Planet ohne Affen

Kleine Schim­pansen und Orang-Utans sind beliebt, Promis und Influencer posieren mit ihnen auf Insta­gram. Und auch die welt­weiten Zoos sind immer inter­es­siert an neuem Nach­schub. Doch woher kommen die Tiere?

Reporter Michel Abdol­lahi macht sich auf die Suche nach welt­weiten Netz­werken des krimi­nellen Affen­han­dels. Im kongo­le­si­schen Regen­wald sucht er die letzten Bonobos und erhält am Rande eines Marktes ein ille­gales Angebot. Händler wollen ihm ein Jung­tier verkaufen. Solche Geschäfte sind hier schon fast alltäg­lich. Auch in Thai­land wird Abdol­lahi Zeuge eines ille­galen Tier­raubs. In einem Zoo, der auf dem Dach eines Kauf­hauses unter­ge­bracht ist, entdeckt er einen streng geschützten Bonobo. Es ist eine kleine Sensa­tion. Sogar die berühmte Prima­ten­for­scherin Jane Goodall reist an und zeigt sich erschüt­tert: Bonobos sind vom Aussterben bedroht. Fast überall auf der Welt findet Abdol­lahi Unre­gel­mä­ßig­keiten. In China fahndet er nach vier Gorillas, deren Spur sich verloren hat. Und in den USA trifft er auf den berühmten Tier­guru Doc Antle, der nicht erklären kann, woher er seine Schim­pan­sen­babys hat. Warum ist dies alles möglich? Das inter­na­tio­nale Vertrags­werk CITES soll bedrohte Tier­arten schützen. Doch das Abkommen ist offenbar viel­fach wirkungslos. Das zeigt sich auch im Fall des geklauten Bonobos. Trotz der Meldung an die CITES-Leitung lebt das Tier bis heute in Gefan­gen­schaft. Er ist eines von tausenden Opfern des ille­galen Handels mit unseren nächsten Verwandten in der Natur.

Elst­ners Reisen

Mode­rator Frank Elstner hatte den Tier­schützer Willie Smits in seiner Sendung „Menschen der Woche“ kennen­ge­lernt und verspro­chen, einmal selbst nach Indo­ne­sien zu kommen, um die Situa­tion der Orang-Utans vor Ort zu erleben. Es sollte eine der span­nendsten und emotio­nalsten Reisen seines Lebens werden.

Mehr als drei Wochen begleitet er den Tier- und Natur­schützer Willie Smits durch Indo­ne­sien, immer auf der Spur der Orang-Utans. Die Route führt von Java über Sula­wesi bis nach Borneo — der natür­li­chen Heimat der Orang-Utans. Der Mode­rator lernt dabei Menschen kennen, die ihr Leben dem Schutz der seltenen Menschen­affen widmen, bekommt aber auch Einblicke in die großen Probleme des Landes und die damit verbun­denen Schick­sale der Orang-Utans. Einen beson­deren Orang-Utan begleitet er auf dem Weg zurück in die Frei­heit. „Einer der schönsten Momente meines Lebens“, sagt Frank Elstner sicht­lich berührt bei 40 Grad im Schatten mitten im Dschungel von Borneo.

Welche Bedeu­tung haben die ‘Long Call’ Rufe der Männchen?

Welche Bedeu­tung haben die ‘Long Call’ Rufe der Männchen?

Der Evolu­ti­ons­bio­loge James Askew verbrachte mehrere Monate im Regen­wald Borneos, um die Rufe erwach­sener Orang-Utan Männ­chen zu erfor­schen. Gemeinsam mit seinem Team hat er neue Erkennt­nisse über die Bedeu­tung der soge­nannten ‘Long Calls’ gewonnen.

Bisher wurden bei Orang-Utans etwa 32 Laut­äu­ße­rungen iden­ti­fi­ziert (1). Doch nicht alle Rufe kommen in allen Popu­la­tionen vor. Bei manchen Laut­äu­ße­rungen wird vermutet, dass sie sozial erlernt werden, und somit eine weitere Kompo­nente der kultu­rellen Varia­tion zwischen Orang-Utan Popu­la­tionen darstellen könnten. Gene­rell lassen sich die Rufe der Orang-Utans in drei Klassen einteilen. Rufe und Laute die über kurze Distanz hörbar sind (unter 25 Meter), mitt­lere Distanz (250 Meter) und Lang­di­stanz (mehr als 250 Meter).

