Wie man sich bei der Orang-Utan-Beob­ach­tung richtig verhält

Wie man sich bei der Orang-Utan-Beob­ach­tung richtig verhält

Unser Post-Release Moni­to­ring (PRM) Team ist im Kehje Sewen Wald einer Orang-Utan-Dame begegnet, die sie schon lange nicht mehr gesehen hatten: Der 2013 ausge­wil­derten Mona. Dabei wurden die Ranger an eine wich­tige Verhal­tens­weise erinnert.

Es war ein sonniger Tag im Kehje Sewen Wald, als unser PRM-Team sich auf eine Patrouille im Emerson Tran­sect begab. Dieser grenzt an den Fluss Lembu und ist gekenn­zeichnet durch steile Abhänge, Klippen und Schluchten sowie natür­lich durch dichten Regen­wald. Alles in allem ein anspruchs­volles Terrain für die Patrouille.

Umso erfreuter waren die Ranger, als sie hinter sich das vertraute Geräusch von knackenden Ästen, Blät­ter­ge­ra­schel und einem sich schnell bewe­genden Körper in den Baum­kronen vernahmen.

Eindeutig: In den Baum­wip­feln hangelt ein Orang-Utan

Es dauerte nicht lange und die Ranger hatten das Tier entdeckt. Nur dessen Iden­ti­fi­ka­tion war nicht ganz so einfach. Das Team an diesem Tag bestand aus relativ jungen Rangern und es handelte sich um ein offen­sicht­lich älteres Tier, das also schon vor einiger Zeit ausge­wil­dert worden sein musste. Damit funk­tio­nierte auch der Trans­mitter, der den Tieren vor der Auswil­de­rung implan­tiert wird, nicht mehr.

Dem PRM-Team gelang es, den Orang-Utan mehr­mals zu foto­gra­fieren. Die Fotos wurden nach ihrer Rück­kehr ins Camp mit dem umfas­senden Album aller bisher ausge­wil­derten Orang-Utans abge­gli­chen. Und tatsäch­lich gab es einen Treffer: Es handelte sich um Mona, ein Weib­chen, das bereits 2013 ausge­wil­dert worden war.

Nach zwei­ein­halb Jahren begegnet unser PRM-Team Mona wieder

Jetzt konnten sie aber­mals im Moni­to­ring­be­richt vermerken, dass Mona sich augen­schein­lich bester Gesund­heit erfreut. Unser Team beob­ach­tete die Orang-Utan-Dame rund zwei Stunden lang. Dabei sahen sie, wie Mona sich durch die Baum­wipfel bewegte, dabei geschickt alle vier Glied­maßen nutzte und immer wieder anhielt, um zu futtern. Mal ein paar grüne Blätter, mal zarte Ingwer­sprossen. Ein äußerst viel­sei­tiger Spei­se­plan, was defi­nitiv ein gutes Zeichen ist.

Orang-Utan Mona
Ein seltener Moment: Orang-Utans halten sich fast nie auf dem Wald­boden auf

Alles war gut, bis Mona sich plötz­lich entschloss, die Menschen, die ihr die ganze Zeit folgten, etwas genauer unter die Lupe zu nehmen. Übli­cher­weise halten sich Orang-Utans von Menschen fern und auch Mona zeigte bei den letzten Begeg­nungen mit unserem PRM-Team ein solches wildes Verhalten. Es kommt auch vor, dass ein Orang-Utan, dem ein Mensch zu nahe­kommt, sein Miss­fallen sehr laut und deut­lich zum Ausdruck bringt: Dann rüttelt er kräftig an Ästen oder macht laute Quietsch- und Kuss­ge­räu­sche. In Orang-Utan-Sprache heißt das: Verschwinde! Aber sofort!

