25. November 2022
Orang-Utan-Party im Regenwald

Wie Orang-Utans eine Party feiern

Wer Tiere beob­achtet und genau hinschaut, entdeckt immer wieder neue span­nende Verhal­tens­weisen. Wenn es sich dabei um in der Wildnis so zurück­ge­zogen und verborgen lebende Geschöpfe wie die Orang-Utans handelt, erfährt man dabei manchmal – auch für die Wissen­schaft – Über­ra­schendes. Wie zum Beispiel, dass Orang-Utans Partys veran­stalten. Als Zaun­gast waren unsere Beob­ach­tungs­teams (PRM-Teams) oftmals bei ihren Patrouillen bei solchen Partys dabei.

Was ist eine Orang-Utan-Party?

Eine Orang-Utan-Party ist das Zusam­men­treffen von zwei oder mehr Orang-Utans an einem Ort, wobei sie sich in einem Abstand von höchs­tens 20 Metern vonein­ander und in Sicht­weite befinden.

Orang-Utan-Familie im Regenwald
Orang-Utan-Mutter Cindy mit ihrer Familie

Andrea Knox, bei der BOS Foun­da­tion zuständig für die inter­na­tio­nale Kommu­ni­ka­tion und die Forschungs­be­ra­tung, erklärt: „Wenn wir sagen, dass Orang-Utans auf einer ‘Party’ sind, meinen wir nicht, dass sie tanzen oder zusammen um einen Koch­topf sitzen. Es bedeutet einfach, dass sie in einer Gruppe zusammen sind, in der die Hand­lungen eines Einzelnen von den anderen gesehen werden können und mögli­cher­weise deren Verhalten beeinflussen.“

Orang-Utans leben semi-solitär

Obwohl Orang-Utans semi-soli­täre Tiere sind, die die meiste Zeit ihres Lebens allein im Wald umher­streifen, treffen sie manchmal auf andere Orang-Utans und inter­agieren für eine begrenzte Zeit mit ihnen. „Orang-Utans sind das, was wir eine ‘einzel­gän­ge­ri­sche, aber soziale’ Spezies nennen. Mit Ausnahme der Jugend­jahre und der Zeit, in der die Mütter ihre Kinder aufziehen, verbringen sie die meiste Zeit ihres Lebens fast ausschließ­lich allein. Alle anderen Menschen­af­fen­arten, von den Gorillas bis zu den Menschen (ja, auch Menschen sind Menschen­affen!), leben jedoch in sozialen Gruppen. Es ist sehr wahr­schein­lich, dass unser gemein­samer Vorfahre mit den Orang-Utans, der vor zehn Millionen Jahren lebte, eine soziale Spezies war”, fügt Andrea hinzu.

Orang-Utan Mutter Sayang
Orang-Utan Mutter Sayang mit ihrem Kind Bong

Orang-Utans leben meist als Einzel­gänger, weil ihre Evolu­tion durch die sehr schwie­rigen Bedin­gungen im südost­asia­ti­schen Dschungel beein­flusst wurde. Als große Säuge­tiere benö­tigen sie viel Nahrung, und wenn sie in sozialen Gruppen im Dschungel lebten, gab es mögli­cher­weise nicht genug Nahrung für eine ganze Gruppe in einem Gebiet. Dieser Druck hat wahr­schein­lich dazu geführt, dass sich der Orang-Utan zu einer semi-solitär lebenden Spezies entwi­ckelt hat, wenn auch mit der Fähig­keit zur Sozia­li­sie­rung. Wenn es reich­lich Nahrung gibt und die Orang-Utans mitein­ander vertraut und gesellig sind, spricht nichts dagegen, dass sie sich zu einer “Party” zusammenfinden.

Die Frauen feiern Partys

Weib­chen sind häufig bei Partys anzu­treffen, während Männ­chen nicht dafür bekannt sind, dass sie gemeinsam “feiern”. Sobald ein junges Orang-Utan-Weib­chen die Geschlechts­reife erlangt und seine Mutter verlässt, wandert es in der Regel nicht allzu weit weg und richtet sich in der Nähe des Gebiets seiner Mutter ein. Die häufigste Form von Orang-Utan-Partys ist daher die unter verwandten Weib­chen. Männ­chen, die die Geschlechts­reife erreicht haben, entfernen sich viel weiter von ihren Müttern. Und nachdem ihnen Backen­wülste gewachsen sind, ist es unwahr­schein­li­cher, dass sie andere Männ­chen mit Backen­wülsten in einer Gruppe dulden. Wenn also zwei erwach­sene Männ­chen am selben Ort aufein­an­der­treffen, demons­trieren sie sich eher gegen­seitig ihre Domi­nanz, als dass sie gemeinsam Früchte essen.

Orang-Utan-Männchen  macht Longcall
Orang-Utan-Männ­chen Juvel macht Longcall

Ayu Siti Nurika Agus­tina, unsere Camp-Koor­di­na­torin im Auswil­de­rungs­wald Kehje-Sewen berichtet von ihren Erfah­rungen bei der Beob­ach­tung von Orang-Utan-Partys: „Bei einer Patrouille sah ich drei Mutter-Kind-Paare in einem großen Feigen­baum, aber sie waren auf unter­schied­li­cher Höhe. Da waren Lesan und Ayu auf einem nied­rigen Ast, Sayang und Padma in der Mitte und Teresa und Berani ganz oben.”