Der soge­nannte ‘Long Call‘ (zu deutsch „langer Ruf“) gehört zu den Lang­di­stanz Rufen und ist einer der häufigsten Laut­äu­ße­rungen ausge­wach­sener Orang-Utan Männ­chen. Dieser Ruf ist — sogar im dichten Regen­wald — bis zu 1500 Meter weit hörbar. Er besteht aus drei Teilen: Einer Einfüh­rung, die sich wie ein nieder­fre­quentes Grum­meln anhört, einem Höhe­punkt mit mehreren starken Impulsen und blub­bernden Lauten im Abklang (2). Am häufigsten hört man den komplexen Ruf von ausge­wach­senen Männ­chen, die sekun­däre Geschlechts­merk­male wie Kehl­sack und ausge­prägte Wangen­wulste besitzen. Männ­chen ohne diese Geschlechts­merk­male rufen deut­lich weniger. Ein typi­scher ‘Long Call‘ dauert oft über eine Minute an und Abfolgen dieses Rufes können sogar mehr als 10 Minuten andauern (3). Hier ist ein ‘Long Call‘ zu hören.

Ist der ‘Long Call‘ eines Männ­chens von einem anderen unterscheidbar?

Um dieser und anderer Fragen nach­zu­gehen, begab sich James mehrere Monate in den Jahren 2007 bis 2010 in die Sumpf­re­gen­wälder von Sabangau auf Borneo. Es ist nicht einfach, Orang-Utan Männ­chen im dichten Regen­wald ausfindig zu machen. Doch sobald James einen Ruf hörte, begaben er sich sofort in diese Rich­tung, egal wie weit er vom Basis­lager entfernt war. Sobald er den Orang-Utan gefunden hatte, wurde dieser mehrere Tage mit groß­zü­gigem Abstand begleitet und jede Laut­äu­ße­rung mit einem spezi­ellen Mikrofon aufge­zeichnet. Dazu wurde auch die Rich­tung, in der der Ruf abge­setzt wurde und der zuge­hö­rige Kontext notiert, sowie die Reise­route via GPS ermit­telt. So gelang es ihm und dem Forschungs­team im Laufe des Beob­ach­tungs­zeit­raums Daten von knapp 80 ‘Long Calls‘ von drei ausge­wach­senen Männ­chen namens Peter Pan, Jupiter und Salvador zu erhalten (4).

Wie bereits aus anderen Studien in anderen Teilen Borneos und Sumatra bekannt war (5–7), so waren auch die ‘Long Calls‘ der Orang-Utans Peter Pan, Jupiter und Salvador indi­vi­duell unter­scheidbar (4).

Frequenzspektrum der Long Calls
Frequenz­spek­trum der Long Calls

Bild­liche Darstel­lung des zeit­li­chen Verlaufs des Frequenz­spek­trums der ‘Long calls’ der Männ­chen Salvador (obere Grafik) und Jupiter (unten). Man kann hier sehr gut die unter­schied­li­chen Puls­arten der Rufe erkennen (Quelle: Askew & Morrogh-Bernard, 2016).

Ob andere Orang-Utans die den ‘Long call’ hören, den Rufenden iden­ti­fi­zieren können, ist bisher noch nicht eindeutig nach­ge­wiesen. Dennoch spre­chen einige Indi­zien dafür, dass Weib­chen sowie andere Männ­chen wissen, wer der Rufende ist. Wenn Männ­chen aufein­an­der­treffen, so kommt es oft zu Aggres­sion. Beob­ach­tungen zeigen, dass nieder­ran­gige Orang-Utan Männ­chen den Rufen von domi­nanten Männ­chen auswei­chen (5, 8) und sexuell aktive Weib­chen sich den Rufen von domi­nanten Männ­chen annä­hern (9). Weib­liche Orang-Utans mit Jung­tieren dagegen scheinen sich von einem rufenden Männ­chen eher wegzu­be­wegen (7).

Orang-Utan-Mütter scheinen sich von den "Long Calls" der Männchen wegzubewegen
Orang-Utan-Mütter scheinen sich von den ‘Long Calls’ der Männ­chen wegzubewegen

Ändern sich die ‘Long calls’ je nach Kontext, in dem sie getä­tigt werden?

