„Think Tank“ — Die Schule der Affen

Die zier­liche Indah und der statt­liche Azy sind die Stars des „Think Tank“, der Sprach­schule für Orang-Utans im Zoo von Washington. Menschen­affen können zwar aufgrund ihrer Anatomie nicht wirk­lich spre­chen, aber immer mehr Forscher wollen trotzdem mit den Tieren kommu­ni­zieren, um deren komplexe Denk­struk­turen zu verstehen.

Ein Abend mit Orang-Utan Mutter Inung und Indie

Ein Abend mit Orang-Utan Mutter Inung und Indie

Gemäch­lich klet­tert Inung, unser Orang-Utan-Weib­chen, das vor acht Jahren im Bukit Batikap Regen­wald ausge­wil­dert wurde, mit ihrem neuge­bo­renen Baby Indie durch das dichte Blät­ter­dach – stets darauf bedacht, stabile Äste beim Klet­tern auszu­wählen. Sie ist auf der Suche nach einem geeig­neten Schaf­platz, denn der Tag neigt sich bald dem Ende zu. Es war ein entspannter Tag, an dem sie mit ihrer Kleinen viele wohl­schme­ckende Früchte gefunden hat. Doch bevor sie und Indie sich zum Schlafen legen können, muss Inung erst ein Nest hoch oben in den Bäumen bauen.

Glück­li­cher­weise wird sie schnell fündig und beginnt mit der kompli­zierten Konstruk­tion. Der Regen­wald ist erfüllt von abend­li­chen Klängen, als aus der Ferne, ein soge­nannter ‘Long Call‘ erklingt. Inung erkennt an der indi­vi­du­ellen Struktur dieses komplexen Rufes, dass dieser von Indies Vater stammt. Entspannt baut sie weiter, um sich dann zusammen mit Indie zum Schlafen hinzu­legen. Was dieser Ruf bedeutet, und welche Infor­ma­tionen Inung dadurch über­mit­telt werden, erläu­tern wir später. Nun widmen wir uns erstmal dem Schlaf von Orang-Utans.

Dr. Isabelle Laumer ist Primatologin und forscht über Orang-Utans
Dr. Isabelle Laumer ist Prima­to­login und forscht über Orang-Utans

Was passiert im Schlaf?

Wenn wir schlafen, sinken Puls, Atem­fre­quenz und Blut­druck ab, die Gehirn­ak­ti­vität verän­dert sich und wir driften in verschie­dene Stadien der NREM Schlaf­phase (non-rapid eye move­ment ‘Schlaf ohne rasche Augen­be­we­gung‘ e.g. 1). Schlaf beim Menschen, Orang-Utans und anderen Säuge­tieren ist durch zykli­sche Phasen von NREM und REM Schlaf (rapid eye move­ment) gekenn­zeichnet. Im REM-Schlaf steigen Gehirn­ak­ti­vität, Puls- und Atem­fre­quenz wieder an, begleitet von einem verrin­gerten Tonus der Skelett­mus­ku­latur. Bewe­gungen, die man im Traum durch­lebt, werden so im Schlaf nicht ausge­führt (was bei Schlaf in einem Baum­nest fatal wäre). Während Menschen im Durch­schnitt sieben bis acht Stunden Schlaf benö­tigen, so ist die Schla­fens­zeit bei Säuge­tieren stark artspe­zi­fisch und reicht von rund zwei Stunden bei Elefanten (2) zu bis zu 20 Stunden bei manchen Fleder­maus­arten (3). Orang-Utans schlafen ähnlich lange wie der Mensch – etwa neun Stunden (4). Die Frage, ob Orang-Utans und andere Tiere träumen und ob sie sich dessen bewusst sind, kann bisher zumin­dest von rein wissen­schaft­li­cher Seite nicht beant­wortet werden. Aller­dings spre­chen die ähnli­chen Schlaf­phasen und andere Indi­zien dafür, dass zumin­dest Säuge­tiere wie Orang-Utans, ähnlich wie wir Menschen, Tages­er­leb­nisse im Traum reka­pi­tu­lieren (e.g. 5, 6).

