Es war ein visionäres Projekt, das wir 2019 gemeinsam mit dem Rhino and Forest Fund e. V. gestartet haben. Eines mit erheblicher Bedeutung für den Artenschutz auf Borneo, für das wir jedoch einen langen Atem brauchen würden. Umso mehr freuen wir uns, dass schon jetzt die ersten Erfolge zu sehen sind!
Im Jahr 2019 haben wir uns mit dem Rhino and Forest Fund (RFF) zusammengetan und gemeinsam die einmalige Chance ergriffen, eine stillgelegte Ölpalmenplantage in Regenwald zurückzuverwandeln und dadurch eine Wildtieroase zu schaffen. Genauer gesagt: einen Wildtierkorridor, der zunächst zwei Naturschutzgebiete miteinander verbindet und dann weiterwächst, bis er ins Herz von Borneo führt. Und wir nehmen die gute Nachricht gleich vorweg: Schon jetzt sind die ersten Erfolge zu sehen! Nicht einmal fünf Jahre nach Projektbeginn ist die Renaturierung in Tabin weit fortgeschritten und wir konnten bereits neue Gebiete in Silabukan Ost und Bukit Piton erschließen! Was wir im Einzelnen erreicht haben, erzählen wir Ihnen hier.
Karte mit allen Projekten von RFF
Aufforstung und Biodiversität auf der Palmölplantage
Unser Partner vor Ort, der RFF, (Link) hat im Jahr 2020 damit begonnen, 50 Hektar erworbene Ölpalmenplantagenfläche im Gebiet Tabin zu renaturieren. Bisher wurden 8.250 Baumsetzlinge von 47 verschiedenen Arten gepflanzt. Dabei nutzt man die Baumkronen der noch auf dem Areal wachsenden Ölpalmen als Schutz für die zarten Pflänzchen. Dazwischen haben sich zehntausende wilde Bäumchen ausgesät, welche wir teilweise in die Pflege mit einbeziehen.
Die Setzlinge für die Aufforstung werden in lokalen Baumschulen vorbereitet
Nicht alle Setzlinge überleben die erste Zeit außerhalb der Baumschule. Wir freuen uns, dass die Mortalität zwischen den einzelnen Pflegerunden im Jahr 2023 auf 32 Prozent zurückgegangen ist. Um die Aufforstung weiter voranzubringen, ersetzen wir punktuell Pflanzen, die sich an ihrem Standort nicht etablieren konnten, durch andere Arten. So erhöhen wir die Überlebensquote der Bäumchen und zugleich die Artenvielfalt auf der Fläche.
Zu Beginn des Projektes haben wir es uns zum Ziel gesetzt, den Bestand der Ölpalmen auf dem Areal zunächst als Schutz für die Setzlinge zu nutzen und sie nach fünf Jahren zu fällen. Und tatsächlich sind unsere Setzlinge sowie auch die wilden Bäumchen an einigen Stellen bereits hoch genug gewachsen. So können unsere Teams im Jahr 2024 mit der Fällung der Ölpalmen beginnen.
Der neu angelegte See wird zur Wildtieroase
Im Jahr 2022 haben wir auf einer 3,5 Hektar großen Fläche innerhalb der von uns erworbenen Plantage einen künstlichen See mitsamt Weideflächen angelegt. Das Areal war ursprünglich komplett mit der invasiven Pflanzenart Mucuna bracteata bedeckt. Seitdem wurden auf der offenen Fläche außerdem rund 500 Bäume gepflanzt.
Eine Wildtier-Oase ensteht
Schon jetzt beobachtet unser Team vor Ort, dass der See und die neu entstandenen Weideflächen von den Wildtieren gut angenommen werden. Bereits während der Baggerarbeiten wurde der See von mehreren Fisch‑, Amphibien- und Reptilienarten besiedelt, darunter die gefährdete Amboina-Scharnierschildkröte, und die Wasserfläche wird von etlichen Vogelarten genutzt, darunter die gefährdeten Arten Höckerstorch, Sundamarabu und Orient-Schlangenhalsvogel.