‘Long Calls‘ werden in mehreren Situa­tionen abge­geben. Sie können spontan erfolgen, als Reak­tion auf ‘Long Calls‘ anderer Männ­chen, als Reak­tion auf das Fallen eines Baumes oder andere Störungen und gegen­über Menschen, die ihnen zu nahe­kommen. ‘Long Calls‘, die im aufge­regten Zustand abge­geben werden, sind etwas schneller, haben Pulse von kürzerer Dauer und enthalten mehr Pulse und blub­bernde Laute als spontan abge­ge­bene Rufe (7). Es gibt Hinweise, dass weib­liche Orang-Utans den Unter­schied zwischen einem aufge­regtem ‘Long Call‘, der durch eine Störung hervor­ge­rufen wurde und einem spontan ausge­sto­ßenen ‘Long Call‘ erkennen können: Denn sie scheinen den Ruf zu igno­rieren, der durch eine Störung hervor­ge­rufen wurde (7). Forscher vermuten, dass ‘Long Call‘ Rufe die das Orang-Utan Männ­chen spontan äußert, dazu dienen Weib­chen anzu­lo­cken und andere Männ­chen davon abzu­halten, in die Gegend zu kommen.

Welche Botschaft steckt in der Rufrich­tung der ‘Long calls’?

Aus den Analysen geht hervor, dass Orang-Utan Männ­chen im Sumpf­re­gen­wald von Sabangau ihre ‘Long Calls‘ unter anderem dazu verwenden, um ihre zukünf­tige Reise­rich­tung „anzu­kün­digen“ (4). Dies wurde bereits schon für Sumatra-Orang-Utans gezeigt (10). Dabei wenden sich Orang-Utans der geplanten Reise­rich­tung zu, während sie die Laut­äu­ße­rung von sich geben. In der Studie wurde gezeigt, dass der letzte ‘Long Call‘, der kurz vor dem schlafen abge­geben wurde, eine bessere als zufäl­lige Vorher­sage der Reise­rich­tung bis 16:00 Uhr am nächsten Tag lieferte — also ca. 22 Stunden nach dem abend­li­chen Ruf! ‘Long Calls‘ die unter Tags abge­geben werden, sagen die weitere Reise­rich­tung für viele Stunden voraus, wohin­gegen ein neuer Ruf eine Ände­rung der Haupt­rei­se­rich­tung anzeigen kann (10). Diese Ergeb­nisse deuten darauf hin, dass männ­liche Orang-Utans ihre Reise­pläne lange im Voraus schmieden und sie ihren Artge­nossen ankündigen.

James Askew absol­vierte seinen PhD in Evolu­ti­ons­bio­logie an der Univer­sity of Southern Cali­fornia. Er studiert Verhal­tens­öko­logie und Repro­duk­ti­ons­phy­sio­logie in drei Orang-Utan-Popu­la­tionen auf Borneo und Sumatra.

Eines unserer wich­tigsten Ziele ist es, mehr Regen­wald­flä­chen zu erwerben und zu Schutz­wald für unsere Orang-Utans umzu­wan­deln. Helfen auch Sie, diesen faszi­nie­renden Lebens­raum und seine gewal­tige Arten­viel­falt zu erhalten und zu schützen. Jeder Beitrag hilft.

Text: Dr. Isabelle Laumer

Refe­renzen:

1.    Hardus, M. E., Lameira, A. R., Singleton, I., Morrogh- Bernard, H. C., Knott, C. D., Ancrenaz, M., Utami Atmoko, S. S. & Wich, S. A. 2009: A descrip­tion of the orangutan’s vocal and sound reper­toire, with a focus on geogra­phic varia­tion. In: Oran­gutans: Geogra­phic Varia­tion in Beha­vi­oral Ecology and Conser­va­tion (Wich, S. A., Mitra Setia, T. & van Schaik, C. P., eds). Oxford Univer­sity Press, Oxford, pp. 49—60.

2.    Galdikas BFM (1983). The orang-utan long call and snag crash at Tanjung Puting Reserve. Primates 24: 371–384.

3.    J. Askew, 2016, Infor­ma­tion stammt aus noch nicht veröf­fent­lichten Daten.

4.    Askew J.A., Morrogh-Bernard H.C. (2016) Acou­stic Charac­te­ristics of Long Calls Produced by Male Orang-Utans (Pongo pygmaeus wurmbii): Adver­ti­sing Indi­vi­dual Iden­tity, Context, and Travel Direc­tion, Folia Primatol 2016;87:305–319.

5.    Delgado RA (2003). The Func­tion of Adult Male Long Calls in Wild Orang-Utans (Pongo pygmaeus). PhD disser­ta­tion, Duke Univer­sity, Durham.