Schlaf­nester bei Menschenaffen.

Alle vier Menschen­affen, Orang-Utans, Schim­pansen, Bonobos und Gorillas, schlafen in selbst­ge­bauten Schlaf­nes­tern. Die Nester werden selten wieder­holt genutzt und jeden Tag an einer neuen Stelle neu gebaut. Manchmal wird auch tags­über ein Nest konstru­iert, um etwa nach der Nahrungs­auf­nahme zu ruhen. Gorillas fallen etwas aus der Reihe, da sie ihre Nester, im Gegen­satz zu den anderen Menschen­affen, meist auf dem Boden errichten. Man geht davon aus, dass Menschen­affen Schlaf­nester bereits im Miozän, etwa vor 18–14 Millionen von Jahren (das ist der Zeit­punkt als Menschen­affen entwick­lungs­ge­schicht­lich entstanden sind), gebaut haben, als evolu­tio­näre Anpas­sung an ihre zuneh­mende Körper­größe und Schlaf­be­dürf­nisse. Inter­es­san­ter­weise ist das Nest­bauen nicht ange­boren. Menschen­af­fen­kinder müssen es erlernen (7).

Lernen ein stabiles, mehr­schich­tiges Schlaf­nest zu bauen – ein jahre­langes Unterfangen.

Schlafnester sind in mehreren Schichten aufgebaut
Schlaf­nester sind in mehreren Schichten aufgebaut

Junge Orang-Utans müssen von ihrer Mutter lernen, wie man ein stabiles Schlaf­nest hoch oben in den Baum­wip­feln baut. Diese komplexen, ovalen Gebilde bestehen oft aus bis zu sieben Schichten und können sogar ein 90kg schweres Männ­chen sicher tragen. Zual­ler­erst werden an einer geeig­neten Stelle im Baum – oft dort, wo sich eine Astgabel befindet – mehrere große Äste zur geplanten Mitte des Nestes umge­bogen. Diese bilden die Platt­form, auf der das eigent­liche Schlaf­nest entsteht. Dabei muss vorsichtig gear­beitet werden, damit die Äste beim Biegen nicht ausein­an­der­bre­chen und die Holz­fa­sern immer noch mitein­ander verbunden sind. Nun werden mittel­große und klei­nere Äste zur Mitte hinge­bogen und mit dem Unter­grund verwebt, so dass ein Latten­rost-ähnli­ches Gebilde entsteht. Im Verlauf von etwa einer halben Stunde werden weitere kurze Äste und Blätter von den umlie­genden Ästen gepflückt und geschickt mit dem Unter­grund zu einer Matratze verwebt. Je nach Bedarf, werden sogar Kopf­kissen und Decke aus Pflan­zen­ma­te­rial herge­stellt. Zum Schluss wird manchmal auch noch ein Dach aus großen Blät­tern über dem Nest konstru­iert – wer möchte schon im Schlaf nass geregnet werden?

Welche Höhe und welche Baum­arten werden bevorzugt?

Große erwach­sene Männ­chen bauen ihre Nester meist tiefer auf einer Höhe von etwa fünf bis neun Metern.  Die leichter gewich­tigen Weib­chen und klei­neren Männ­chen ohne sekun­däre Geschlechts­merk­male wie Wangen­wülste und Kehl­säcke (die bilden sich meist erst später aus), schlafen weiter oben im Baum, in einer Höhe von durch­schnitt­lich 10–14 Metern (8). Tag-Nester werden meist in größerer Höhe, zwischen 10 bis 24 Metern, errichtet.
Doch nicht nur eine bestimmte Höhe wird bevor­zugt. Man hat heraus­ge­funden, dass beson­ders Orang-Utan-Mütter Wert auf einen von dichten Blät­tern geschützten Platz im Baum legen (9). Vermut­lich um ihren Nach­wuchs vor poten­ti­ellen Gefahren, wie Wilde­rern oder den selten gewor­denen Sunda-Nebel­par­dern zu schützen. Je nach Gebiet und Beschaf­fen­heit des Regen­waldes, bevor­zugen Orang-Utans bestimmte Bäume als Schlaf­orte. In Zentral­ka­li­mantan nisten Orang-Utans am häufigsten in Bäumen der Fami­lien Elaeo­car­paceae, Euphor­biaceae und Anacar­diaceae (8). Das Holz dieser Bäume ist sehr stabil, und die Zweige weisen eine hohe Flexi­bi­lität auf. Inter­es­san­ter­weise scheinen manche dieser Baum­arten sogar pflanz­liche Inhalt­stoffe aufzu­weisen, die Insekten wie Moskitos abhalten.