Vorsich­tiger Rückzug

Mona tat diesmal nichts derglei­chen. Statt­dessen näherte sie sich den BOS-Rangern und eine solche nahe Begeg­nung ist keines­falls erwünscht. Nicht zuletzt, weil wir Menschen Krank­heiten über­tragen können.
Unser Team bemühte sich Abstand zu halten, um das Orang-Utan-Weib­chen weiter beob­achten zu können. Denn diese Daten sind wichtig für das Post-Release Moni­to­ring und für unser Auswil­de­rungs­pro­gramm. Nach zwei Stunden jedoch verlangte es die Situa­tion, dass die Ranger sich aus Monas Nähe entfernen mussten. Und zwar so, dass das Tier ihnen nicht folgen konnte. Eine ziem­liche Heraus­for­de­rung in dem schwie­rigen Terrain. Zumal Orang-Utans weit oben in den Baum­wip­feln einen klaren Vorteil haben.

Auf einem schmalen Pfad, der sich zwischen einer Klippe und einer Schlucht entlang windet, gelang es den Rangern jedoch, Mona hinter sich zu lassen. Viel­leicht hatte sie auch einfach die Lust am Spiel verloren und wollte sich lieber einem inter­es­santen Futter­baum widmen.
Fest steht, dass unser Team an diesem Tag schnelle Reak­ti­ons­fä­hig­keit und Impro­vi­sa­ti­ons­ta­lent bewiesen hat. Und dabei an eine ganz wich­tige Lektion erin­nert wurde: Halte lieber etwas zu viel Abstand bei der Beob­ach­tung wilder Tiere und Orang-Utans.

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Runtus lange Reise in die Frei­heit und zur Liebe

Runtus lange Reise in die Frei­heit und zur Liebe

Die Auswil­de­rung eines Orang-Utans markiert für uns den Höhe­punkt einer langen Reha­bi­li­ta­tion. Im Fall von Runtu dauerte diese ganze 18 Jahre, denn die Orang-Utan-Dame hatte ihre Kind­heit und Jugend in einem thai­län­di­schen Vergnü­gungs­park verbracht. Sie war bereits fünf­ein­halb Jahre alt, als sie aus diesem unwür­digen Leben befreit und in das BOS-Rettungs­zen­trum Nyaru Menteng gebracht werden konnte.

Doch Runtu kämpfte sich Wald­schul­lek­tion um Wald­schul­lek­tion zurück ins Leben eines wilden Orang-Utans und bewies ihre Fähig­keiten auf der Voraus­wil­de­rungs­insel Salat Island.

Auswilderung Orang-Utan Weibchen Runtu im Regenwald
Der große Moment ist da: Runtus Käfigtür öffnet sich

Anfang November 2024 war es soweit: Im Bukit Baka Bukit Raya Natio­nal­park öffnete sich die Tür des Trans­port­kä­figs. Als 23-Jährige kann Runtu nun das freie, wilde Leben fort­setzen, das ihr als Baby von Wild­tier­händ­lern genommen wurde.

In einem Holly­wood-Film wäre die Auswil­de­rung das Happy End

Bei Runtu ist dies tatsäch­lich erst der Anfang einer wunder­baren Geschichte. Nach einer Auswil­de­rung bleibt das Post-Release Moni­to­ring (PRM) Team von BOS stets noch einige Wochen am Ort und beob­achtet, wie die neuen Wilden sich in ihrem neuen Lebens­raum zurecht­finden. Diese genaue Doku­men­ta­tion des Verhal­tens ist nicht nur wichtig, damit wir uns sicher sein können, dass es den reha­bi­li­tierten Orang-Utans gut geht. Die Erkennt­nisse helfen uns auch dabei, unsere Arbeit stets weiter zu verbessern.

Post Release Monitoring Team im Regenwald
Feld­for­schung: Unser Post-Release Moni­to­ring-Team nach der Auswilderung

Runtu zeigte sich zunächst unent­schlossen, nachdem sie ihren Trans­port­käfig verlassen hatte. Kurz kehrte sie zum Käfig und den dort wartenden Menschen zurück, zeigte dabei jedoch keine Aggres­si­vität. Es schien fast, als wolle sie sich verab­schieden und bedanken, ehe sie einen Baum hinauf­klet­terte, weit nach oben in die Wipfel. Das ist eine Ange­wohn­heit, die unser Team schon von der Voraus­wil­de­rungs­insel kennt: Runtu hält sich am liebsten ganz oben, sozu­sagen im Pent­house des Regen­waldes, auf.