6.    Delgado RA, Lameira A, Davila Ross M, Husson SJ, Morrogh-Bernard HC, Wich SA (2009). Geogra­phical varia­tion in oran­gutan long calls. In Oran­gutans: Geogra­phic Varia­tion in Beha­vi­oral Ecology and Conser­va­tion (Wich SA, Utami Atmoko SS, Mitra Setia T, van Schaik CP, eds.), pp 215–224. New York, Oxford Univer­sity Press.

7.    Spill­mann B, Dunkel LP, van Noor­dwijk MA, Amda RNA, Lameira AR, Wich SA, van Schaik CP (2010). Acou­stic proper­ties of long calls given by flanged male orang-utans (Pongo pygmaeus wurmbii) reflect both indi­vi­dual iden­tity and context. Etho­logy 116: 385–395.

8.    Mitani J (1985). Sexual selec­tion and adult male orang-utan long calls. Animal Beha­viour 33: 272–283.

9.    Mitra Setia T, van Schaik CP (2007). The response of adult orang-utans to flanged male long calls: infe­rences about their func­tion. Folia Prima­to­lo­gica 78: 215–226.

10.    van Schaik CP, Dame­rius L, Isler K (2013). Wild oran­gutan males plan and commu­ni­cate their travel direc­tion one day in advance. PLoS One 8: e74896.

Orang-Utans sind eine außer­ge­wöhn­liche Spezies

Orang-Utans sind eine außer­ge­wöhn­liche Spezies

Man muss kein Lego-Fan sein, um sich von den lebens­nahen Modellen des Künst­lers Felix Jaensch faszi­nieren zu lassen. Uns haben natür­lich vor allem seine realis­ti­schen Orang-Utan-Skulp­turen begeis­tert – zumal wir wissen, wie schwierig es sich gestaltet, die ausdrucks­starken Gesichter natür­lich abzu­bilden. So haben wir beim Künstler nach­ge­fragt, wie er eigent­lich auf den Orang-Utan kam und was ihn an den Tieren so inspiriert.

Herr Jaensch, Sie haben (fast) lebens­große, sehr beein­dru­ckende Modelle von Orang-Utans aus Lego gebaut. Wieso ausge­rechnet von diesen Tieren?
Ich habe zwar schon viele verschie­dene Tiere gebaut, aber ich finde Orang-Utans beson­ders inter­es­sant und sympa­thisch. Daher wollte ich unbe­dingt ein großes Modell von diesen Tieren bauen.

Und wieso nutzen sie ausge­rechnet eckige Plas­tik­steine, um Ihre Skulp­turen zu erstellen?
Die meisten kennen Lego vor allem aus ihrer Kind­heit. Aller­dings ist Lego auch ein sehr gutes (und benut­zer­freund­li­ches) Medium, um Plas­tiken zu erstellen. Es ist jedoch sehr heraus­for­dernd, orga­ni­sche Formen mit eckigen Steinen zu schaffen. Mich reizt diese Heraus­for­de­rung. Und mich faszi­niert das ganz­heits­psy­cho­lo­gi­sche Phänomen, das unser Gehirn, unge­achtet aller Ecken und Kanten, das Ergebnis zu einem sinn­vollen orga­ni­schen Bild zusammenfügt.

Legosteine zum Leben erweckt
Lego­steine zum Leben erweckt

Was faszi­niert Sie an Orang-Utans?
Mich faszi­nieren gene­rell intel­li­gente Tiere. Vom Kopf­füßer bis zum Raben­vogel. Aller­dings sind Orang-Utans eine außer­ge­wöhn­liche Spezies. Selbst unter den Primaten. Insbe­son­dere die tech­ni­sche Intel­li­genz ist ganz beson­ders ausge­prägt. Ihre Neugier und die Fähig­keit zur Anti­zi­pa­tion sowie zur Problem­lö­sung sind bemer­kens­wert. Aller­dings mag ich Orang-Utans auch wegen ihres Sozi­al­ver­hal­tens. Natür­lich ist das aggres­sive Poten­tial bei Menschen und anderen Primaten manchmal ein evolu­tio­närer Vorteil. Aller­dings finde ich das Wesen des Orang-Utans sehr viel sympathischer.