Und nun enträt­seln wir die Botschaft des ‘Long Calls‘, die Inung von dem Männ­chen vernommen hat. Neueste Studien haben ergeben, dass dieser komplexe mehr­tei­lige Ruf, der bis zu 1500 Meter weit hörbar ist und in eine bestimmte Rich­tung geäu­ßert wird, den Weib­chen in der Umge­bung mitteilt, wohin es am nächsten Morgen geht. Das Revier eines Männ­chens über­schneidet sich oft mit dem von mehreren Weib­chen. Wenn das Männ­chen weiter­zieht, folgen ihm die Weib­chen. Somit planen männ­liche Orang-Utans schon einen Tag im Voraus, in welche Rich­tung es am nächsten Tag gehen soll (10, 11).

Eines unserer wich­tigsten Ziele ist es, mehr Regen­wald­flä­chen zu erwerben und zu Schutz­wald für unsere Orang-Utans umzu­wan­deln. Helfen auch Sie diesen faszi­nie­renden Lebens­raum und seine gewal­tige Arten­viel­falt zu erhalten und zu schützen. Werden auch Sie zum BOS-Unter­stützer. Mit ihrer Spende helfen sie den Orang-Utans und dem Regen­wald! Jeder Beitrag hilft.

Text:
Dr. Isabelle Laumer

Refe­renzen:

1.    Rasch B, and Born J. (2013) About sleep’s role in memory. Physio­lo­gical Reviews 93(2):681–766.

2.    Gravett N, Bhag­wandin A, Sutcliffe R, Landen K, Chase MJ, Lyamin OI, Siegel JM, and Manger PR (2017). Inactivity/sleep in two wild free-roaming African elephant matri­archs — Does large body size make elephants the shor­test mamma­lian slee­pers? PLOS ONE 12:e0171903.

3.    Zepelin H, Rcht­schaffen A (1974). Mamma­lian Sleep, Longe­vity, and Energy Meta­bo­lism. Brain Beha­vior and Evolu­tion 10:425–470.

4.    Samson DR, Shumaker RW (2013). Docu­men­ting oran­gutan sleep archi­tec­ture: slee­ping plat­form comple­xity increases sleep quality in captive Pongo. BEHAVIOUR 150:845–861.

5.    PR Manager, JM Siegel (2020) Do all mammals dream? The Journal of Compa­ra­tive Neuro­logy Rese­arch in Systems Neuro­sci­ence. DOI 10.1002/cne.24860.

6.    HF Olaf­s­dottir, C Barry , AB Saleem, D Hass­a­bism, H J Spiers (2015) Hippo­campal place cells cons­truct reward related sequences through unex­plored space. eLife; 4:e06063.

7.    Videan EN. 2006. Bed-buil­ding in captive chim­pan­zees (Pan troglo­dytes): the importance of early rearing. American Journal of Prima­to­logy 68(7):745–751.

8.    Didik Prasetyo, Sri Suci Utami, Jatna Supri­jatna (2012) Nest struc­tures in Bornean oran­gutans. Journal Biologi Indo­nesia 8 (2): 217–227.

9.    Arora, N., Van Noor­dwijk, M.A., Acker­mann, C., Willems, E.P., Nater, A., Greminger, M., Niet­lis­bach, P., Dunkel, L.P., Atmoko, S.U., Pamungkas, J., Perwi­ta­sari-Fara­jallah, D., (2012) Paren­tage-based pedi­gree recon­s­truc­tion reveals female matri­li­neal clus­ters and male-biased dispersal in nongre­ga­rious Asian great apes, the Bornean oran­gutans (Pongo pygmaeus). Mol. Ecol. 21 (13), 3352–3362.