Unsere Aufforstungsteams haben rund um den See auch Elefanten beobachtet, die ausgiebig auf der neuen Weidefläche gefressen haben.
Die wilden Tiere kehren zurück
Unser Partner RFF ist seit 2012 kontinuierlich in dem Aufforstungsgebiet am Ufer des Tabinflusses aktiv und hatte in dieser Zeit sporadisch Kamerafallen im Einsatz, sowohl entlang des Ufers als auch in der angrenzenden Plantage. Außerdem sind Mitarbeiter des RFF häufig im Gebiet unterwegs. Dadurch haben wir eine recht gute Vorstellung davon, welche Arten in diesem Gebiet vor Beginn des Projektes heimisch waren und welche sich im Zuge der Renaturierung neu angesiedelt haben. Auch wenn es sich hier um keine systematische Studie handelt, so greifen die Teams bei ihren begleitenden Beobachtungen der Wildkorridorerweiterung doch auf andere wissenschaftlich fundierte Erkenntnisse zurück .
SundamarabuNasenaffeElefanten
Mit zunehmender Breite des Wildtierkorridors wächst die Artenvielfalt
Mittlerweile ist es durch die Stilllegung der erworbenen Plantagenflächen und deren Renaturierung gelungen, den Uferstreifen von rund 20 Metern rechts und links des Tabin-Flusses auf rund 800 Meter zu verbreitern. Und der neue Lebensraum zieht neue Arten an! Während von 2012 bis 2020 nur wenige größere Säugetierarten in der Korridorfläche am Fluss beobachtet werden konnten – vor allem Bartschweine, Makaken, Sundakatzen und Elefanten – kam in den vergangenen drei Jahren eine Vielzahl von Arten neu hinzu. So konnte das Team des RFF Malaienbären, Marmorkatzen, Maronenlanguren, Nasenaffen, Nebelparder, Plumploris und Orang-Utans beobachten. Zudem wird der besonders seltene Höckerstorch seit 2022 regelmäßig auf der Aufforstungsfläche nachgewiesen.
Effizient gegen Wilderer und illegale Baumfällungen vorgehen
Ein schwer zu quantifizierender, aber deutlich sichtbarer Erfolg des Projekts ist es außerdem, die stetige Entwaldung sowie die Wilderei im Osten Silabukans reduziert zu haben.
Aufforstung in Ost-Silabukan
Noch zu Beginn des Projektes wurden weiterhin neue Ölpalmen an der Entwaldungsgrenze innerhalb des Schutzgebietes gepflanzt. In einem illegalen Ressort auf dem Gebiet wurde außerdem kommerzieller Jagdtourismus betrieben. Beides wurde von den RFF-Mitarbeitern vor Ort entdeckt und umgehend den Behörden gemeldet. Die Forstbehörden reagierten prompt: Sie zerstörten alle neuen Ölpalmen und legten das illegale Jagdressort still.
Die Botschaft ist angekommen: Erneute Investitionen in illegale Aktivitäten sind sinnlos! Seit 2022 wurden keine illegalen Holzfällungen im Südosten Silabukans mehr verzeichnet und die Wilderei ist zumindest deutlich rückläufig.
Herausforderungen und Lösungen
Während unser Projekt in einigen Gebieten erfreuliche Fortschritte gemacht hat, haben wir in anderen mit Herausforderungen zu kämpfen. So befinden sich im Südwesten von Silabukan eine Vielzahl illegaler Plantagenflächen. Hier plant der RFF, in Kooperation mit den lokalen Forstbehörden, zunächst rund 26 Hektar entwaldeter Fläche wieder aufzuforsten. Die Aufforstungsfläche soll dann schrittweise ausgeweitet werden, bis alle illegal gerodeten Gebiete renaturiert sind.