Wie lange arbeiten Sie an einem so großen Modell? Und was sind die größten Herausforderungen?
Ich brauche Monate für ein großes Projekt. Die effek­tive Zeit kann ich nicht benennen.
Da ich kein Digi­tal­pro­gramm benutze, ist die Form zunächst gene­rell ein Problem. Man kann sagen, dass ich jedes Körper­teil mindes­tens zweimal gebaut habe, bis ich zufrieden bin. Aller­dings machen mir die Maße beson­ders zu schaffen. Ich versuche mitt­ler­weile immer in Origi­nal­größe zu bauen. Dafür braucht man relativ eindeu­tige Maßan­gaben. Diese sind jedoch schwer zu recher­chieren und auch schwer umzu­setzen. Meis­tens gibt es nur Angaben zur Kopf-Rumpf­länge. Häufig nicht einmal das! Ich muss sehr viel abschätzen. Außerdem bin ich auf die Form und Größe der Steine zurück­ge­worfen. Da muss ich manchmal Kompro­misse machen. Am Ende zählt der Gesamteindruck.

Die Natur zum Vorbild
Die Natur zum Vorbild

Was sind Ihre Vorlagen? Wie gehen Sie so ein Projekt an?
Wenn ich eine Idee für ein Modell habe, sammle ich Fotos aus Büchern und dem Internet. Ich suche verschie­dene Quellen mit Größen­an­gaben. Aber die sind, wie bereits gesagt, meis­tens unbe­frie­di­gend. Manchmal fertige ich auch einfache, lebens­große Skizzen an, um die Propor­tionen einzu­schätzen. Die endgül­tige Haltung und die Größe können aber während des Entste­hungs­pro­zesses leicht abweichen.

Wir haben gelesen, dass Sie Ihre Tier- und Mensch­mo­delle mit dem Gesicht starten. Warum bauen Sie nicht von unten nach oben?
Von unten nach oben zu bauen macht natür­lich Sinn, wenn man eine Anlei­tung hat. Aber ich stehe erst einmal vor dem „Nichts“ und muss einen Anfang finden. Also fange ich mit dem Wich­tigsten an. Wenn das dann nicht funk­tio­niert, brauche ich gar nicht erst weiter­zu­ma­chen. Und das Gesicht, insbe­son­dere die Augen, sind für uns Menschen nun mal am wich­tigsten, um das Gegen­über als Lebe­wesen wahrzunehmen.
Der Rest wächst dann meis­tens von oben nach unten. Ich schätze dabei die Größe und die Propor­tion anhand der bereits gebauten Partien ab. 

Das Modell ist fast lebensgroß
Das Modell ist fast lebensgroß

Von anderen Künst­lern hören wir immer wieder, wie schwierig es ist, gerade einen Orang-Utan ausdrucks­stark abzu­bilden. Können Sie davon auch ein Lied­chen singen?
Ehrlich gesagt nicht. Wenn man sich mit der Spezies beschäf­tigt und genau hinsieht, gibt es eigent­lich keinen Unter­schied zu der Darstel­lung von anderer Primaten. Alle haben eine spezi­fi­sche Physio­gnomie und eine typi­sche Mimik. Aller­dings sehe ich mir fast jeden Tag Bilder von Primaten und insbe­son­dere Orang-Utans an. Viel­leicht habe ich daher mehr Erfahrung. 

Bauen Sie nur zum Spaß und Zeit­ver­treib oder haben Sie eine Intention? 
Ich bin Künstler, daher ist das Bauen mit Lego­steinen mitt­ler­weile sehr viel mehr als ein Zeit­ver­treib. Meine Inten­tion ist es haupt­säch­lich Werke zu schaffen, die die Menschen faszi­nieren und unter­halten. Wenn ich dabei das Inter­esse für Zoologie wecke oder stärke, finde ich das sehr gut. Wenn ich sie auf die Bedro­hung von Orang-Utans aufmerksam machen sollte, umso besser! Aber ich möchte mit meiner Kunst nicht aufdring­lich sein. Ich habe eine Abnei­gung gegen Kunst, die dem Publikum eine Aussage aufdrängt. Das finde ich mehr als anma­ßend. Sogar respektlos, wenn sich der Künstler dabei für die hand­werk­li­chen Ausfüh­rung noch nicht einmal Mühe gibt und die Schöp­fungs­höhe allein in der Meta­ebene sieht.

Stellen Sie Ihre Modelle auch aus? Kann man sie irgendwo in natura bewundern?
Zurzeit nicht. Mal sehen, ob es viel­leicht nächstes Jahr die Möglich­keit gibt.

Stehen Sie in Kontakt zum Lego-Konzern? Haben die Inter­esse, Ihre Modelle in Parks, Läden o. ä. auszustellen?
Ich bin freier Künstler und habe bisher keinen Kontakt zum Legokonzern. 

Was sind Ihre nächsten Baupläne?
Ich habe noch einige unvoll­endete Projekte. Zum Beispiel einen Marabu, einen Kolk­raben und mehrere Personen. 