10.    van Schaik CP, Dame­rius L, Isler K (2013) Wild Oran­gutan Males Plan and Commu­ni­cate Their Travel Direc­tion One Day in Advance. PLoS ONE 8(9): e74896.

11.    Askew J, A, Morrogh-Bernard H, C (2016) Acou­stic Charac­te­ristics of Long Calls Produced by Male Orang-Utans (Pongo pygmaeus wurmbii): Adver­ti­sing Indi­vi­dual Iden­tity, Context, and Travel Direc­tion. Folia Primatol; 87:305–319.

12.    F Fauzi, Suemarno, A Afandhi, AS Leksono (2020) Nesting beha­vior of Bornean imma­ture oran­gutan (Pongo pygmaeus wurmbii) in Nyaru Menteng Arbo­retum School, Palangka Raya, Central Kali­mantan, Indo­nesia; Biodi­ver­sitas: Volume 21, 5, 2172–2179.

 

Ein Fall für Lesch und Steffens

„Alter­na­tive Fakten“ haben Konjunktur. Die Wahr­heit kommt dabei unter die Räder. Harald Lesch und Dirk Stef­fens verfolgen Verschwö­rungs­ideo­lo­gien und entde­cken immer die glei­chen Muster. Verschwö­rungs­ideo­lo­gien verbreiten sich heute mit Licht­ge­schwin­dig­keit um die Welt. Dabei gewinnen die großen Fragen an Bedeu­tung: Woran glauben wir? Was können wir wissen — und wem vertrauen? Doch Verschwö­rungs­my­then wurden früher auch schon gezielt in die Welt gesetzt.

