Die Auswilderung von Justin vor fast fünf Jahren war ein großer Erfolg, wie uns ein Zusammentreffen mit dem Orang-Utan-Männchen im Kehje-Sewen-Wald in Ost-Kalimantan beweisen konnte.
Als an einem späten Nachmittag unser PRM-Team aus dem Camp Nles Mamse von einem regulären Rundgang zurückkehrte, wurde ganz in der Nähe der 15-jährige Justin gesichtet. Sofort machte sich das Team auf, um zu schauen, wie es Justin inzwischen geht.
An diesem Nachmittag saß Justin noch lange auf einem Baum und beobachtete seine Umgebung, bevor unser Team das Knacken von Ästen hörte – das typische Geräusch, wenn ein Orang-Utan sich sein Nachtlager errichtet. Das Team merkte sich den genauen Standort, um am nächsten Morgen die Beobachtungen fortsetzen zu können. Dies sollte sich jedoch als schwieriger herausstellen, als erwartet! Denn Justin war offensichtlich nicht in der Stimmung, die Anwesenheit von Menschen in seiner Nähe zu dulden und zeigte dies auch deutlich.
Er grummelte lautstark und machte außerdem die für Orang-Utans typischen Kussgeräusche. Diese sogenannten „kiss-squeaks“ sind laute schmatzende Geräusche, die entstehen, wenn die Lippen zusammengekniffen werden. Auf diese Weise zeigen Orang-Utans eindeutig ihren Unmut. Zusammen mit dem lauten Grummeln, zeigte Justin hier gleich zwei Drohgebärden auf einmal. Damit machte er dem PRM-Team eindeutig klar, dass er nicht beobachtet werden will und sie sich zurückziehen sollen. Um seine Aussage noch deutlicher zu unterstreichen, warf er mit Ästen nach seinen Beobachtern und kletterte danach auf einen hohen Baum. Daraufhin kam das Team Justins Bitte nach und zog sich zurück.
Das war eindeutig eine gute Nachricht gewesen, da diese Signale ein Zeichen für Justins erfolgreichen Weg in die Unabhängigkeit sind und damit ein weiterer Beweis für die geglückte Auswilderung!
Trotz der kurzen Beobachtungszeit kann unser Team Aussagen über sein Essverhalten machen. Justin scheint sehr gerne Lianenmark zu mögen, da er viel Zeit und Mühe für die Suche aufgewendet hat. Dazu kamen Kalmus- und wilde Ingwer-Sprossen sowie junge Blätter.
Mit Ihrer Unterstützung tragen Sie zum Erfolg unserer Projekte bei und ermöglichen den Orang-Utans wieder ein Leben in Freiheit. Unterstützen Sie uns weiter. Jeder Beitrag hilft.
Bevor unsere Orang-Utans ausgewildert werden, müssen sie viele Fähigkeiten lernen, die ihnen das Überleben im Regenwald sichern. Dazu gehört auch die Konkurrenz zu ihren Artgenossen. Aber auch hier zeigen sich die verschiedenen Persönlichkeiten der Waldbewohner und manche sind wettbewerbsfähiger als andere.
Die soziale Hierarchie innerhalb der Gruppe und die begrenzte Verfügbarkeit von Nahrung führt zum natürlichen Wettbewerb zwischen den Orang-Utans. Auf der Vorauswilderungsinsel Badak Besar (Zentral-Kalimantan) trainieren daher unsere Schützlinge diese Fähigkeit z. B. bei der Nahrungssuche. Erst wenn sie im Wettbewerb mit den anderen bestehen können, sind sie für ein Leben in Freiheit gewappnet.
Unsere Mitarbeiter werden oft Zeuge von Konkurrenzkämpfen, wenn sie an den Fütterungsplattformen der Insel zusätzliches Futter bringen. Im Kampf um die besten Obststücke können aus befreundeten Orang-Utans bittere Konkurrenten werden. Der Preis für den Sieger sind die leckersten Fruchtstücke. Meist sind es die größeren Orang-Utans, die die Kämpfe für sich gewinnen. Die Verlierer müssen sich mit den Resten zufriedengeben oder selbst auf Nahrungssuche gehen.