Orang-Utan-Männ­chen Happy beglückt Runtu

Dort fand sie kurze Zeit später Happy, ein 16-jähriges Orang-Utan-Männ­chen, der eben­falls gerade den Auswil­de­rungs­käfig verlassen hatte. Die beiden kamen sich schnell näher, wurden bald beim Kopu­lieren beob­achtet. Ein solches Verhalten ist ziem­lich häufig unmit­telbar nach der Auswil­de­rung. Es scheint, als helfe es den Tieren, nach all der Aufre­gung und der langen Reise vom Rettungs­zen­trum in den Auswil­de­rungs­wald, Stress abzubauen.

In den nächsten Tagen folgte unser PRM-Team Runtu tiefer in den Wald hinein. Runtu hangelte sich weit oben durch die Baum­wipfel und erkun­dete ihre neue Heimat mit sicht­li­chem Inter­esse und großer Mobi­lität, ohne Angst zu zeigen. Dabei bewegte sie sich kraft­voll durch das anspruchs­volle Terrain — der Bukit Baka Bukit Raya Natio­nal­park erstreckt sich über einen Teil des Schwa­ner­ge­birges und ist durch­zogen von Wasser­läufen – und bewies ihre Anpas­sungs­fä­hig­keit an den neuen Lebensraum.

Orang-Utan Weibchen Runtu im Regenwald
Queen of the Jungle: Runtu beim Hangeln in den Baum­wip­feln des Bukit Baka Bukit Raya Nationalparks

Immer wieder wurde sie bei der Nahrungs­auf­nahme beob­achtet, dabei sammelte die Orang-Utan-Dame ganz unter­schied­liche Früchte, Blätter und andere Lecker­bissen und bewies auch dadurch ihre Fähig­keit, sich in Frei­heit bestens zurecht zu finden. Unser Team folgte Runtu auf bis zu 1.500 Meter Höhe und verlor sie zwischen­zeit­lich sogar aus den Augen, weil sie mit dem Tempo des Orang-Utans nicht Schritt halten konnten.

Runtu ist endlich zuhause, zurück im Regenwald

Einige Tage nach der Auswil­de­rung kreuzten sich die Wege von Runtu und Happy erneut. Und eigent­lich kann das im weit­läu­figen Natio­nal­park kein Zufall gewesen sein. Die beiden gingen aber­mals sehr freund­lich mitein­ander um und unser PRM-Team konnte sie dabei beob­achten, wie sie sich am Abend Schlaf­nester neben­ein­ander bauten und wieder kopulierten.

Orang-Utan Schlafnester im Regenwald
Die Schlaf­nester von Runtu und Happy. Seite an Seite. Herz an Herz

Unser Team ist vorsichtig opti­mis­tisch, dass Runtu nach den mehr­fa­chen Begeg­nungen Nach­wuchs erwarten könnte.

Orang-Utan Weibchen Runtu im Regenwald
Runtu ist nach 18 Jahren Reha­bi­li­ta­tion endlich angekommen

Wir wünschen Dir ein wunder­bares Leben in Frei­heit, Runtu! Du hast uns bewiesen, wie stark und resi­lient Orang-Utans sind und wie wirkungs­voll unser Reha­bi­li­ta­ti­ons­pro­gramm ist. Dass Du nach Deinem trau­ma­ti­schen Start ins Leben nicht aufge­geben hast, sondern heute als freier, wilder Orang-Utan im geschützten Regen­wald leben kannst, grenzt an ein Wunder. Und wer weiß, viel­leicht schenkst Du der Welt bald ein zweites, kleines Wunder?