Nie zuvor haben Menschen über so viel Wissen verfügt wie heute — und dieses Wissen gerät immer häufiger in Verruf. Während die Welt die größte Krise der vergan­genen Jahr­zehnte erlebt, verfallen immer mehr Menschen dem Irrglauben von Verschwö­rungs­ideo­lo­gien. Sie halten das neue Coro­na­virus für eine Biowaffe oder alter­nativ für eine gigan­ti­sche Lüge der Regie­rungen. Kondens­streifen sind mit böser Absicht von „Mäch­tigen“ ausge­brachte Chem­trails. Der Klima­wandel ist ein inter­es­sen­ge­lei­teter Mythos. Die Liste ließe sich noch fort­setzen. Ins Kreuz­feuer gerät dabei ausge­rechnet eine Säule der Gesell­schaft, die seriös und mit objek­tiven Methoden ermit­telte Fakten liefert: die Wissen­schaft. Grund genug für Astro­phy­siker Harald Lesch und Wissen­schafts­jour­na­list Dirk Stef­fens zu erfor­schen, welches der Nähr­boden für Verschwö­rungs­my­then ist und wie diese sich entlarven lassen. Dabei ist es nicht immer einfach, Lüge von Wahr­heit zu unter­scheiden. Die beiden beginnen bei einer abstrus klin­genden, wenn­gleich harm­losen Idee: Soge­nannte Flacherdler behaupten, die Erde sei eine Scheibe und würde flach wie eine Flunder durchs Weltall schweben. Am Ratze­burger See zeigen Lesch und Stef­fens in einem Expe­ri­ment — das jeder Skep­tiker selbst durch­führen könnte, wenn er wollte -, dass diese Vorstel­lung mit der Wirk­lich­keit nichts zu tun hat. Doch für Verschwö­rungs­gläu­bige ist die Fakten­lage neben­säch­lich. Im Gespräch mit Giulia Silber­berger, die seit Jahren Aufklä­rungs­ar­beit über Verschwö­rungs­ideo­lo­gien leistet, erfährt Harald Lesch, welchen Sog solche Glau­bens­ge­mein­schaften ausüben können und wer letzt­lich vom Irrglauben der Anhänger profi­tiert. Dirk Stef­fens will selbst erfahren, ob man am Himmel giftige Wolken, Chem­trails, erzeugen kann. Mit einem erfah­renen Piloten steigt er zu einer aben­teu­er­li­chen Aktion auf — und spürt: Diese Flie­gerei kann tatsäch­lich krank machen. Doch das liegt eher an den hals­bre­che­ri­schen Loopings, die der Pilot fliegt. Für die myste­riösen strei­fen­ar­tigen Wolken am Himmel gibt es eine ganz simple wissen­schaft­liche Erklä­rung. Doch Chem­trail-Gläu­bige kann diese nicht über­zeugen. Mit einem Streifzug durch die Geschichte zeigen Harald Lesch und Dirk Stef­fens, dass Verschwö­rungs­ideo­lo­gien eine lange Tradi­tion haben. Manchmal ist ihr Ursprung ein beson­ders ausge­prägtes Macht­in­ter­esse. So wurden etwa die Tempel­ritter zu Opfern einer Verschwö­rung, weil sie ein will­kom­menes Feind­bild abgaben und die verbrei­tete Theorie glaub­haft schien: Man hatte schließ­lich schon immer vermutet, dass sie insge­heim Böses im Schilde führten. Spezi­fi­sche Inter­essen befeuern auch die Zweifler an der Klima­ver­än­de­rung durch menschen­ge­machte Treib­haus­gase. So erkunden Harald Lesch und Dirk Stef­fens, wie die Öl-Lobby bereits vor Jahr­zehnten aus dem Klima­wandel ein Schau­er­mär­chen machte, das noch heute seine Wirkung zeigt. Beim Erkunden der Mecha­nismen hinter Verschwö­rungs­ideo­lo­gien offen­baren sich Gemein­sam­keiten, die zeigen, wieso zu allen Zeiten immer wieder Menschen dem „Virus“ von Verschwö­rungs­ideo­lo­gien verfallen. Selbst das Aufde­cken der Wahr­heit, selbst wissen­schaft­liche Belege sind kein Garant dafür, dass Lügen und längst wider­legte Theo­rien verschwinden. Auf einer aufre­genden Reise durch die Welt der Verschwö­rungs­ideo­lo­gien begegnen Lesch und Stef­fens Geschichten von „Flacherd­lern“, Chem­trai­lern und Klima­leug­nern. Sie tauchen ein in die Welt der Tempel­ritter, erkunden geheime Machen­schaften der CIA und gehen der Frage nach, was die Pest mit Verschwö­rungs­glauben zu tun hat. Die beiden erleben, wie Verschwö­rungs­theo­rien die Gesell­schaft spalten und einen gesell­schaft­li­chen Konsens schwie­riger machen. Doch für Lesch und Stef­fens ist klar: Aufgeben ist keine Option. Denn es gibt etwas, das sich immer lohnt: das Streiten für die Wahrheit.

Ein ganz normaler Tag in der Waldschule

Ein ganz normaler Tag in der Waldschule

Für unsere kleinen Orang-Utan-Waisen gibt es keine Ferien. Jeden Tag gehen sie in den Wald­kin­der­garten oder die Wald­schule, um gemeinsam mit den anderen alles zu lernen, was sie für ein Leben in der Wildnis brau­chen. Dabei sieht es ganz so aus, als würde ihnen das Lernen sehr viel Spaß machen. Und so soll es auch sein.