Leider stecken diese Arbeiten noch immer in der Vorbereitungsphase, da die von uns beauftragte Firma aufgrund von Personalproblemen den Auftrag zurückgeben musste. Wir sind nun dabei, die Arbeiten gemeinsam mit dem Team des RFF zu organisieren und dabei auch Menschen aus den umliegenden Communities einzubeziehen.
Wir sind zuversichtlich, durch einen Endspurt zum Jahresende 2023 die zeitliche Verzögerung im Projekt zumindest teilweise wieder aufholen zu können. Im Gebiet Bukit Piton laufen die Arbeiten jetzt auf Hochtouren und wir freuen uns darauf, Ihnen schon bald von der weiteren Entwicklung berichten zu dürfen.
Werden auch Sie zum Regenwald-Retter. Mit Ihrer Spende helfen Sie uns, weitere Flächen zu sichern und diese in Regenwald umzuwandeln. Für die Orang-Utans, die Artenvielfalt und das Klima. Jeder Beitrag hilft.
Unsere Babysitterinnen und Tierpfleger kennen dies nur allzu gut: Neugierige Orang-Utans, die ihre Nasen überall reinstecken müssen, auf der Suche nach Leckereien oder neuem, interessantem Spielzeug. Eine Gruppe von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern hat kürzlich in einer Feldstudie auf Sumatra die Neugier wildlebender Orang-Utans untersucht. Und ist dabei zu einigen spannenden Ergebnissen gekommen.
Neue Objekte und Situationen kommen in unberührten, natürlichen Lebensräumen in der Regel selten vor. Doch bieten sie, wenn sie sich ergeben sollten, ausgezeichnete Möglichkeiten, etwas Neues zu lernen. Denn genau in solch einem Umfeld werden Individuen oft innovativ, um aus der unbekannten, möglicherweise bedrohlichen Situation herauszukommen.
Innovationsforschung beim Menschen
Individuen, die aktiver mit neuen Stimuli umgehen und offen sind diese zu erkunden, nutzen auch aktiver neue Lernmöglichkeiten aus. Solche Menschen entwickeln schneller adaptive Fähigkeiten und Wissen als zögerliche Individuen.
Wie sieht es bei den Tieren aus?
Die Primatologin Dr. Caroline Schuppi hat sich mit einer Gruppe von Forscherinnen und Forschern auf die Suche nach Faktoren gemacht, die die Neugier bei Orang-Utans beeinflussen können. Die Studie „Ecological, social, and intrinsic factors affecting wild orangutans’ curiosity, assessed using a field experiment“ untersucht, wie Orang-Utans auf Neues reagieren, aber auch, wie offen sie sind, Neues zu erkunden. Im Gegensatz zu klassischen Studien zu Reaktionen auf Neuheiten, haben die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler hier auf ein Experimentdesign mit natürlichen Materialien gesetzt. Die Hypothese der Forschungsgruppe lautete, dass drei Faktoren das Orang-Utan-Verhalten beeinflussen: Das Alter der Tiere, die Anwesenheit einer Gruppe von Artgenossen, die sich auch für die neuen Objekte interessiert und die Verfügbarkeit von Nahrung. Je nach Ausgangslage zeigen die Orang-Utans Interesse oder komplettes Desinteresse für die neuen Stimuli.
Innovationen aus Notwendigkeit oder Gelegenheit?
In der Innovationsforschung gibt es eine fortlaufende Debatte darüber, ob Notwendigkeit oder Gelegenheit zu Erfindungen führt, d.h., ob Individuen eher dazu neigen innovativ zu sein, wenn sie ökologischen Druck verspüren (z. B. bei Nahrungsmittelknappheit oder in Zeiten erhöhten Energieaufwands) oder wenn sie geeignete ökologische Bedingungen und Reize vorfinden (z. B. die Ressourcen und Materialien, die für Innovationen benötigt werden) und über erhöhte Mengen an Energie und Zeit verfügen. In der Natur ist eine Sache klar: Neuartige Objekte und Situationen stellen potenzielle Gefahren für Wildtiere dar, beispielsweise in Form von Verletzungen, Vergiftungen oder der Bedrohung durch Feinde. Aus evolutionärer Sicht sind Umweltrisiken für langlebige Arten bedeutsamer, so dass bei Arten wie Orang-Utans ein höheres Maß an Desinteresse für neue Objekte zu vermuten wäre.