Cinta und Valentino erkunden gerne gemeinsam die Gegend und eines morgens warteten sie zusammen in der Nähe einer Futterplattform. Unsere Mitarbeiter kamen mit dem Boot voller leckerer Früchte angefahren. Kaum angekommen, fischt Valentino ein paar Obststücke aus dem Boot und versucht damit so schnell wie möglich zu entkommen. Doch die größere Cinta war darauf vorbereitet und schnappte ihm das Obst schnell wieder weg. Sie kletterte auf den nächsten Baum bis hoch in die Baumkrone, um Valentinos Wiedereroberungsversuchen zu entkommen. Trotz allen Engagements musste sich Valentino doch wieder mit den Resten auf der Futterplattform begnügen.
Nicht alle Orang-Utans konkurrieren gerne und heftig um das Futter. Die Orang-Utan-Dame Dilla überlässt die Streitereien lieber den anderen und kommt erst an die Futterstelle, wenn sich alle anderen ihren Anteil geholt haben. Doch auch für Dilla wird irgendwann einmal der Moment kommen, an dem sie in die Konfrontation gehen und ihre Stärke zeigen muss.
Es gibt also viel zu lernen für unsere Waldschüler. Unterstützen Sie uns dabei und geben Sie diesen Orang-Utans die Chance auf ein Leben in Freiheit.
Dilla ist eine unserer Orang-Utan-Frauen, die einen besonders schweren Start ins Leben hatten. Von ihren ersten fünf Lebensjahren verbrachte sie vier in der Gefangenschaft von Menschen. Zu lange ohne artgerechte Haltung, um natürliche Verhaltensweisen zu erlernen. Diese Kindheit hat Spuren bei Dilla hinterlassen; innere und äußere. Dilla wird wohl für immer bei uns bleiben. Um ihr Leben so artgerecht und angenehm wie möglich zu gestalten, lebt die 16jährige Orang-Utan-Frau jetzt auf der Schutzinsel Badak Kecil.
BETREUTES WOHNEN AUF DER SCHUTZINSEL
Dilla kam vor gut einem Jahr gemeinsam mit den Orang-Utan-Frauen Mawas und Jeliva auf die Schutzinsel Badak Kecil, die zum Salat Island Cluster gehört. Die Insel ist so etwas wie ein Pflegeheim für aktuell zehn nicht auswilderbare Orang-Utans. Hier bekommen die Tiere extra große Futterportionen, und unsere Teams haben sie immer im Blick. Sie alle haben herausfordernde oder traumatische Erfahrungen gemacht, die eine vollständige Rehabilitation unmöglich machen. Manche dieser Erlebnisse wirken ein Leben lang nach.
DILLA NAHM IHR BABY NICHT AN
Wir erinnern uns: Im Jahr 2018 brachte Dilla ein kleines Orang-Utan-Mädchen auf die Welt — Delilah. Dilla selbst hatte nie die Erfahrung einer liebenden Mutter gemacht — würde sie ihre Tochter akzeptieren und ihr alles beibringen, was sie braucht, um eigenständig zu leben? Wenn ein Orang-Utan mit einem so schweren Trauma wie Dilla in unsere Obhut kommt, ist es immer eine Herausforderung, sie zu rehabilitieren. Nach mehreren missglückten Begegnungen war klar, dass Dilla keine Beziehung zu ihrem Kind aufbauen konnte. Die kleine Delilah kam daher in die liebevolle Obhut der Babysitterinnen und Dilla ging ihren eigenen Weg.