Bitte unter­stützen Sie unsere Arbeit zum Schutz der letzten ihrer Art: Jede Spende hilft und kommt den Orang-Utans zugute!

Hilda und Hiran: Mutter und Sohn im Natio­nal­park Bukit Baka Bukit Raya

Hilda und Hiran: Mutter und Sohn im Natio­nal­park Bukit Baka Bukit Raya

Wenn wir Orang-Utans in geschützten Regen­wäl­dern auswil­dern, dann haben wir vor allem einen Wunsch: Dass sich die reha­bi­li­tierten Tiere in ihrem neuen Lebens­raum so sicher und wohl­fühlen und hier lang­fristig eine neue Popu­la­tion entsteht. Darum ist jedes wild­ge­bo­rene Baby für uns der schönste Beweis dafür, dass unsere Arbeit erfolg­reich ist. So wie bei Orang-Utan-Weib­chen Hilda und ihrem Spross Hiran – auch wenn diese Geschichte einen dunklen Schatten aufweist.

Hilda wurde im Dezember 2019 im Natio­nal­park Bukit Baka Bukit Raya im Gebiet des Hiran-Flusses ausge­wil­dert. Gemeinsam mit ihrer Tochter Hadijah, die im April 2018 auf der Voraus­wil­de­rungs­insel Palas Island geboren wurde.

Irgend­wann verlor unser Post-Release-Moni­to­ring Team (PRM) Hilda und ihre Tochter nach der Auswil­de­rung aus den Augen. Sie waren im dichten Regen­wald des Natio­nal­parks abgetaucht.

Erst im Jahr 2022 traf ein PRM-Team wieder auf Hilda. Aller­dings nicht mit Tochter Hadijah an ihrer Seite. Dafür klam­merte sich ein neues Baby in ihrem Fell fest. Wir nannten es Hiran, nach dem Wald­ge­biet, in dem es zur Welt kam.
Was aus Hildas Tochter Hadijah wurde? Das wissen wir leider nicht mit Bestimmt­heit, denn der Dschungel birgt viele Gefahren für einen so jungen Orang-Utan. Womög­lich war der Schritt in die Wildnis ein zu großer für das Orang-Utan-Kind. Viel­leicht wurde es krank oder verletzte sich?

Hiran, das Dschungelkind

So traurig wir darüber sind, das Hadijah verschwunden ist, so sehr freuen wir uns über Hildas zweites Baby. Der kleine Hiran ist ein echtes Dschun­gel­kind! Bei der ersten Begeg­nung 2022 war Hiran erst wenige Monate alt und noch voll­kommen von seiner Mutter Hilda abhängig.
Als das PRM-Team kürz­lich in einem Bambus­wald­ge­biet auf Hilda (19) und Hiran traf, schätzten die erfah­renen Beob­achter den kleinen Orang-Utan auf ein Alter von zwei bis drei Jahren.

Orang-Utan-Mutter Hilda mit Baby Hiran im Nationalpark Bukit Baka Bukit Raya
Hilda und Baby Hiran im Regen­wald von Bukit Baka Bukit Raya

Noch immer hält er sich nah an seiner Mutter. Ganz entspannt genossen Mutter und Kind zarte Bambus­sprossen und Blätter.

Insge­samt sieben bis acht Jahre werden Hilda und Hiran zusammen verbringen. Dabei wird Hiran seine Mutter aufmerksam beob­achten und immer wieder nach­ahmen. So erlernt er alle grund­le­genden Über­le­bens­fä­hig­keiten für den Regen­wald. Neben der Nahrungs­suche lernt der Nach­wuchs von seiner Mutter wie man Schlaf­nester baut, sicher klet­tert und hangelt und dabei den Wald erkundet.

Bei aller Trauer um Baby Hadijah, sind wir doch vor allem stolz auf Hilda und glück­lich über Hiran. Hilda, die wir 2007 als Baby von einer Palm­öl­plan­tage gerettet haben, hat ihren Weg mit allen Höhen und Tiefen so gut gemeis­tert. Und wir sind uns sicher, dass sie Hiran eine wunder­bare Mutter sein wird.