Was verraten die Studienergebnisse?
Die Studie fand nun heraus, dass wilde, junge Orang-Utans ein viel größeres Interesse an neuen Dingen zeigten. Außerdem erkunden sie länger visuell neuartige Reize als ihre erwachsenen Artgenossen. So ein Verhalten beobachten auch unsere Post-Release-Monitoring-Teams. Orang-Utan-Junge Bungaran, der 2016 als Baby mit seiner Mutter Signe in Kehje Sewen ausgewildert wurde, ist ein gutes Beispiel dafür. Neugierig klettert er von Ast zu Ast auf der Suche nach Nahrung und probiert Neues aus.
Orang-Utan Bungaran auf Entdeckungsreise
Insgesamt waren die Orang-Utans in der Studie jedoch zurückhaltend, wenn es darum ging, direkt mit dem Objekt des Experiments zu interagieren. Diese Kombination aus Interesse und Scheu schützt die Tieren vermutlich vor zu gefährlichen Objekten, die für sie z. B. giftig sein könnten, erlaubt ihnen aber gleichzeitig Neues zu erlernen. Neben dem Alter ermutigt auch die Gegenwart von Artgenossen die Orang-Utans mit neuen, unbekannten Objekten zu interagieren. So erforschen wilde Orang-Utans am ehesten neue Gegenstände (Stimuli) oder nutzen Lernmöglichkeiten, wenn sich in ihrer Nähe weitere Waldmenschen befinden, die ebenfalls eine positive Reaktion auf die Reize zeigen. Hinsichtlich der Umwelteinflüsse haben die Forscherinnen und Forscher festgestellt, dass eine hohe Nahrungsverfügbarkeit (und somit wahrscheinlich ein hohes Energieniveau) mit einer gesteigerten visuellen Erkundung des Versuchsapparats korreliert. Allerdings gab es während des Experimentzeitraums keine Fälle von Nahrungsknappheit. Daher ist es schwer zu sagen, wie die Orang-Utans in solch einer Situation reagieren würden.
Je jünger und satter, umso neugieriger und lernfähiger
Die Anwesenheit von Artgenossen hat starken Einfluß auf die Neugier
Die Studie zeigt, dass wilde, junge Orang-Utans neugieriger sind und neue Reize länger erkunden als erwachsene Orang-Utans. Gleichzeitig sind sie aber vorsichtiger, was ihnen hilft, sicherer Neues über ihre Umwelt zu lernen. Überraschenderweise fördert die Anwesenheit von Artgenossen die Neugier und Erkundungslust bei den normalerweise solitär lebenden Orang-Utans. Ein hohes Energieniveau führt zu verstärktem Interesse an neuen Reizen, aber es scheint, dass Orang-Utans in Phasen geringer Energie tatsächlich näher an diese herangehen, was in einer weiteren Studie detailliert untersucht werden soll. Festgestellt wurde, dass Altersunterschiede einen stärkeren Einfluss auf die Neugier haben als die Anwesenheit von Artgenossen oder die Verfügbarkeit von Nahrung. Diese Erkenntnisse legen nahe, dass junge Orang-Utans am besten geeignet sind, Lernmöglichkeiten durch neue Reize auszunutzen, wobei die Unterstützung durch Artgenossen und günstige Umweltbedingungen ihre Neugier weiter fördern können.
Quellen:
Ecological, social, and intrinsic factors affecting wild orangutans’ curiosity, assessed using a field experiment | Scientific Reports (nature.com)
Greenberg, R. S. The role of neophobia and neophilia in the development of innovative behaviour of birds. In Animal innovation (eds Reader, S. & Laland, K. N.) 175–196 (Oxford University, 2003).