Probieren geht über studieren

Genau wie ihre mensch­li­chen Verwandten, müssen unsere Orang-Utan-Kinder lernen, ihr Bett zu machen. Der Unter­schied zu uns ist: Orang-Utans schlafen hoch oben im Baum in Nestern, die sie jeden Tag neu bauen. Das will gelernt sein. Die ganz Kleinen fangen mit der Nestbau-Lektion erst einmal auf dem Wald­boden an. Für die Fort­ge­schrit­tenen – ab einem Alter von zwei bis drei Jahren – geht es dann schritt­weise immer höher hinaus, ange­leitet von den Baby­sit­te­rinnen. Zuerst werden alle mögli­chen Äste auf ihre Trag­fä­hig­keit geprüft und passend zurecht­ge­bogen. Das erfor­dert schon so manche Anstren­gung und elegantes Hangeln zwischen den Bäumen.
Steht das Grund­ge­rüst aus Ästen, wird das Nest mit Blät­tern ausge­legt. Jede neue Schicht wird mit viel „Haudrauf“ passend zurecht geklopft. Manchmal legen die kleinen Racker auch eine Essens­pause ein und schieben sich einen Teil des Bauma­te­rials genüss­lich in den Mund. Ein Snack geht immer, das gehört bei Orang-Utans einfach dazu. Nachdem dann Äste und Blätter endlich zu einem Nest geformt sind, wird erst einmal ausgiebig Probe gelegen. Probieren geht bekannt­lich über studieren.

Leckere Snacks als Lernanreiz

Orang-Utans sind in der freien Wild­bahn jeden Tag rund sechs Stunden damit beschäf­tigt, Futter zu finden. Diese Vorliebe fürs Essen machen sich ihre Baby­sit­te­rinnen zunutze, indem sie die Lern­erfolge ihrer Schütz­linge mit begehrten Lecke­reien belohnen. Eine Banane zu schälen gehört dabei zu den einfachsten Übungen, das kann jedes Baby. Etwas anspruchs­voller ist da schon das Knacken einer Kokos­nuss: Erst schälen und die Nuss dann mit voller Wucht auf eine harte Kante schlagen. Die mensch­li­chen Ersatz­mütter machen es immer wieder vor, bis die Kleinen es selbst können. Wenn dann die Nuss split­tert und das köst­liche Frucht­fleisch frei gibt, ist die Freude groß. Einige Tiere sind hier talen­tierter als andere – dann kommt es schon mal vor, dass dieje­nigen, denen das Öffnen nicht geglückt ist, die Kokos­nuss von einem Klas­sen­ka­me­raden klauen. Das ist zwar nicht so gedacht, kann aber eben­falls eine ziel­füh­rende Über­le­bens­stra­tegie im Dschungel sein.

Lernen von den anderen

In der Wildnis lernen die kleinen Orang-Utans bis zu acht Jahre lang von ihren Müttern. Das geschieht, indem die Kleinen nach­ma­chen, was ihre Mütter ihnen zeigen. In der Dschun­gel­schule über­nehmen die Baby­sit­te­rinnen diese Aufgabe so gut es geht. Doch auch von den älteren, erfah­re­neren Tieren lernen die kleinen Orang-Utans. Zum Beispiel was den Gebrauch von Werk­zeugen angeht, oder die Fähig­keit, möglichst sicher von einem Baum zum anderen zu hangeln. Hier sind die anderen Orang-Utans auch deut­lich bessere Lehrer als die mensch­li­chen Ersatz­mütter. Wen wundert’s…

Mit dem richtigen Werkzeug geht es
Mit dem rich­tigen Werk­zeug geht es

Freund oder Feind?  Eine lebens­wich­tige Erkenntnis

Manche Lern­erfah­rungen sind für die kleinen Schü­le­rinnen und Schü­lern nicht ganz so erfreu­lich. So müssen sie zum Beispiel lernen, Freund und Feind zu unter­scheiden. Dafür werden die von Natur sehr neugie­rigen und fried­li­chen Orang-Utan-Kinder in ihrem natür­li­chen Flucht­ver­halten geschult. Und so kommt es immer mal wieder vor, dass wenn die Tiere in ihr Spiel vertieft sind oder grade essen, eine mensch­liche Ersatz­mutter plötz­lich mit einer Schlan­gen­at­trappe um die Ecke kommt! Dann ist die Aufre­gung unter den kleinen Orang-Utans groß und sie laufen laut schreiend hinter einen Baum oder klet­tern hoch in die Äste. Und so soll es auch sein. Zwar sind nicht alle 160 im Regen­wald von Borneo vorkom­menden Schlan­gen­sorten für Orang-Utans gefähr­lich. Aber im Ange­sicht einer Schlange schnell das Weite zu suchen, ist hier immer die bessere Lösung.

