mit explorativem Verhalten. Dies weist auf eine angeborene Abfolge in der Entwicklung hin. Allerdings hörten wilde Orang-Utans oft kurz nach dem Abstillen mit intensiver Objekt-Erkundung auf. Vermutlich, weil Überlebensstrategien wie Nahrungssuche und Wachsamkeit mehr Raum einnahmen. In Zoos hingegen blieb die Neugier erhalten – auch im Erwachsenenalter.
Unterschiedliche Umwelt, unterschiedliches Verhalten
Während wilde Orang-Utans vor allem natürliche Objekte wie Stöcke, Rinde oder Pflanzen erkundeten, stand den Tieren in Zoos eine größere Auswahl an Beschäftigungsmaterialien zur Verfügung – darunter Plastikspielzeug, Puzzle-Elemente und stapelbare Gegenstände, die speziell zur Förderung von Manipulation und kognitiver Aktivität entwickelt wurden.

Diese Unterschiede zeigen eindrücklich, wie stark Umweltfaktoren das Verhalten beeinflussen. „Diese Ergebnisse unterstreichen, wie stark die Umwelt das Verhalten und die kognitive Entwicklung von Tieren beeinflusst“, sagt Dr. Caroline Schuppli, Seniorautorin der Studie. „Zugleich eröffnen sie einzigartige Chancen – durch den Vergleich von wilden und zoo-gehaltenen Tieren können wir das volle kognitive Potenzial einer Art besser verstehen.“ Kurz gesagt: Zoo-Tiere haben schlichtweg mehr Zeit und Energie, sich intensiv und neugierig mit ihrer Umwelt auseinanderzusetzen.
Erkenntnisse für Forschung und Tierhaltung
Das Forschungsteam betont, dass der Vergleich zwischen wilden und in Gefangenschaft lebenden Tieren wichtige Einblicke in das kognitive Potenzial von Orang-Utans ermöglicht. Gleichzeitig machen die Ergebnisse deutlich, wie stark Umweltbedingungen die Entwicklung und das Verhalten von Tieren – ähnlich wie beim Menschen – prägen können.