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Auch im Umgang mit anderen Orang-Utans tut sich Dilla oft sehr schwer. Sie ist eine Einzelgängerin und scheut die Begegnung mit den anderen. Bis Dius kam. Der Orang-Utan-Mann war vorübergehend auf die Schutzinsel Badak Kecil gezogen. Immer wieder suchte er die Nähe zu Dilla, und die beiden streunten durch den Wald. Oft kamen sie gemeinsam zu den Futterplätzen, und dort zeigte Dius Beschützerinstinkt: Dilla ist die kleinste und schwächste Orang-Utan-Frau auf Badak Kecil und zieht oft den Kürzeren, wenn es um die Verteilung von Futter geht. Dann kommt sie erst zur Plattform, wenn alle anderen schon gegessen haben, und begnügt sich mit dem Rest. Doch mit Dius an ihrer Seite, änderte sich das. Er stellte sich beschützend vor sie, damit sie in Ruhe fressen konnte und die anderen Weibchen sie nicht störten. An den Nachmittagen sah unser Beobachtungsteam die beiden häufig am Fluss, wo sie ihr Nachlager herrichteten. Dilla hat sich darauf spezialisiert, alte Nester anderer Orang-Utans zu reparieren und darin zu schlafen, während Dius neue Nester in der Nähe baute. Jeder nach seinen Fähigkeiten.
Dius ist jetzt bereit für die Auswilderung
EIN ABSCHIED FÜR IMMER?
Vor ein paar Wochen trennten sich dann die Wege der beiden wieder. Dius hatte erkennbar alle Fähigkeiten, die ein Orang-Utan für ein eigenständiges Leben in Freiheit braucht. Bis er ausgewildert wird, ist er jetzt wieder im Rehabilitationszentrum Nyaru Menteng untergebracht, wo er die letzten medizinischen Tests schon durchlaufen hat. Vermutlich werden sich die beiden nicht mehr wiedersehen, da Dilla als „nicht auswilderbar“ gilt. Aber natürlich ist nichts unmöglich: Wenn sie in der Lage ist, einige gute Überlebensfähigkeiten zu entwickeln, während sie auf der Schutzinsel lebt, wird sie vielleicht eines Tages doch noch ausgewildert. Und wer weiß, vielleicht trifft sie dann auch Dius wieder.
DILLA, DIE KLUGE
Seit Dius weg ist, hält sich Dilla nur noch selten lange an der Futterstelle auf. Sie sucht sich lieber sichere Plätze in der Nähe und sitzt in den Bäumen, die ein wenig über den Fluss hinausragen. Von dort hat sie einen guten Überblick. Immer, wenn kein anderer Orang-Utan an der Futterstelle ist, greift sie zu. Unsere Versorgungsteams werfen ihr immer wieder Früchte, Knollen und Gemüse direkt zu, damit Dilla auf jeden Fall genug bekommt. Mutig genug zu sein, um mit anderen Orang-Utans um Nahrung zu streiten, ist eine gute Überlebensfähigkeit auf der Insel — aber es ist auch ein sehr kluger Schachzug, Strategien zu entwickeln, um Konfrontationen zu vermeiden. Sie ist sehr klug, unsere Dilla.
Dilla ist auf einem Auge blind
Kämpfen Sie mit uns für Dilla und all die anderen Schützlinge in unserer Obhut, die zu traumatisiert sind, um noch selbstständig leben zu können? Ihre Unterstützung bewirkt einen Unterschied. Schenken Sie den Hoffnungslosen Hoffnung. Vielen Dank.
Besondere Zeiten erfordern besondere Maßnahmen. Die noch immer wütende weltweite Pandemie macht auch vor dem Regenwald auf Borneo nicht Halt und sorgt für große Herausforderungen und den unermüdlichen Einsatz aller Teammitglieder vor Ort. Doch auch ohne Pandemie haben unsere Veterinäre immer viel zu tun.