Unsere Orang-Utan-Kinder lernen jeden Tag dazu. Unter­stützen Sie diese Orang-Utan-Babys auf dem Weg in die Freiheit.

 

 

Malika und das selt­same Geräusch

Malika und das selt­same Geräusch

Jeder Orang-Utan ist anders. Genau wie wir Menschen hat jeder seine ganz eigene, einzig­ar­tige Persön­lich­keit. Die einen sind offen und zuge­wandt, andere spielen und tollen gern den ganzen Tag wild mit der Gruppe herum, und wieder andere haben am liebsten ihre Ruhe. Malika ist so eine Einzel­gän­gerin. Die sechs­jäh­rige Wald­schü­lerin, die in unserem Schutz­zen­trum Nyaru Menteng lebt, ist am liebsten auf eigene Faust unter­wegs, um die Welt zu entdecken. 

Was brummt denn da?

Malika ist gern allein unterwegs
Malika ist gern allein unterwegs

So saß Malika auch vor einigen Wochen in der Nähe eines verrot­teten Baum­stammes und kaute genüss­lich auf ein paar Blät­tern herum. Plötz­lich hielt sie inne. Etwas hatte ihre Aufmerk­sam­keit geweckt – ein Geräusch! Malika ließ von den Blät­tern ab und näherte sich vorsichtig dem Baum, von dem die Geräu­sche zu kommen schienen. Stille. Sie suchte nach einem passenden Ast und klopfte ein paarmal kräftig gegen den morschen Baum­stamm. Offenbar war die junge Menschen­af­fen­dame von ihrem eigenen Mut über­rascht, denn sie umarmte sich ganz kurz selbst. Junge Orang-Utans machen das in Erman­ge­lung ihrer Mutter manchmal, um sich selbst zu beru­higen. Dann flitzte Malika wie der Blitz ein paar Meter weiter und blieb in sicherer Entfer­nung von dem Baum stehen. Noch immer Stille. 

Doch so schnell gab Malika nicht auf. Von ihrer Neugier getrieben, trabte sie zum Stamm zurück – um ihn erneut mit dem Ast zu bear­beiten. Dieses Mal klopfte sie etwas vorsich­tiger…. Plötz­lich ertönte ein tiefes, lang­an­hal­tendes Brummen aus dem Inneren des Baumes! Das Geräusch drang aus den murmel­großen Löchern im Stamm und schien durch sie akus­tisch noch verstärkt zu werden. Malikas Neugier war größer als ihr Unbe­hagen vor dem unbe­kannten Geräusch. Wieder nahm sie den Ast und klopfte gegen den Baum, dabei schlug sie mal kräf­tiger und mal sanfter. Es war offen­sicht­lich, dass das Geräusch sie total faszinierte.

Des Rätsels Lösung

konzentrierter Blick
Konzen­trierter Blick

Dann kam plötz­lich ein riesiger Käfer aus dem Stamm heraus­ge­flogen und entfernte sich laut brum­mend vom Ort des Gesche­hens. Offenbar hatte er sich durch Malikas Klopfen gestört gefühlt und suchte nun das Weite. Das Rätsel um das selt­same Brummen war gelöst! Malika sah dem Käfer hinterher, bis er außer Sicht­weite war, und widmete sich dann wieder genüss­lich ihren Blättern. 

Malika gehört zu den neugie­rigsten Orang-Utans ihrer Gruppe. Bei ihren Allein­gängen durch das Regen­wald­klas­sen­zimmer sammelt sie viele wert­volle Erfah­rungen, die dazu beitragen, ihre Über­le­bens­fä­hig­keiten und natür­li­chen Verhal­tens­weisen weiter zu entwi­ckeln. So ist sie bestens gewappnet, um eines Tages sicher in die Wildnis entlassen werden zu können.

Werden auch Sie zum BOS-Unter­stützer. Mit Ihrer Spende helfen Sie den Orang-Utans, dem Regen­wald und damit auch unserem Klima. Jeder Beitrag hilft.