Orang-Utan-Mutter Hilda mit Baby Hiran im Nationalpark Bukit Baka Bukit Raya
Der kleine Hiran

Wir wünschen Hilda und Hiran weiterhin viel Glück und alles Gute und hoffen, den beiden bald wieder zu begegnen.

Mit Ihrer Spende können Sie unsere Arbeit für die Orang-Utans und ihren Lebens­raum unterstützen.

Frei­heit für sechs Orang-Utans

Frei­heit für sechs Orang-Utans

Am 10. November 2024 war für sechs Orang-Utans der große Tag gekommen, an dem wir ihnen nach Jahren der Reha­bi­li­ta­tion die Frei­heit im geschützten Regen­wald schenken konnten. Die Weib­chen Jengyos (9), Meryl (10) und Runtu (23) und die Männ­chen Blegi (12), Happy (16) und Bejo (17) leben jetzt im Natio­nal­park Bukit Baka Bukit Raya endlich das wilde Leben, für das sie bestimmt sind. Beson­ders glück­lich macht uns die Auswil­de­rung von Runtu, die wir vor 18 Jahren aus einem thai­län­di­schen Vergnü­gungs­park retten konnten.

Los ging das Aben­teuer Frei­heit im BOS-Rettungs­zen­trum Nyaru Menteng, wo wir die sechs Primaten in den vergan­genen Jahren auf ihr selbst­stän­diges Leben in der Wildnis intensiv vorbe­reitet hatten. Nach letzten medi­zi­ni­schen Checks durch unsere Vete­ri­näre, bezogen die „Neuen Wilden“ ihre Trans­port­boxen. Dann setzte sich der Konvoi aus Gelän­de­wagen mit seiner wert­vollen Fracht in Bewe­gung. Das Ziel: Der Natio­nal­park Bukit Baka Bukit Raya in Zentral-Kalimantan.

Damit die Tiere die anstren­gende Reise wohl­be­halten über­stehen, legte unser Team alle zwei Stunden eine Pause ein. Dabei checkten sie den Gesund­heits­zu­stand der Orang-Utans, versorgten sie mit frischem Wasser und nahr­haften Früchten. Denn schließ­lich sollten die sechs Wald­men­schen möglichst stress­frei reisen und voller Energie in ihr neues Leben starten.

Fluss­fahrt zum Ort der Auswilderung

Mitten in der Nacht – um 2:30 Uhr – erreichte der Konvoi die Fähr­sta­tion im Dorf Tumbang Hiran. Hier legte das Team eine kurze Pause ein, ehe die Reise auf dem Fluss fort­ge­setzt wurde. Um 6:00 Uhr verlud das Team die Trans­port­kä­fige auf Klotoks (moto­ri­sierte Boote), auf denen sie – gut gesi­chert mit über­di­men­sio­nalen „Schwimm­westen“ – über den Hiran-Fluss den Auswil­de­rungs­punkten entgegen schipperten.

Auch während der sechs­stün­digen Fluss­fahrt behielt das Team die Orang-Utans natür­lich stets im Blick und versorgte sie immer wieder mit Wasser und Lecke­reien. Mit wach­sendem Inter­esse, jedoch ruhig und gelassen, beob­ach­teten die sechs Wald­men­schen den vorüber­zie­henden Regen­wald aus ihren Trans­port­boxen heraus, während sie der Frei­heit immer näherkamen.