Der Dunkelrote Meranti ist ein Baumriese, der in den tropischen Regenwäldern auf Borneo, Sumatra und der Malayischen Halbinsel vorkommt. Er ist massiv vom Aussterben bedroht – doch im Kehje Sewen gibt es noch immer Exemplare!
Der Kehje Sewen ist nicht nur seit 2012 einer unserer Auswilderungswälder, er ist auch ein echter Biodiversitäts-Hotspot, der “unseren” Orang-Utans eine wunderbare Lebensgrundlage bietet. Bereits im Jahr 2010 wurde Kehje Sewen von der BOS-Waldschutzfirma RHOI als Konzession zur Wiederherstellung des Ökosystems eingerichtet und unsere Arbeit trägt Früchte — im wahrsten Sinne des Wortes! Das konnte unser Post-Release Monitoring (PRM) Team gerade erst wieder bestätigen.
Bei einer Patrouille durch den geschützten Wald entdeckte unser Expertenteam Exemplare des Dunkelroten Meranti (Shorea platyclados). Diese Baumart, welche zur Familie der Dipterocarpaceae gehört, ist etwas ganz Besonderes: Mit einer Größe von über 50 Metern erreicht ihre Krone das Dach des Regenwaldes und ihr Stamm bis zu zwei Meter Durchmesser. Ihr Holz ist begehrt bei Möbeltischlern wie auch als Konstruktionsholz, etwa für den Bau von Eisenbahnstrecken. Aufgrund der hohen Nachfrage werden diese Bäume immer wieder auch illegal gefällt .
Die Blüten der Dunkelroten Meranti (Shorea platyclados).
Dunkelrote Meranti wachsen nur in Primarregenwäldern, die noch unberührt sind von Menschenhand, denn sie benötigen den besonders fruchtbaren, rot-braunen Boden, welcher nur dort vorkommt. Rodungen großer Flächen von Regenwald, um statt dessen Plantagen anzulegen, sind ein weiterer Grund für den Habitatsverlust der Dunkelroten Meranti. Heute ist diese besondere Art vom Aussterben bedroht und steht auf der Roten Liste der IUCN .
Die Entdeckung der seltenen Exemplare gelang unserem in Camp Nles Mamse stationierten Team, während es für eine phänologische Feldstudie im Kehje Sewen unterwegs war. Auch das gehört, neben dem Monitoring der von uns ausgewilderten Orang-Utans, zu den wichtigen Aufgaben unseres PRM-Teams: Daten über die vielfältigen Pflanzen zu sammeln, welche im geschützten Wald vorkommen.
Wir sind stolz darauf, dass der Kehje Sewen auch bedrohten Pflanzenarten Lebensraum bietet, und werden alles daran setzen, auch die Dunkelrote Meranti vor dem Aussterben zu bewahren, damit auch künftige Generationen diesen majestätischen Baum in all seiner Pracht bewundern können.
Mit Ihrer Spende für Lebenswald .org können Sie uns dabei helfen, den Wald und seine wunderbare Vielfalt und damit auch den Lebensraum der Orang-Utans zu schützen!
Der Regenwald ist für Orang-Utans eine reichhaltige Speisekammer und obendrein eine natürliche Apotheke. Immer wieder beobachten unsere Post-Release Monitoring Teams die Tiere dabei, wie sie genüsslich die unterschiedlichsten Früchte, Sprossen, Wurzeln und Blätter futtern. Das macht auch sie neugierig: Wie schmeckt das alles eigentlich ?
Eines Tages, als unsere Mitarbeiter vom Camp Nles Mamse im Kehje Sewen Forest auf Patrouille waren und keinen einzigen Orang-Utan entdeckten, nutzten sie die Gelegenheit, ihre Neugierde mit einem experimentellen Selbstversuch zu stillen.
