Die beiden Malaienbären Bakar und Coki sind zwei von rund 70 Exemplaren dieser gefährdeten Bärenart, die in unserem Schutzzentrum Samboja Lestari ein Zuhause gefunden haben. Vor einem Jahr kamen sie als tapsige Babys in unsere Obhut.
Neben unseren Orang-Utans sind die Malaienbären ebenfalls dringend auf unsere Hilfe angewiesen. Auch sie verlieren durch die zunehmende Regenwaldzerstörung ihren Lebensraum und werden gewaltsam von Plantagen verjagt. Und genauso, wie im Falle unserer Orang-Utan-Schützlinge, bleiben oftmals verwaiste Bärenjunge zurück, die ohne unsere Hilfe verloren wären.
So klein und schon allein
So erging es auch diesen beiden im vergangenen Jahr geretteten Bärenkindern. Bakar war gerade einmal wenige Tage alt, als er am 18. März 2023 von der Naturschutzbehörde bei uns abgegeben wurde.
Man berichtete uns, dass er von einem Plantagenarbeiter in Rantau Pulung gefunden wurde. Mutterseelenallein hatte der Kleine auf einem gefällten Baumstamm gesessen und geweint. Einige Tage lang kümmerten sich Anwohner um das Bärenjunge, bevor sie schließlich die Naturschutzbehörde benachrichtigten. Coki hingegen war bereits geschätzte vier Monate alt, als das Junge am 10. Juli 2023 zu uns kam.
Coki wagte sich……mit seinen vier Monaten……schon deutlich höher hinauf
Die Kleinen gewöhnten sich schnell an ihre neue Umgebung und wurden gleich zu Beginn richtig dicke Freunde. Und das, obwohl sie so unterschiedliche Persönlichkeiten haben. Bakar, der ja noch jünger und auch früher in unser Schutzzentrum gekommen war, erwies sich gleich als viel zutraulicher. Coki hingegen zeigte sich unabhängiger und eigenständiger. Er liebte es auf Bäume zu klettern und war überhaupt von Anfang an sehr aktiv. Bakar wiederum war wie das kleine, schüchterne Geschwisterchen, das zögerlich versuchte, es seinem großen Bruder nachzumachen.
Coki und Bakar im September 2023
Routine gibt Sicherheit
Frühzeitig entwickelten wir eine Routine, bei der wir die beiden Bärenkinder täglich in den Wald brachten. Das ist wichtig, denn nur so können wir ihnen beibringen, natürliche Nahrungsquellen zu erschließen. Zum Beispiel zeigten wir Bakar und Coki, wie man Termiten aufspürt. Doch wenn das Wetter zu heiß wird, können auch wissenshungrige Bärenkinder sich nicht mehr richtig konzentrieren. Dann vergnügen sie sich lieber in den vielen kleinen Bachläufen und Flussarmen, die sich durch das Waldgebiet ziehen. Jetzt, wo Bakar und Coki ein Jahr alt sind, durften sie in ein größeres Gehege umziehen. Dieses neue Zuhause ist weitläufiger. Gleichzeitig ist es aber auch nicht zu groß, so dass die immer noch jungen Bären nicht überfordert werden.
Die beiden jungen Bären heute
Sie müssen auch immer noch lernen, sich vom Elektrozaun fernzuhalten. Momentan stellt der Zaun für Bakar und Coki und ihrer kindlichen Neugierde einfach noch eine zu große Verlockung dar.
Frühstück ist die wichtigste Mahlzeit des Tages
Aber nicht mehr lang, und die zwei Bärenfreunde können in ein noch größeres Zuhause mit richtig viel Wald ziehen. Bis dahin genießen sie aber noch die Geborgenheit ihres aktuellen Geheges. Und noch mehr genießen sie die Fütterungszeiten. Jeden Morgen warten sie sehr ungeduldig darauf, aus ihrem „Schlafzimmer“ gelassen zu werden. Sobald sich die Tür zum Außenbereich öffnet, sprinten die beiden Kinder zur Fütterungsplattform und lassen sich als erstes eine große Portion Hundefutter schmecken. Anschließend spüren sie den Honig auf, der überall auf dem Gelände verteilt wurde. Und zum Nachtisch gibt es dann noch frisches Obst und Früchte.