In unserem Rehabilitationszentrum Samboja Lestari (Ost-Kalimantan) arbeitet ein Team aus vier Veterinärinnen und Veterinären und drei weiteren Fachkräften im täglichen Einsatz für Orang-Utans und Malaienbären. Und sie haben alle Hände voll zu tun! Schließlich befinden sich ca. 120 Orang-Utans und 70 Bären unter ihrem Schutz. Und die Versorgung der Tiere muss auch unter Pandemiebedingungen gewährleistet sein. Die Schutzmaßnahmen machten ein Schichtsystem erforderlich, das den Alltag der Teams gehörig auf den Kopf stellte. Der Zeitplan wurde so angepasst, dass die Teammitglieder im Zweitages-Rhythmus arbeiten und frei haben. So kann der tierärztliche Betrieb des Rehabilitationszentrums auch unter diesen besonderen Bedingungen sicher aufrechterhalten werden.
Auch Schreibtischarbeit gehört zur Routine der Tierärzte
Bevor unsere Veterinäre zu den Tieren gehen, ziehen sie sich ihre persönliche Schutzausrüstung (PSA) an. Ein Tierarzt ist zuständig für die Waldschüler, die Malaienbären und die Behandlungsbereiche, der bzw. die andere kümmert sich um die Gehege und Sozialisierungsanlagen.
Dabei werden verschiedene Untersuchungen gemacht, um Krankheiten, Verletzungen oder andere Beschwerden bei den Tieren früh zu erkennen. Außerdem werden regelmäßige Behandlungen durchgeführt, wie z. B. Inhalationen bei Orang-Utans, die unter dem Orang-Utan-Respiratory-Desease-Syndrome (ORDS) leiden. Diese schwere Erkrankung der Atemwege, unter der Orang-Utans leiden können, kann unbehandelt tödlich ausgehen.
Inhalationen müssen bei einigen Tieren regelmäßig durchgeführt werden
Auch die Untersuchung von Kotproben gehört zur täglichen Arbeit des Veterinärteams. Der Kot der Tiere ist sehr aufschlussreich und gibt einen Einblick in den aktuellen Gesundheitszustand der Orang-Utans und der Malaienbären. So können eine Reihe von Krankheiten erkannt werden, wie z. B. Wurminfektionen oder der Befall durch Hakenwürmer oder Spulwürmer (Strongyloides), die verschiedenen Infektionen bei Orang-Utans auslösen können.
Viele Untersuchungen im Labor führen die Veterinäre direkt selbst durch
Neben der täglichen Routine müssen manchmal auch chirurgische Eingriffe an unseren Schützlingen vorgenommen werden. Zum Beispiel, wenn gerettete Tiere schwere Verletzungen haben. Oder auch, um körperliche Leiden zu lindern, die auf andere Weise nicht behandelt werden können. So bekam z. B. Jeffrey eine erfolgreiche Hüftdysplasie – eine wirkliche außergewöhnliche OP an Orang-Utans.
Im Einsatz am OP-Tisch
Großeinsatz für das Veterinärteam heißt es immer, wenn eine Auswilderung ansteht. Denn bevor wir die Orang-Utans in die Freiheit entlassen, müssen wir sicherstellen, dass die Tiere vollkommen gesund und fit sind. Die abschließenden Gesundheitskontrollen und Krankheitstest sind sozusagen das Ticket in den Regenwald.
Es gibt also immer viel zu tun! Das Veterinärteam von Samboja Lestari arbeitet unermüdlich. Für eine bessere Zukunft der Wildtiere und Menschen auf Borneo.
Eine alte Bekannte wurde in Kehje Sewen mit einem neuen Baby gesichtet
Was für eine schöne und hoffnungsvolle Nachricht in diesen düsteren Zeiten! Unsere Mitarbeiter haben im Kehje Sewen-Wald eines unserer rehabilitierten Orang-Utan-Weibchen mit einem kleinen Baby entdeckt! Ob Junge oder Mädchen wissen wir noch nicht. Aber Hauptsache gesund.