Bei so großen Modellen braucht man ja tausende von Steinen. Und sind sie fertig, nehmen sie viel Raum in der Wohnung ein. Wie muss man sich das bei Ihnen vorstellen? Begegnet man in Ihrer Wohnung überall Affen, Vögeln, Hunden und anderen Lego-Objekten? Oder nehmen Sie die Modelle nach einiger Zeit wieder auseinander?
Ich habe tatsäch­lich viele meiner Modelle hier in der Wohnung stehen. Teil­weise erin­nert es an Taxi­dermie. Wenn ich ein Modell voll­endet habe, nehme ich es in der Regel nicht mehr auseinander.
Ich bin jedoch selten endgültig mit einem Modell zufrieden. Daher kann es sein, dass ich später noch kleine Verän­de­rungen vornehme.

Noch mehr Modelle von Felix Jaensch können auf seiner Website und auf seinem Insta­gram-Profil bewun­dert werden.

 

Werden auch Sie zum BOS-Unter­stützer. Mit Ihrer Spende helfen Sie den Orang-Utans, dem Regen­wald und damit auch unserem Klima. Jeder Beitrag hilft.

Vorbe­rei­tungen auf ein Leben in freier Wildbahn

Vorbe­rei­tungen auf ein Leben in freier Wildbahn

Eines der wich­tigsten Krite­rien für eine erfolg­reiche Auswil­de­rung ist, sich in freier Wild­bahn selbst­ständig ernähren zu können. Norma­ler­weise lernen Orang-Utan-Kinder diese wich­tige Über­le­bens­fer­tig­keit von ihrer Mutter. Unsere Waisen­kinder in den BOS-Rettungs­zen­tren nehmen daher am mehr­jäh­rige Wald­schul­pro­gramm teil.

Je nach Verbrei­tungs­ge­biet und Wald­be­schaf­fen­heit ernähren sich Orang-Utans von etwa 100 bis zu knapp 400 verschie­denen Pflan­zen­arten (1). Dabei verzehren sie – je nach Gebiet – auch oft unter­schied­liche Teile der Pflanzen, wie etwa Frucht, Blüten, Blätter, Rinde oder Mark (1). Orang-Utans fressen primär Früchte – falls diese verfügbar sind. Zu den bevor­zugten Wald­früchten gehören zum Beispiel Mangos, verschie­dene Feigen­arten, Zibet­früchte, Lits­chip­flaumen und Jabon Früchte.

Wald-Mango
Wald-Mango

Neben Früchten werden auch Blätter, Blatt­sprossen, Ameisen, Termiten, Raupen, Grillen und andere Insekten, mine­ral­hal­tige Erde, Honig, gele­gent­lich sogar Vogel­eier und kleine baum­le­bende Wirbel­tiere (2) gefressen. In Zeiten von Frucht­knapp­heit verbringen Orang-Utans weniger Zeit damit, im Regen­wald umher­zu­streifen. Dann inves­tieren sie mehr Zeit in die Nahrungs­auf­nahme. Man kann sie oft dabei beob­achten, wie sie die Rinde von spezi­ellen Baum­arten entfernen, um an das Baum­kam­bium – eine nähr­stoff­reiche Schicht direkt unter der Rinde – heranzukommen.

Wie lange dauert es in freier Wild­bahn, bis das Jung­tier all das Know-how der Nahrungs­be­schaf­fung erlernt hat? 

Bis das Jung­tier ein ähnli­ches Nahrungs­spek­trum wie das der Mutter entwi­ckelt hat, dauert es etwa acht Jahre (siehe Grafik; 3).

Es dauert acht Jahre, bis das volle Nahrungsspektrum erreicht ist
 

 

Wie lernen Orang-Utan-Kinder? 