CokiBakar
Dieser Frühstücksroutine gehen die beiden Bären jeden Tag nach. Ganz selbstbestimmt und vor allem: ganz friedlich! Denn in all der Zeit, die Bakar und Coki nun schon bei uns sind, haben sie sich noch nie gestritten – weder ums Futter noch aus einem anderen Anlass. Die beiden sind einfach echte Bärenbrüder.
Als die Mitarbeiter eines Forstbetriebes in der Region Ost Kutai auf Borneo das Malaienbären-Mädchen fanden, war sie gerade erst einen Monat alt und ihre Augen waren noch geschlossen. Ein winziges, niedliches Bärenbaby, das jedoch schon Schreckliches erlebt hatte. Denn sie hatte ihre Mutter verloren. In den ersten drei Wochen nach ihrer Rettung wurde die Kleine durch die Naturschutzbehörde BKSDA gepflegt und aufgepäppelt, bis sie schließlich an unser Team in Samboja Lestari übergeben wurde.
Doch wohin mit dem Bärenbaby? In unserem Malaienbären-Refugium gibt es noch keine Einheit speziell für ganz kleine Bären. Bislang sind wir dort nur auf Bärenkinder ab zwei Jahren eingerichtet.
Noch gibt es kein Babyhaus für Malaienbären
Unser Team musste also improvisieren und hatte eine gute Idee: Baby Adele wurde in der Orang-Utan-Klinik untergebracht, wo sie besonders viel Zuwendung bekam. Tagsüber wurde sie von einer, nachts sogar von zwei Ersatz-Mamas begleitet und regelmäßig gefüttert. Zu Beginn nahm die traumatisierte Kleine bei jeder Fütterung nur wenige Schlucke Milch zu sich. Die meiste Zeit verbrachte sie mit Schlafen. Nachdem sich ihre Augen geöffnet hatten, stellten unsere Ärzte außerdem fest, dass sie nur eingeschränkt sehen konnte.
Stück für Stück fasste Adele Vertrauen. Ihre Wachzeiten wurden länger und sie begann, mit den angebotenen Beschäftigungsmaterialien zu spielen. Besonders mochte sie eine Pappschachtel und Handtücher. Nach einiger Zeit durfte Adele morgens und abends nach draußen gehen und im Gras unter den Bäumen spielen. Am liebsten spielte sie mit ihren Ersatz-Mamas Fangen und diese konnten dabei zusehen, wie die Kleine in der neuen Umgebung immer mutiger wurde.
Adele lernt ihr neues Zuhause kennen
Im Alter von zweieinhalb Monaten verließ Adele die Klinik und zog – erneut mangels einer Station für Babybären – in das Orang-Utan-Babyhaus um. Hier konnte sie mit der “Bärenschule” beginnen und es zeigte sich, dass Adele den Wald inzwischen (wieder) lieben gelernt hatte.
Ihr liebster Zeitvertreib: Unter den Bäumen nach Ameisen suchen, die sie genüsslich mit ihrer langen Zunge aufschleckte und verspeiste. Auf die Bäume wagt sie sich jedoch nur selten – dabei können Malaienbären eigentlich sehr gut klettern. Nur wenn ihre Babysitterin sie begleitet und am besten voraus klettert, traute sich auch Adele.
Malaienbären können gut klettern – aber Adele bleibt lieber noch auf dem Boden
Als sie sieben Monate alt geworden war, zog Adele abermals um: Diesmal in ein kleines Gehege innerhalb des Refugiums der Malaienbären, um dort mit der “Bärenschule” beginnen zu können.
Im Gehege lernte die kleine Bärin den zehn Monate alten Sulis kennen, mit dem sie sich rasch anfreundete. Die beiden konnten bald dabei beobachtet werden, wie sie zusammen spielten und sich bestens verstanden. Das Sicherheitstraining am Elektrozaun bestanden sie in Rekordzeit und konnten daraufhin ganz ohne Bewachung durch unser Team im Gehege toben und spielen. Inzwischen ist Adele elf Monate alt und liebt es, mit ihrem Freund Sulis in den Bäumen zu spielen. Ja, sie haben richtig gelesen: Auch ihre Scheu vor dem Klettern hat Adele nun abgelegt!
Im ersten Teil unseres Reports haben wir vom Target Training der Malaienbären und vom Sicherheitstraining am Elektrozaun berichtet. Heute nehmen wir Sie erneut mit in unsere Bärenschule, die sich im BOS-Rettungszentrum Samboja Lestari befindet. Dort kümmern wir uns bereits seit 1998 auch um gerettete Malaienbären, die ebenfalls akut vom Aussterben bedroht sind. Aber leider – im Gegensatz zu Orang-Utans – nicht wieder ausgewildert werden können.