Orag-Utans in der Baumkrone
Orang-Utan-Damen Lesan und Teresa

Ayu beob­ach­tete, wie die drei Paare mitein­ander umgingen: Lesan und Teresa pflegten sich gegen­seitig das Fell, während Sayang sich um Baby Padma und Ayu (Lesans Nach­wuchs) kümmerte, während sie sich in den Bäumen bewegte. Bei einer anderen Gele­gen­heit beob­ach­tete unser PRM-Team jedoch, wie Teresa und Sayang vor dem Camp Lesik aus einem dem Team unbe­kannten Grund stritten. Dies zeigt viel­leicht, dass auch Orang-Utans in ihren sozialen Bezie­hungen Höhen und Tiefen erleben können – genau wie Menschen.

Es gibt auch Balz-Partys

Eko Prasetyo, unser Experte für Orang-Utan-Schutz, der früher als Camp-Koor­di­nator tätig war, kann eben­falls von seinen Beob­ach­tungen von Orang-Utan-Partys berichten. Er hat erlebt, wie männ­liche und weib­liche Orang-Utans über mehrere Tage hinweg gemeinsam durch den Wald streiften, auf den Bäumen saßen und Futter verspeisten. Diese Art von Verhalten zwischen zwei Orang-Utans des jeweils anderen Geschlechts, die als „Balz“ bezeichnet wird, endet in der Regel mit der Kopu­la­tion. Es wird auch als eine Art „Party“ bezeichnet.

Im Bukit Batikap-Schutz­wald konnte Andrea während ihrer Arbeit als Camp-Koor­di­na­torin des PRM-Teams folgendes fest­stellen: Da die reha­bi­li­tierten und ausge­wil­derten Orang-Utans in der Wald­schule in sozialen Gruppen aufge­zogen wurden, haben viele von ihnen starke soziale Bindungen entwi­ckelt. Sobald sie in der freien Wild­bahn leben, sind die ausge­wil­derten Orang-Utans zwar meist Einzel­gänger, aber sie versam­meln sich eher zu Partys als ihre wilden Artge­nossen. So trafen Andrea und ihr Team häufiger auf Orang-Utan-Gruppen und lernten schnell, wer mit wem befreundet war und wer sich nicht verstand.

Orang-Utans am Fluss
Orang-Utans Cindy, Riw und Cilik

Andrea und das PRM-Team trafen eines Tages Cindy, Riwut, Cilik und Olbert bei einer Party. Riwut, die Tochter von Cindy, war damals noch abhängig von ihrer Mutter und lebte noch mit ihr zusammen. Cilik – Cindys bereits erwach­sener und allein­le­bender Erst­ge­bo­rener –wurde immer noch bei gele­gent­li­chen Besu­chen bei seiner Familie gesehen. Und dann war da noch Olbert, ein nicht verwandtes, geschlechts­reifes Männ­chen, dem noch keine Backen­wülste gewachsen waren. „Obwohl sie alle mitein­ander auskamen, beob­ach­tete ich amüsiert, wie alle drei um Cindys Aufmerk­sam­keit buhlten“, erin­nert sich Andrea.

Orang-Utan-Männchen hängt am Baum
Orang-Utan Olbert

Riwut war in Spiel­laune und forderte Cindy auf, sich mit ihr auf dem Boden zu wälzen. Cilik wollte während seines Besuchs in der Nähe seiner Mutter sein und bat sie vergeb­lich um Futter. Olbert versuchte unter­dessen eindeutig, Cindys Aufmerk­sam­keit als würdiger Partner zu gewinnen. Zwar schenkte Cindy jedem ihrer Kinder etwas Zeit und Aufmerk­sam­keit, doch letzt­lich war es Olbert, der ihre Zunei­gung gewann – und so ist das Team davon über­zeugt, dass Cindys drittes Kind – Stellar – auf diese Weise gezeugt wurde!

Kinder­party im Wald

Kürz­lich traf eines unserer PRM-Teams in Kehje Sewen auf Berani, Sayang und Padma, die gemeinsam in einem Baum saßen. In einem herz­er­wär­menden Anblick von Freund­schaft schien das Trio die Zeit mitein­ander zu genießen. Sie baumelten zusammen im Geäst, spielten etwas, das man nur als freund­schaft­li­ches Tauziehen bezeichnen kann, und pflegten sich sogar gegen­seitig das Fell.

Orang-Utan Babys im Regenwald
Oranh-Utan-Kinder Padma und Berani

Es war schön zu sehen, welche Nähe zwischen den dreien bestand. Beson­ders deut­lich wurde dies, wenn Padma sich Berani näherte. Padma umarmte Berani sogar, während sie auf einem Ast saßen, und beide schienen in der Gesell­schaft des anderen sehr zufrieden und entspannt zu sein. Eine echte Kinderparty.

Retten Sie mit uns die letzten Orang-Utans Borneos. Mit Ihrer wert­vollen Unter­stüt­zung sichern Sie das Über­leben dieser einzig­ar­tigen Tiere.