Süßliche Mahang-Blätter
Als erstes kosteten sie Blätter vom Macaranga-Baum, die süßlich schmeckten. Diese Baumspezies besitzt nämlich eine ganz besondere Eigenschaft: Sie ist in der Lage, sogenannten extrafloralen „Blattnektar“ zu produzieren, der Ameisen, Wespen und andere wehrhafte Insekten anlockt. Diese wiederum verteidigen ihre Futterquelle und schützen dadurch den Baum vor Fraßschädlingen. Zumindest meistens – gegen Orang-Utans und unsere Team-Mitglieder reicht die Selbstverteidigung des Baumes nicht aus… Und das ist auch gut so, denn Mahang-Blätter sind eine natürliche Medizin gegen Bauchschmerzen!
Als nächstes waren einige Früchte an der Reihe, die direkt hinter dem Camp wachsen. Die Zitrusfrüchte waren für die menschlichen Verkoster wenig überraschend – nämlich sauer. Neu für die Geschmacksknospen waren hingegen die Früchte des Melastoma-Baumes genannt Senduduk oder Senggani. Diese enthalten Stoffe, welche bei Entzündungen helfen und sogar vor Krebs schützen sollen, und ebenfalls von wild lebenden Orang-Utans gegessen werden, um Krankheiten vorzubeugen oder zu kurieren.
Senduduk-Früchte (melastoma)
Rattan – nicht nur für den Möbelbau
Rattan kennt man hierzulande vor allem als Naturmaterial, aus dem zum Beispiel Stühle hergestellt werden. Tatsächlich sind die Sprossen dieser Pflanze jedoch auch essbar. Allerdings schmecken sie roh ziemlich bitter. Schmackhafter werden die Sprossen, wenn man sie kocht, grillt oder brät. Auch diese Wildpflanzen haben medizinische Eigenschaften: Sie wirken antibakteriell und können wie eine Art Pflaster oder Verband verwendet werden, um Verletzungen vor Keimen zu schützen.
Mahang Leaves (macaranga)
Das Verkostungs-Fazit unserer Regenwald-Ranger
Zwar schmecken die Mahang-Blätter, die Zitrus- und Senduduk-Früchte und auch die Rattan-Sprossen frisch gepflückt eher gewöhnungsbedürftig. Sie zu kennen, ist jedoch eine ziemlich nützliche Qualifikation, wenn man auf einer Patrouille oder Expedition im Regenwald unterwegs ist und plötzlich zusätzlichen Proviant benötigt. Und wenn man diese Orang-Utan-Pflanzen dann auch noch zubereitet, haben sie sogar das Zeug zur Delikatesse auch für uns Menschen. Und sind obendrein auch noch gesund. Das Fazit der BOS-Mitarbeiter: Das Wissen der Waldmenschen fasziniert uns immer wieder aufs Neue! Wir können noch viel von unseren nahen Verwandten lernen. Bei nächster Gelegenheit werden unsere PRM-Teams weitere Früchte des Waldes verkosten und uns natürlich davon berichten.
Helfen auch Sie, diesen faszinierenden Lebensraum und seine gewaltige Artenvielfalt zu erhalten und zu schützen. Jeder Beitrag hilft.
Die Weltbevölkerung wächst und menschliche Siedlungen sowie landwirtschaftliche Nutzflächen breiten sich immer weiter aus. Bisher unberührte Natur, auf Borneo vor allem Regenwald, müssen weichen. Die Folge sind zunehmende Konflikte zwischen Menschen und Wildtieren, deren Lebensraum immer weiter schrumpft.
Mensch-Tier-Konflikte enden für Orang-Utans oft tödlich
Die Borneo Orangutan Survival Foundation hat sich daher mit BOS Deutschland und Fairventures Worldwide (FVW) zusammengetan, um Strategien zu testen, wie sich solche Konflikte minimieren lassen. Das Projekt war über drei Jahre angelegt, von Mai 2020 bis April 2023, und wurde vom Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft finanziert und von der Naturschutzbehörde (BKSDA) in Zentralkalimantan, Borneo, unterstützt.