Orang-Utan-Mütter unter­richten ihren Nach­wuchs nicht aktiv, sondern Jung­tiere lernen durch Zuschauen und selbst­stän­diges Auspro­bieren. Im Laufe ihrer Entwick­lung bis zum Alter von etwa 15 Jahren, kommt es zu ca. 9.000 — 38.000 Zuschau-Sequenzen in denen Jung­tiere ihren Müttern ganz genau bei Nahrungs­wahl, Werk­zeug­ge­brauch und Nestbau zuschauen (4). Weib­liche Jung­tiere orien­tieren sich bei der Nahrungs­wahl vor allem an ihren Müttern oder anderen Weib­chen. Männ­liche Jung­tiere wählen, wenn sie älter werden, zuneh­mend fremde ausge­wach­sene Männ­chen als Vorbilder (5). In unseren Auffang­sta­tionen über­nehmen die speziell dafür ausge­bil­deten Pfleger:innen diese lang­jäh­rige, komplexe Aufgabe, um die Orang-Utan-Waisen­kinder best­mög­lich auf ein Leben in freier Wild­bahn vorzu­be­reiten. Eine Studie, die in unserem Rettungs­zen­trum Nyaru Menteng durch­ge­führt wurde (6), hat gezeigt, dass die Wald­schüler insge­samt mit über 100 verschie­denen Nahrungs­mit­teln konfron­tiert werden. Über 80 davon kommen natür­lich im Wald vor.

eine ausgewogene Ernähung schützt das Immunsystem
Eine ausge­wo­gene Ernäh­rung schützt das Immunsystem

Orang-Utans säugen ihr Junges bis zu neun Jahre lang – länger als alle Affen der Welt (7). Dies ist vermut­lich eine natür­liche Anpas­sung an Zeiten, in denen Nahrung knapp ist. Orang-Utans leben in Wäldern, die durch Dürre­pe­ri­oden gekenn­zeichnet sind und in denen Früchte nur zu bestimmten Zeiten reif werden. Um das benö­tigte Kalo­rien- und Nähr­stoff­pensum des Jung­tiers auszu­glei­chen, säugt die Mutter das Junge daher zusätz­lich über viele Jahre hinweg. Im ersten Lebens­jahr besteht die Nahrung ausschließ­lich aus Milch, dann kommen nach und nach andere Nahrungs­mittel hinzu. Auch unsere Waisen­kinder bekommen, abhängig von ihrem Alter, Milch­er­satz von den Pfleger:innen ange­boten. Junge Orang-Utans unter einem Jahr werden mit einem, auf die indi­vi­du­ellen Ernäh­rungs­be­dürf­nisse ange­passten, Voll­milch­er­satz aus der Flasche gefüt­tert. Diese Milch ist für mensch­liche Säug­linge gemacht und enthält Molken­pro­tein, Laktose, Soja, Mine­ral­stoffe, Spuren­ele­mente, Anti­oxi­dan­tien, Vitamine und Probio­tika. Ältere Orang-Utans, die schon gezahnt haben und feste, pflanz­liche Kost zu sich nehmen können, bekommen lokal herge­stellte Soja­milch als Ergän­zung. Soja­ei­weiß hat eine hohe biolo­gi­sche Wertig­keit und ist daher eine wert­volle Proteinquelle.

Orang-Utan Babys bleiben rund acht Jahre bei ihrer Mutter
Das Junge wird bis zu neun Jahre lang gesäugt

Früchte. Das Jung­tier muss lernen, welche Früchte essbar sind, wo und zu welcher Jahres­zeit man sie findet und wie man sie frisst. Ganze, weiche Früchte wie wilde Feigen und Guaven zu essen ist einfach. Unsere fort­ge­schrit­tenen Wald­schüler müssen lernen, wie sie Früchte mit harter Schale, wie zum Beispiel Durian Früchte, bear­beiten müssen. In der Wald­schule lernen sie Tech­niken, auch hart­scha­lige Früchte zu knacken, zu schälen und aufzu­bre­chen, um an das Frucht­fleisch und die Samen heran­zu­kommen. Im Regen­wald befinden sich die Früchte oft in zehn bis 15 Metern Höhe. Daher werden die Tiere von den Baby­sit­te­rinnen immer wieder ermun­tert, sich die Nahrung selbst vom Baum zu holen. Dazu werden Äste mit Früchten bespickt und diese auf höher im Baum gele­genen Nahrungs­platt­formen verteilt oder auf Obst-Spieße verteilt, die in die Höhe gehalten werden. Oder sie werden zu Früchte tragenden Bäumen im Wald geführt, um ihnen die Möglich­keit zu geben, ihre Klet­ter­fä­hig­keiten zu verfei­nern und diese selbst zu pflücken.

Baum­kam­bium. Das Baum­kam­bium, eine saftige Schicht unter der Rinde eines Baumes, ist während der Trocken­zeit eine wich­tige Nahrungs­quelle für Orang-Utans. Ihre Zähne sind kräftig und gut geeignet, die Rinde von bestimmten Bäumen aufzu­bre­chen und das Kambium heraus­zu­schälen. In der Wald­schule zeigen unsere Pfleger:innen den Orang-Utans, wie sie an das Kambium herankommen.