Ajeng ist die neue Mutter. Das 16 Jahre alte Orang-Utan-Weibchen wurde im September 2015 in Kehje Sewen (Ost-Kalimantan) ausgewildert. Gerettet hatten wir sie als einjähriges Baby 2007 aus illegaler Haustierhaltung. In der Waldschule in Samboja Lestari war Ajeng eine schlaue und strebsame Waldschülerin, die als Neunjährige bereits alle Fähigkeiten zeigte, die ein wilder, unabhängiger Orang-Utan beherrschen sollte.
Ajeng zum Zeitpunkt ihrer Auswilderung im September 2015
So rar sogar, dass unser Beobachtungsteam sie erst gar nicht erkannt hatte, als es sie bei einer routinemäßigen Patrouille mit dem noch sehr kleinen Baby zufällig entdeckte. Zunächst dachten sie, es handele sich um Signe, von der wir wussten, dass sie mit ihrem zweiten Baby durch dieses Gebiet von Kehje Sewen streift. Doch irgendwie passten die körperlichen Merkmale nicht auf Signe. Und auch ein Telemetriesignal war nicht zu empfangen, da die Senderbatterien selten länger als zwei Jahre halten.
Dies ist das sechste wildgeborene Baby in Kehje Sewen
Doch egal, um welchen Orang-Utan es sich auch handeln mochte: Unsere Mitarbeiter machten sich an ihren Job, beobachteten Mutter und Kind, sammelten Daten und machten Fotos. Zurück im Camp schauten sie sich die Fotos genauer an. Hervorstehende Backenknochen, spärliches Haar und ein großer Bauch – Signe war das auf keinen Fall! Doch wer war es dann? Zunächst wurde der Lagertierarzt hinzugerufen, der sich schon Sorgen machte, dass Signe möglicherweise medizinisch behandelt werden müsse aufgrund ihres veränderten Äußeren. Doch ein langjähriger Mitarbeiter im Camp fand des Rätsels Lösung. Er identifizierte Ajeng eindeutig. Und so wurde aus Sorge große Freude ob des neuen Nachwuchses in unserem Auswilderungswald. Immerhin ist es bereits der sechste wildgeborene Nachwuchs von einem unserer rehabilitierten Orang-Utan-Weibchen in Kehje Sewen!
Willkommen Baby!
Zwar wissen wir noch nicht, ob Ajeng ein kleines Orang-Utan-Mädchen oder einen kleinen Orang-Utan-Jungen so fürsorglich bemuttert. Und leider ist es unseren Beobachtungsteams bisher auch nicht geglückt, die beiden ein weiteres Mal im Regenwald aufzuspüren. Aber Hauptsache, Mutter und Kind geht es gut. Wir wünschen Ajeng und ihrem Baby alles Gute und hoffen, die beiden bald gesund und munter wieder zu treffen.
Wenn die Orang-Utans zu uns kommen, haben sie meist eine traurige Geschichte hinter sich. Viele von ihnen sind traumatisiert, einige verletzt, oft sind sie Waisen. So bitter die Anlässe sind, so froh sind wir doch, dass wir diesen wunderbaren Tieren die Chance auf ein neues Leben ermöglichen können. Denn mit ihrer Rettung beginnt unsere Arbeit. Die meisten Orang-Utans bleiben für viele Jahre bei uns, in denen sie einen umfangreichen Rehabilitationsprozess durchlaufen. Auch letztes Jahr haben wir wieder viele Orang-Utans in unseren Rettungszentren Nyaru Menteng und Samboja Lestari aufgenommen. Einige von Ihnen haben wir jetzt besucht….
Galaksi: der Obstliebhaber
Galaksi
Galaksi ist das indonesische Wort für Galaxis – seinen Namen hat unser kleiner Herzensbrecher von seinen Babysitterinnen bekommen. Als er im August des letzten Jahres zu uns kam, war Galaksi ungefähr sieben Monate alt und wog grade mal 2,4 Kilogramm. Dorfbewohner hatten ihn allein im Wald gefunden und die Behörden informiert. Das Rettungsteam des BKSDA machte sich sofort auf den Weg. Direkt nach seiner Ankunft im Babyhaus in Samboja Lestari untersuchte unser Veterinärteam den Orang-Utan-Jungen und gab ihm immer wieder Milch zu Trinken. Nach der Untersuchung konnten alle erst mal aufatmen: Er war zwar sehr dünn, hatte aber keine Verletzungen.