Klappe auf, Affen raus

Schließ­lich war der große Moment gekommen! Jengyos und Bejo waren die ersten – nicht nur bei dieser Auswil­de­rung, sondern in diesem Jahr – die in ihr freies Leben starten durften. Beide Orang-Utans begannen direkt neugierig den Wald zu erkunden. Wie ausge­las­sene Kinder, die nach einem langen Schultag endlich draußen toben dürfen, spielten und rangen sie am Boden. Schließ­lich begaben sie sich erfolg­reich auf die Suche nach ihrem ersten rich­tigen Dschun­gel­mahl. Und als der Regen einsetzte, bauten sie sich unter dem schüt­zenden Laub­dach der Baum­wipfel ihre Schlaf­nester.
Als nächste waren Meryl und Blegi an der Reihe. Die beiden star­teten etwas ruhiger in ihr neues Leben. Doch nach anfäng­li­cher Zurück­hal­tung begannen sie umso inten­siver die neue Frei­heit zu feiern. Wobei Blegi zunächst vor allem Augen für Meryl hatte. Unsere ehema­lige Muster­schü­lerin Meryl hingegen fokus­sierte sich, nach einem Inter­mezzo mit Blegi, schnell wieder voll und ganz auf ihre neue Heimat, bewegte sich entspannt durch die Bäume und genoss junge Blätter. Ihre Schlaf­nester bauten die beiden später etwa 150 Meter vom Fluss entfernt.

Love is in the air: Wurde hier ein Orang-Utan-Baby gezeugt?

Runtu und Happy waren die letzten, deren Trans­port­boxen geöffnet wurden. Happy zeigte sofort ein aktives Verhalten, schloss sich Runtu an, und die beiden kopu­lierten. Später konnte unser Team die beiden dabei beob­achten, wie sie Harz von Baum­stämmen kauten – ein Zeichen ihrer natür­li­chen Anpas­sungs­fä­hig­keiten. Im Laufe des Tages stieß Runtu mehrere Grunz­laute aus, um ihre Anwe­sen­heit in der neuen Umge­bung zu markieren. Beide Orang-Utans genossen ihre neu gewon­nene Frei­heit und zeigten ihre Fähig­keiten, sich im Wald zurecht­zu­finden, die sie bei BOS in der Wald­schule und auf den Voraus­wil­de­rungs­in­seln gelernt hatten.

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Mehr Infor­ma­tionen

Aus dem Vergnü­gungs­park in den Regenwald

Für die 23-jährige Runtu freut uns die Auswil­de­rung ganz beson­ders. Sie wurde als Baby Opfer des ille­galen Wild­tier­han­dels und von Borneo in einen thai­län­di­schen Vergnü­gungs­park verschleppt. Runtus Kind­heit war Qual, Dressur und Shows, statt ins Fell ihrer Mutter geku­schelt die Baum­wipfel des Regen­waldes von Borneo zu durch­streifen.
Gemeinsam mit 47 weiteren Orang-Utans wurde sie aus diesem unwür­digen Leben befreit. Denn glück­li­cher­weise konnte nach­ge­wiesen werden, dass die Primaten von der Insel Borneo stammten. Trotzdem zog sich der diplo­ma­ti­sche Mara­thon über drei Jahre hin, ehe Runtu und ihre Artge­nossen von BOS und dem WFFT in Zusam­men­ar­beit mit der indo­ne­si­schen Regie­rung zurück in ihre Heimat gebracht werden konnten. Am 22. November 2006 landeten die 48 Tiere in einer Mili­tär­ma­schine der indo­ne­si­schen Navy in Jakarta.

Militärflugzeug, davor Menschen mit Willkommensplakaten
Große Freude, als die 48 geret­teten Orang-Utans 2006 aus Thai­land zurück nach Indo­ne­sien geholt werden konnten

Zu diesem Zeit­punkt war Runtu bereits fünf­ein­halb Jahre alt. Sie war trau­ma­ti­siert, ihr Sozi­al­ver­halten vermensch­licht. Das BOS-Team in Nyaru Menteng hatte große Zweifel, ob sie die Reha­bi­li­ta­tion schaffen kann. Aber Runtu gelang das Unglaub­liche: Obwohl sie deut­lich älter war als ihre Mitschüler in der Wald­schule und auch länger brauchte, um alle Lektionen zu lernen, kämpfte sie sich zurück in das Leben, für das sie einst geboren wurde. Jetzt, fast genau 18 Jahre nach ihrer Rück­kehr aus Thai­land, darf sie endlich in Frei­heit leben. Viel­leicht wird sie dort bald selbst Mutter. Dann jedoch tief im geschützten Regen­wald des Natio­nal­parks, fern von uns Menschen. So wie es sein sollte.