Ein Mitarbeiter der BOS Foundation auf einem der Testfelder
Eine Schlüsselrolle im Projekt spielten zwei Testfelder für Agroforstwirtschaft, welche wir auf bereits entwaldeten Flächen anlegten. Wir gehen der Frage nach, wie sowohl Menschen als auch die Wildtierpopulation innerhalb eines Agroforstsystems profitieren können. Auf den Testfeldern wurde eine Kombination aus Nest- und Futterbäumen für Orang-Utans sowie wirtschaftlich ertragsbringenden Bäumen und Früchten gepflanzt. Bei großflächiger Wiederherstellung degradierter Gebiete auf Borneo könnte die Agroforstwirtschaft so langfristig einen Korridor für Wildtiere bilden, während die Ernteerträge Einkommen für Bäuerinnen und Bauern schaffen. Das Projekt wurde gemeinsam mit der Bevölkerung aus zwei Dörfern auf Borneo durchgeführt. Wir konnten dabei unsere Erfahrungen im aktiven Orang-Utan-Schutz sowie im Bereich des Gemeinde Empowerments in die Entwicklung der Strategien einfließen lassen.
Das Projekt ist ein wichtiger Schritt, um Verständnis füreinander zu schaffen.
Training für Mitarbeitende von Palmöl- und Holzplantagen
Während unser Projektpartner FVW sich um die Bepflanzung der Testfelder kümmerte – um zu testen, welche Baumarten unter den gegebenen Standortbedingungen gut gedeihen können – ging es beim Beitrag von BOS vor allem um die Frage, wie Konflikte zwischen Menschen und Orang-Utans auf Agroforstflächen zumindest minimiert werden können. Denn es ist davon auszugehen, dass die Koexistenz von Menschen und Wildtieren in Agroforstsystemen Konflikte, beispielsweise durch Konkurrenz um dieselben Ressourcen, begünstigen kann.
Daher wurden, im vielleicht wichtigsten Teil des Projektes, Gemeindemitglieder und Mitarbeitende von Holz- und Ölpalmplantagen für den gewaltfreien Umgang mit Wildtieren sensibilisiert. Die im Projekt erarbeitete Handreichung zur Mensch-Wildtier-Konfliktvermeidung in Kalimantan sieht vor, dass sich Menschen ruhig verhalten, wenn sie beobachten, dass sich Orang-Utans einem Feld nähern. Orang-Utans sind in der Regel nicht aggressiv und stellen keine Gefahr für Menschen dar, wenn man sie nicht bedroht. Keinesfalls dürfen gefährliche Werkzeuge oder gar Waffen verwendet werden. Vielmehr sollen Menschen die Tiere durch ihre Präsenz, jedoch mit einem Abstand von mindestens 20 Metern, dazu bewegen, die landwirtschaftlich genutzte Fläche zu verlassen.
Orang-Utans: friedliche, vom Aussterben bedrohte Waldbewohner
Best Practice: Wenn Artenschutz, Bildung und Umweltschutz Hand in Hand gehen
Nach Abschluss des dreijährigen Projektes lässt sich sagen: Grundsätzlich sind Agroforstsysteme bei der Wiederherstellung von degradierten Flächen auf Borneo dazu geeignet, sowohl neuen Lebensraum für Wildtiere zu schaffen als auch der einheimischen Bevölkerung ein langfristiges Einkommen bieten, während durch die Pflanzungen gleichzeitig CO2 gebunden und Erosion vorgebeugt wird. Jedoch sind weitere Feldversuche zur Auswahl standortgerechter Baumarten notwendig, damit der Ansatz wirtschaftlich rentabel wird. Vor allem aber ist das erfolgreich durchgeführte Projekt ein wichtiger Schritt nach vorne im Bemühen, Konflikte zwischen Wildtieren und Menschen zu reduzieren beziehungsweise diese, wo sie dennoch auftreten, so zu managen, dass die Verluste auf beiden Seiten minimiert werden.
Mit Ihrer Spende helfen Sie den Orang-Utans, dem Regenwald und damit auch unserem Klima. Jeder Beitrag hilft.