Lektion 3 in unserer Bärenschule: der Transportkäfig
Freiwillig in den Käfig? Ja, genau! Durch ein spezielles Training gelingt es unseren Pflegern, die Malaienbären an den Transportkäfig als etwas Normales, keinesfalls Bedrohliches zu gewöhnen. Dadurch können wir die Tiere bei Bedarf sicher und stressfrei von einem Ort zum anderen transportieren – ganz ohne den Einsatz von Betäubungsmitteln.
Und wie gelingt es unserem Team nun, den Bären Tiefenentspannung im Umgang mit dem Käfig mit auf den Weg zu geben?
Zunächst stellen wir den Käfig für drei Tage direkt neben das Gehege, in dem der Malaienbär lebt, um ihn an den Anblick des unbekannten Objektes zu gewöhnen. Als nächstes wird der Käfig ins Gehege gesetzt und seine Tür geöffnet, damit der Bär ihn sich von allen Seiten anschauen und dabei frei hinein- und wieder hinausbewegen kann.
Ein neugieriger Schüler und sein Trainer in der Bärenschule
Wenn die Pfleger beobachten, dass der Malaienbär rund um den Transportkäfig ruhig und entspannt bleibt, ermutigen sie ihn, sich für eine etwas länger Zeit darin aufzuhalten. Zunächst allein, dann in Begleitung von vier Pflegern, die ganz behutsam den Käfig bewegen oder kurz die Tür auf und zu machen. Wenn auch das toleriert wird, kann die Tür des Transportkäfigs für immer längere Zeit geschlossen und schließlich der Käfig mit dem Bären darin vorsichtig angehoben und bewegt werden. Mission erfüllt!
Positive Verstärkung und Belohnungen helfen den Malaienbären beim Lernen
Wie Sie sich vorstellen können, ist es sehr zeitaufwändig, das Vertrauen der Bären zu gewinnen und sie an den Transportkäfig zu gewöhnen. Zehn Trainingssessions, verteilt über einen Monat, dauerte unsere bislang schnellste Eingewöhnung.
Bei allen Lektionen in der “Bärenschule” arbeiten wir grundsätzlich nur mit Mitteln der positiven Verstärkung sowie mit Belohnungen, niemals mit Gewalt oder Strafen. Und natürlich trainieren wir die Bären nicht, damit sie anschließend in irgendeiner Form der menschlichen Unterhaltung dienen, sondern es geht ausschließlich darum, ihnen ein sicheres und artgerechtes Leben in unserem Refugium zu ermöglichen.
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Auch wenn Malaienbären nicht mehr ausgewildert werden können, können sie in Gefangenschaft bis zu 30 Jahre alt werden! Wir haben es uns zur Aufgabe gemacht, ihr trauriges Schicksal, das sie durch Verfolgung, Verletzungen und manchmal den Verlust der Mutter bereits als Babys, abzumildern und ihnen ein bestmögliches Leben in unserem Rettungszentrum zu schenken. Aktuell kümmern wir uns in Samboja Lestari, Ost Kalimantan, um 72 Malaienbären.
Die BOS Foundation rettet und rehabilitiert nicht nur Orang-Utans: Bereits seit 1998 kümmern wir uns auch um Malaienbären, die die Naturschutzbehörden von Ost- und Zentral-Kalimantan in unsere Obhut übergibt. Die niedlichen Malaienbären (Helarctos malayanus) sind die kleinste Bärenspezies der Welt. Traurigerweise stehen auch sie auf der Roten Liste der vom Aussterben bedrohten Tiere.
Verlust des Lebensraums und illegaler Wildtierhandel bedrohen die Malaienbären
Denn Orang-Utans und Malaienbären teilen dasselbe Schicksal: Ihr Lebensraum schrumpft kontinuierlich durch die Abholzung des Regenwaldes. Zudem werden die kleinen Bären für den illegalen Wildtierhandel gejagt (es gibt eine große Nachfrage nach Babybären als Haustiere sowie auch nach Körperteilen der Tiere) und sie werden immer wieder als “Schädlinge” von Feldern und Plantagen verjagt und dabei verletzt oder getötet.