Insekten. Orang-Utans fressen Insekten. Auf dem Spei­se­plan stehen zum Beispiel Termiten, Ameisen, Bienen, Gall­wespen, Grillen, Raupen und Heim­chen. Je nach Beob­ach­tungs­ge­biet sind sie etwa vier bis 14 Prozent der Zeit, die sie mit Fressen verbringen, damit beschäf­tigt, die prote­in­rei­chen Krab­bel­tier­chen aus dem Holz zu schälen oder zu angeln (8, 9). Dabei verbringen die Männ­chen mehr Zeit damit, boden­be­woh­nende Termiten zu fressen, als Weib­chen oder junge Orang-Utans, die kaum Zeit in Boden­nähe verbringen (8). In der Wald­schule wird den Waisen zum Beispiel gezeigt, wie man verrot­tende Holz­stücke ablöst, um an die darin lebenden prote­in­rei­chen Lecker­bissen zu gelangen.

Wasser. Wasser nehmen Orang-Utans aus Blatt- und Blüten­kel­chen oder Baum­lö­chern zu sich. Sie tauchen dazu ihre Hand in das Loch und saugen dann das Wasser auf, das von den behaarten Armen tropft. Auch das muss gelernt sein!

Pflan­zen­mark. Das Abschälen des schüt­zenden Äußeren einer Pflanze legt ihr weiches, inneres Mark frei. Das Mark vieler Pflan­zen­arten ist eine wich­tige, immer verfüg­bare Nahrungs­quelle für Orang-Utans.

Blätter. Eine Analyse hat ergeben, dass Orang-Utans in freier Wild­bahn bevor­zugt prote­in­reiche, junge Blätter fressen (10). In der Wald­schule lernen die jungen Orang-Utans von den Baby­sit­te­rinnen, welche Blätter und Pflan­zen­teile essbar sind und wo sie zu finden sind.

Nach der Wald­schule ab auf die Insel! Nachdem die Wald­schüler das mehr­jäh­rige Trai­ning absol­viert haben, verbringen sie circa ein bis drei Jahre auf einer der Voraus­wil­de­rungs­in­seln. Diese Zeit­spanne ist nötig, um ihr Verhalten zu analy­sieren und ihre erlernten Fähig­keiten zu über­prüfen, ehe sie in den Regen­wald zurück­ge­bracht werden können. Im Durch­schnitt dauert der gesamte Reha­bi­li­ta­ti­ons­pro­zess, vom Ankommen in der Station bis zur Auswil­de­rung etwa zehn Jahre.

Eines unserer wich­tigsten Ziele ist es, mehr Regen­wald­flä­chen zu erwerben und zu Schutz­wald für unsere Orang-Utans umzu­wan­deln. Helfen auch Sie, diesen faszi­nie­renden Lebens­raum und seine gewal­tige Arten­viel­falt zu erhalten und zu schützen. Jeder Beitrag hilft.

 

Ein Beitrag von Dr. Isabelle Laumer

 

Refe­renzen:
1.    Anne E. Russon, Serge A. Wich, Marc Ancrenaz, Tomoko Kana­mori, Cheryl D. Knott, Noko Kuze, Helen C. Morrogh-Bernard, Peter Pratje, Hatta Ramlee, Peter Rodman, Azrie Sawang, Kade Sidi­yasa, Ian Singleton and Carel P. van Schaik (2009). Geogra­phic varia­tion in oran­gutan diets. In book: Oran­gutans: Geogra­phic Varia­tion in Beha­vi­oral Ecology and Conser­va­tion (pp.135–156) Publisher: Oxford Univer­sity Press.

2.    Sugard­jito, J., Nurhuda, N. Meat-eating beha­viour in wild orang utans, Pongo pygmaeus . Primates 22, 414–416 (1981).

3.    Schuppli C, Forss SI, Meulman EJ, Zweifel N, Lee KC, Rukmana E, Vogel ER, van Noor­dwijk MA, van Schaik CP. Deve­lo­p­ment of fora­ging skills in two oran­gutan popu­la­tions: needing to learn or needing to grow? Front Zool. (2016) Sep 29;13:43.

4.    Schuppli, C and van Schaik, C (2019). Social lear­ning among wild oran­gutans: is it affec­tive? In Clément, F and Dukes, D (eds), Foun­da­tions of Affec­tive Social Lear­ning: Concep­tua­li­sing the Trans­mis­sion of Social Value. Cambridge: Cambridge Univer­sity Press.

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