Seither hat Galaksi ordentlich an Gewicht zugelegt: 8,9 Kilogramm bringt er nach acht Monaten guter Pflege auf die Waage! Er lässt keine Gelegenheit aus, Milch zu trinken und genießt jeden einzelnen Tropfen. Dazu gibt es jede Menge Obst. Ganz besonders liebt er Drachenfrüchte und Bananen. Klar. Auch sonst entwickelt sich der Orang-Utan-Junge genau so, wie es sein soll. Er spielt viel, am liebsten im Wald, klettert allein auf Bäume und erkundet seine Umgebung. Wenn er einen Fremden sieht, kommt er sofort vom Baum herunter und läuft zu seiner Babysitterin, um sie zu umarmen. Die Nähe zur Babysitterin als Ersatzmutter ist wichtig für die Entwicklung der Tiere.
Ramangai: der unabhängige Geist
Ramangai
Vor über einem Jahr kamen Ramangai, Onyer und Aiko in unser Rettungszentrum. Ramangai war im Wald von einem Baum direkt vor die Füße eines Dorfbewohners gefallen – so zumindest die Geschichte des Mannes, der ihn fand. Er hat den Orang-Utan-Jungen dann mehrere Tage mit Kaffee, gesüßter Kondensmilch und Bananen gefüttert. Keine gute Idee. Als das Rettungsteam eintraf, war Ramangai dehydriert und geschwächt. Schon auf dem Weg ins Rettungszentrum bekam er seine erste Infusion. Bei seiner Ankunft im Zentrum hatte er trockene Narben am linken Arm und am rechten Unterschenkel, und die Haut an seinen Fingern schälte sich. Ramangai war so stark dehydriert, dass er Fieber bekam, stumpfes Haar hatte und zu schwach war, um sich zu bewegen. Er brauchte einige Tage, bis sein Gesundheitszustand einigermaßen stabil war. Zu diesem Zeitpunkt war er etwas über sechs Monate alt und wog 2,6 kg.
Wenn wir ihn heute sehen, scheint das lange her zu sein. Ramangai ist sehr selbstbewusst und erkundet seine Umgebung auf eine Faust. Dann klettert er auf Bäume – wenn sie nicht allzu hoch sind – oder spielt mit erkennbarer Freude in den vielen Pfützen, die während der Regenzeit auf dem Gelände der Waldschule verteilt sind. Er ist gesund und entwickelt sich genauso, wie es für einen Orang-Utans seines Alters sein soll.
Onyer: der Umarmer
Onyer
Onyer wurde uns im Februar des letzten Jahres von einem Dorfbewohner im Bezirk Mihing Raya in Zentral-Kalimantan übergeben. Da war der Orang-Utan-Waise ungefähr acht Monate alt und wog 2,3 Kilogramm. Der „Finder“ behauptete, er habe Onyer am 19. Januar allein und ohne Mutter auf dem Gelände einer Goldmine gefunden. Dann habe er ihn mit nach Hause genommen und einen Weg gesucht, die zuständigen Behörden zu informieren. Das dauerte offenbar einen ganzen Monat. Am 25. Februar, wurde Onyer an das Team der BKSDA übergeben. Leider ähneln sich diese Geschichten immer wieder. Oft glauben die Finder, sie könnten gut für die kleinen Menschenaffen sorgen. Doch aus gutem Grund ist es illegal, Orang-Utans als Haustiere zu halten.