Die Internationale Naturschutzorganisation IUCN hat die Alarmstufe Rot erkannt und einen Aktionsplan für die Jahre 2019–2028 entwickelt, durch den das Aussterben der Malaienbären verhindert werden soll. Die BOS Foundation ist Teil der Initiative. Wir tun alles in unserer Macht stehende, um diese Bärenart zu retten!
Nach Kontakt mit Menschen leider nicht mehr auswilderbar
Im Gegensatz zu Orang-Utans können Malaienbären nicht mehr ausgewildert werden, sobald sie einmal Kontakt mit Menschen hatten – was sich bei einer Rettung nicht vermeiden lässt. Es bedarf daher eines speziell auf die Bedürfnisse der Tiere zugeschnittenen Rettungszentrums, in dem diese gesund gepflegt werden und dann den Rest ihres Lebens artgerecht leben können.
In Samboja Lestari haben wir ein solches Refugium erbaut, in dem wir natürlich dieselben Tierschutzprinzipien wie auch bei “unseren” Orang-Utans anwenden. Bärenbabys können im Alter von etwa fünf Monaten sehen, laufen, riechen und hören, und in freier Wildbahn beginnt zu diesem Zeitpunkt das “Survival Training” bei ihren Bärenmüttern. Eine vergleichbare Ausbildung haben wir für die geretteten Tiere in unserem Schutzzentrum entwickelt.
Target Training mit den Malaienbären in Samboja Lestari
Lektion 1 unseres Malaienbären-Programms
Für gerettete Bären jeden Alters ist die erste und wichtigste Lektion das sogenannte Target Training: Dabei lernen sie durch Konditionierung, einem Pfleger von A nach B zu folgen. Diese Kompetenz ist enorm wichtig, um mit den Tieren in Gefangenschaft sicher und stressfrei umgehen zu können, zum Beispiel um sie aus dem Gehege zu führen, wenn dieses gereinigt wird oder wenn ein Umzug an einen anderen Ort nötig wird.
Das Training erfolgt in mehreren Einheiten, die jeweils so lange andauern wie der Bär gerne und mit Neugierde kooperiert – in der Regel 10–20 Minuten lang an drei bis fünf Tagen pro Woche, bis das Gelernte sicher beherrscht wird. Sobald das Tier Stress oder Aggressivität zeigt, wird die Lektion unterbrochen.
Lektion 2: Sicherheit vor dem Elektrozaun
Unsere weitläufigen Gehege sind naturnah gestaltet, um den Bären ein artgerechtes Lebensumfeld zu bieten. Damit die Tiere nicht das Gehege verlassen und sich dadurch in Gefahr begeben, sind sie zusätzlich durch einen Elektrozaun gesichert. Durch ein speziell entwickeltes Training lernen die Malaienbären, den Zaun zu respektieren, ohne ihm zu nahe zu kommen.
Immer schön Abstand halten vom Elektrozaun
Zunächst werden die Bären in ein kleines, von Wald umgebenem Gehege gebracht, in dem sie Futter vorfinden. Der elektrische Strom wird abgeschaltet, stattdessen bewachen drei Team-Mitglieder den Zaun. Sobald sich ein Bär dem Elektrozaun nähert, klatscht das in der Nähe postierte Team-Mitglied laut in die Hände, um eine Berührung zu verhindern. Mit Fortschreiten des Trainings wird der Elektrozaun angeschaltet, die Mitarbeiter bleiben jedoch postiert und klatschen weiterhin in die Hände, sobald sich ein Bär dem Zaun nähert.
Jede Trainingseinheit dauert etwa 15–30 Minuten. Sie endet sofort, wenn der Bär den Elektrozaun berührt. Manchmal passiert dies auch dann noch, wenn der Strom wieder angeschaltet wurde, weil das Training bereits weit fortgeschritten ist. Dann ist der Schreck natürlich groß. Wir haben diese Situation einmal erlebt und mussten eine längere Pause einlegen, in der sich der Bär beruhigen konnte, ehe er bereit war, das Gehege überhaupt noch einmal zu betreten.
Durch die Wiederholung der Klatsch-Lektion lernen die Tiere, dass der Zaun etwas ist, von dem sie unbedingt Abstand halten sollten. Sobald die Konditionierung sicher verankert ist, darf der Malaienbär in das große Gehege umziehen.
Wie das Sicherheitstraining “unserer” geretteten Malaienbären weitergeht, lesen Sie in den nächsten Tagen im zweiten Teil des Artikels.
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