Unsere Ranger haben die Orang-Utans weiterhin im Blick

Jetzt leben sich Runtu, Meryl, Blegi, Jengyos, Happy und Bejo erstmal in ihrem neuen Zuhause ein – immer im Blick unserer Post-Release-Moni­to­ring-Teams. Gerade in den ersten Wochen folgen sie den neuen Regen­wald­be­woh­nern auf Schritt und Tritt, um sicher­zu­gehen, dass sie sich gut einleben und gesund­heit­lich fit bleiben. Wir drücken den sechs Orang-Utans die Daumen und freuen uns über weitere Neuig­keiten aus dem Regenwald.

Mit Ihrer Spende unter­stützen Sie unsere Arbeit für die bedrohten Orang-Utans und ihre Regenwaldheimat.

Wie aus Mardi­anto ein domi­nantes Männ­chen wurde

Wie aus Mardi­anto ein domi­nantes Männ­chen wurde

Ausge­wach­sene Orang-Utan-Männ­chen mit ihren breiten Backen­wülsten sind äußerst impo­sant. Aber nicht jeder männ­liche Orang-Utan durch­läuft diese körper­liche Entwick­lung. Mardi­anto, den wir 2015 im Alter von damals 13 Jahren im Schutz­wald Bukit Batikap (Zentral-Kali­mantan) ausge­wil­dert haben, gehört zu diesen soge­nannten domi­nanten Männ­chen. Und wir hatten das Glück, seine Entwick­lung miter­leben zu dürfen.

Es ist, als wolle Mardi­anto uns stolz präsen­tieren, was für ein pracht­voller Orang-Utan-Kerl aus ihm geworden ist. Denn mindes­tens einmal im Jahr kreuzte unser Post-Release-Moni­to­ring Team (PRM) im Regen­wald seinen Weg und hatte so die Möglich­keit, seine erstaun­liche körper­liche Entwick­lung zu dokumentieren.

Zum Zeit­punkt seiner Auswil­de­rung war noch nicht abzu­sehen, welchen Weg Mardi­anto vor sich haben würde. Doch mit der Zeit wurden wir Zeuge, wie sich vor allem die Morpho­logie seines Gesichts durch das Wachstum der Backen­wülste verän­derte. Meist beginnt das Wachstum der Backen­wülste ab einem Alter von zehn Jahren oder später. Aller­dings bekommen nicht alle männ­li­chen Orang-Utans diese Wülste. Sie treten nur bei domi­nanten Männ­chen auf.

Das Geheimnis der Backenwülste

Noch hat die Forschung nicht alle Geheim­nisse hinter den Backen­wülsten aufge­deckt. Doch es wird vermutet, dass sich diese sekun­dären Geschlechts­merk­male nur dann entwi­ckeln, wenn im Revier kein weiterer domi­nanter Orang-Utan-Mann herrscht. Männ­chen mit klei­neren oder noch in der Entwick­lung befind­li­chen Backen­wülsten sind sozialer als Männ­chen mit größeren Wülsten. Männ­chen mit großen, voll entwi­ckelten Backen­wülsten ziehen es in der Regel vor, allein zu leben und ihr Terri­to­rium zu beherr­schen, während Männ­chen mit noch wach­senden Backen­wülsten mehr Zeit damit verbringen, mit Weib­chen zu interagieren.

dominanter Orang-Utan-Mann Regenwald
Ein ausge­wach­senes domi­nantes Orang-Utan-Männchen

Das Wachstum der Backen­wülste bei männ­li­chen Orang-Utans kann auch die Vergrö­ße­rung ihres Kehl­sacks begüns­tigen. Damit können sie die soge­nannten „Long Calls“ besser ausstoßen, die oft kilo­me­ter­weit zu hören sind und die die Weib­chen anlocken.