In der Zeit bei uns hat sich Onyer prächtig entwickelt. Er ist selbstbewusst, verspielt und ein echter Raufbold geworden. In manchen Situationen neigt er zu aggressivem Verhalten. Vermutlich, weil er sich bedroht fühlt. Dann greift er sogar die Tierärzte an. Unbekannten Menschen gegenüber ist er allgemein eher misstrauisch. Dann geht Onyer gern auf „Nummer sicher“ und läuft zu einer der Babysitterinnen oder einem vertrauten Spielgefährten und klammert sich an sie. Das beruhigt. Eine seiner liebsten Spielgefährtinnen ist Aiko; mit ihr lernt er auf Bäume zu klettern. Und: Onyer ist ein perfektes Fotomodell! Sobald er eine Kamera erblickt, schaut er direkt in die Linse — wir haben viele Bilder, auf denen er sein eigenes Spiegelbild bewundert!
Aiko: die Kletterin
Aiko
Wenn es so etwas unter Orang-Utans gibt, dann ist Aiko wohl die beste Freundin von Onyer. Mit ihm tobt sie am liebsten durch die Bäume und erlebt immer wieder neue Abenteuer. Beim Klettern ist sie schon viel geschickter als die Gleichaltrigen ihrer Gruppe. Sie ist sehr unabhängig und sehr gut darin, Kontakte zu knüpfen.
Aiko wurde am 23. März 2021 von einem Bewohner des Dorfes Muroi in der Region Kapuas, Zentralkalimantan, gefunden. Bei der Übergabe erzählte er, er habe das kleine Orang-Utan-Mädchen in seinem Garten gefunden, nachdem sie von einem Hund gejagt worden war. Aiko war mit knapp unter drei Kilogramm sehr dünn und wurde von unseren Tierärzten auf ein Alter von etwa acht bis neun Monaten geschätzt.
Im Laufe der Zeit lebte sich Aiko gut ein. Von Anfang an hatte sie einen guten Appetit. Und von ihrer Lieblingsspeise – Milch – kann sie gar nicht genug bekommen! Wenn sie das Gefühl hat, nicht genug zu haben, dann winselt sie sehr eindringlich bei ihrer Babysitterin um mehr. Aiko wird ihren Weg machen, davon sind wir überzeugt. Ihren Namen hat sie übrigens von einer/m unserer Unterstützer:innen bekommen: Vor genau einem Jahr haben wir weltweit dazu aufgerufen, dem kleinen namenlosen Orang-Utan-Mädchen einen Namen zu geben. Unter 1.400 Einsendungen wurde dann am Ende Aiko ausgewählt. Eine gute Wahl, wie wir finden.
Feruza: die Überfliegerin
Feruza
Als man Feruza fand, saß sie neben ihrer toten Mutter, die sich in einer Wildschweinfalle verfangen hatte und vermutlich sehr qualvoll verendet ist. So erzählte es der Dorfbewohner, der sie in der Gegend des Dorfes Pondok Labu im Bezirk Tabang, Ost-Kalimantan fand. Er nahm die kleine Waise mit nach Hause und kümmerte sich fast zwei Monate um sie. Mit Dosenmilch und Obst versuchte er sie aufzupäppeln. Dann sah er endlich ein, dass das nicht der richtige Weg war. Im November 2021 verständigte er das Wildtierrettungsteam der BKSDA, das das verängstigte Tier sofort abholten. Da war Feruza ungefähr ein Jahr alt und wog etwas mehr als vier Kilogramm. Ihr ganzes Verhalten schien darauf hinzudeuten, dass sie durch das Erlebte traumatisiert war. Wenn sie Angst hatte, drückte sie sich ganz fest an ihre Babysitterin. Auch wollte sie nicht allein schlafen: Immer, wenn sie zum Schlafen in ihr Körbchen gelegt wurde, fing sie laut an zu weinen.
Doch langsam und stetig entwickelt sich Feruza zu einem aktiven und eigenständigen Individuum. Sie ist sehr klug, klettert gern auf Bäume und nascht dort am liebsten Blattsprossen und Waldfrüchte. So hat sie auch schon etwas an Gewicht gewonnen und wiegt jetzt 4,8 Kilogramm. Ihr Verhalten ist das ihrer Altersgenossen etwas voraus. Weiter so, kleine Feruza!
Gami: Der Ruhige
Gami
Gami war ungefähr zwanzig Jahre alt, als er im November des letzten Jahres ins Rettungszentrum Samboja Lestari kam. Zuvor wurde er mehrfach auf dem Gelände einer Firma in der Nähe von Samarinda gesehen. Immer wieder kreuzte er auf dem Firmengelände auf und hatte wohl seit längerer Zeit auch kein Schlafnest mehr gebaut. Glücklicherweise konnte ihn das BKSDA-Rettungsteam einfangen, um ihm im Rettungszentrum erst einmal zu untersuchen. Um auszuschließen, dass er ansteckende Krankheiten überträgt, zog er zuerst in den Quarantäne-Komplex. Gami war sichtlich untergewichtig und wog nur 58 kg – deutlich zu wenig für einen Orang-Utan seines Alters!
Einige Ergebnisse seiner allgemeinen Untersuchung stehen noch aus. Doch er frisst gut und ist auch schon wieder zu Kräften gekommen. Gami ist sehr ruhig, zeigt kein aggressives Verhalten und zieht sich in die Ecke seines Käfigs zurück, sobald sich ihm unbekannte Menschen nähern. Er ist ein stiller Beobachter.
Uli: der Älteste
Uli
Mitte letzten Jahres tauchte plötzlich ein imposanter männlicher Orang-Utan in dem kleinen Dorf Loesan in Ost-Kalimantan auf. Er verhielt sich friedlich und nahm gern das Obst an, welches ihm von den Dorfbewohnern gereicht wurde. Schnell fanden die Bilder seines Besuches in dem Dorf den Weg in die sozialen Medien, wo das Video viral ging. Das rief dann auch die Behörden auf den Plan: Ein Rettungsteam aus Balikapapan machte sich gemeinsam mit unserem Tierarzt Muhtadin Wahyu auf den Weg, um die Rettungskation durchzuführen.
Am 11. Juni 2021 kam das Männchen im Rehabilitationszentrum von Samboja Lestari an, wo er erst einmal in Quarantäne musste. Das ist Standard für alle Neuankömmlinge. Seine medizinische Untersuchung ergab, dass er 79 Kilogramm wog und abgesehen von einem verkrümmten Zeigefinger gesund war. Die Ärzte schätzten ihn auf ein Alter von 24–25 Jahren. Dann entdeckte das Team zwei Mikrochips im Körper des Männchens – ein sicheres Indiz, dass er schon mal in einer Rettungsstation war! Und tatsächlich — im Archiv von Samboja Lestari wurde das Team vor Ort fündig: Die aus dem Chip ausgelesenen Daten belegten eindeutig, dass es sich bei dem Männchen um Uli handelte. Er war am 6. Februar 1998 aus Palangka Raya in Zentralkalimantan gerettet und nach Wanariset — unserem alten Orang-Utan-Rehabilitationszentrum — in Ostkalimantan gebracht wurde. Knapp eineinhalb Jahre später im September 1999 wurde er in einem sehr jungen Alter im Meratus Mountain Protection Forest ausgewildert.
Nun war er wieder in unserer Obhut. Uli ist ein sehr freundliches Männchen. Er frisst das ihm angebotene Futter, spielt mit den Blättern, die wir ihm in den Käfig legen. Oder er beobachtet die Pfleger und Techniker bei ihrer Arbeit. Uli bleibt noch eine Weile im Sozialisierungskomplex, bis er auf eine unserer Vorauswilderungen kommt. Dort soll er noch mal beweisen, dass er ohne menschliche Unterstützung im Regenwald leben kann, bevor wir ihn – weitab von menschlichen Siedlungen – wieder in der Wildnis Borneos auswildern können. Doch wir sind zuversichtlich: Schließlich hat er über zwanzig Jahre unabhängig von uns Menschen überlebt.