Wenn die Backen­wülste des domi­nanten Männ­chens ausge­wachsen sind, verän­dern sich auch andere morpho­lo­gi­sche Merk­male im Gesicht, wie z. B. eine dunk­lere Haut um Augen, Augen­lider und Mund sowie ein dich­terer Bart und Schnurr­bart. Das Wachstum der Backen­wülste bei männ­li­chen Orang-Utans kann verzö­gert oder gestoppt werden, wenn die Anwe­sen­heit anderer domi­nanter Männ­chen einen intra­se­xu­ellen Wett­be­werb auslöst. Männ­liche Orang-Utans, denen in freier Wild­bahn Backen­wülste wachsen, gelten als Sieger im intra­se­xu­ellen Wett­be­werb und zeigen repro­duk­tiven Erfolg bei der Anwer­bung von Weibchen.

Mardi­antos Metamorphose

2019 hatte ein PRM-Team Mardi­anto auf einem Baum in der Nähe des Fluss­ufers entdeckt. Damals begann sich sein Gesicht ein wenig zu verän­dern. Die Haut wurde dunkler, sein Bart war dichter und eine kleine Verbrei­te­rung an der Spitze seiner Wangen ist erkennbar.

Im darauf­fol­genden Jahr – 2020 – trafen wir Mardi­anto wieder, als er sich auf einem üppigen Baum ausruhte. Wir waren sehr über­rascht, wie stark er sich verän­dert hatte. Seine Backen­wülste waren deut­lich breiter geworden.

Orang-Utan-Mann Regenwald
2021

Ein weiteres Jahr später sind ist Mardi­antos Gesicht durch die Backen­wülste schon stark verän­dert. Auch sein Kehl­sack beginnt zu wachsen. Insge­samt macht er schon einen deut­lich impo­san­teren Eindruck als zwei Jahre zuvor, als wir ihn beim Klet­tern im Regen­wald in Augen­schein nehmen konnten.

Orang-Utan-Mann Regenwald
Wie ein Wald­könig auf seinem Thron: Mardi­anto im Jahr 2022

2022 konnte das PRM-Team Mardi­anto bei verschie­denen Gele­gen­heiten im Schutz­wald Bukit Batikap antreffen. Auf Nahrungs­suche in der Nähe des Flusses, beim Wasser­trinken oder beim Spazier­gang durch sein Revier. Ihn auf einem umge­stürzten Baum sitzend zu sehen, war, als würde er wie ein Wald­könig sein Hoheits­ge­biet kontrol­lieren. Es war erstaun­lich, die morpho­lo­gi­schen Verän­de­rungen in Mardi­antos Gesicht zu sehen. Aber nicht nur sein Gesicht, sondern auch sein Körper wurde größer und sein Haar dichter.

Doch wie gelingt es unseren PRM-Teams, ein Tier zu iden­ti­fi­zieren, wenn es sich körper­lich und im Gesicht so sehr verän­dert, wie Mardi­anto? Für unsere Experten im Regen­wald ist das nur selten ein Problem. Denn jeder Orang-Utan hat bestimmte Merk­male, nach denen die PRM-Teams Ausschau halten. Bei Mardi­anto zum Beispiel ist es ein beson­deres Merkmal auf seinem Rücken. Damit war es für das Team ein Leichtes, den sich verän­dernden Orang-Utan-Mann dennoch immer eindeutig zu erkennen.

Auch die Arbeit unserer PRM-Teams in unseren Auswil­de­rungs­ge­bieten ist nur möglich Dank Ihrer Spenden. Bitte unter­stützen Sie uns weiterhin, so dass wir unseren ausge­wil­derten Orang-Utans eine sichere Zukunft bieten können.