Die zierliche Indah und der stattliche Azy sind die Stars des „Think Tank“, der Sprachschule für Orang-Utans im Zoo von Washington. Menschenaffen können zwar aufgrund ihrer Anatomie nicht wirklich sprechen, aber immer mehr Forscher wollen trotzdem mit den Tieren kommunizieren, um deren komplexe Denkstrukturen zu verstehen.
Gemächlich klettert Inung, unser Orang-Utan-Weibchen, das vor acht Jahren im Bukit Batikap Regenwald ausgewildert wurde, mit ihrem neugeborenen Baby Indie durch das dichte Blätterdach – stets darauf bedacht, stabile Äste beim Klettern auszuwählen. Sie ist auf der Suche nach einem geeigneten Schafplatz, denn der Tag neigt sich bald dem Ende zu. Es war ein entspannter Tag, an dem sie mit ihrer Kleinen viele wohlschmeckende Früchte gefunden hat. Doch bevor sie und Indie sich zum Schlafen legen können, muss Inung erst ein Nest hoch oben in den Bäumen bauen.
Glücklicherweise wird sie schnell fündig und beginnt mit der komplizierten Konstruktion. Der Regenwald ist erfüllt von abendlichen Klängen, als aus der Ferne, ein sogenannter ‘Long Call‘ erklingt. Inung erkennt an der individuellen Struktur dieses komplexen Rufes, dass dieser von Indies Vater stammt. Entspannt baut sie weiter, um sich dann zusammen mit Indie zum Schlafen hinzulegen. Was dieser Ruf bedeutet, und welche Informationen Inung dadurch übermittelt werden, erläutern wir später. Nun widmen wir uns erstmal dem Schlaf von Orang-Utans.
Was passiert im Schlaf?
Wenn wir schlafen, sinken Puls, Atemfrequenz und Blutdruck ab, die Gehirnaktivität verändert sich und wir driften in verschiedene Stadien der NREM Schlafphase (non-rapid eye movement ‘Schlaf ohne rasche Augenbewegung‘ e.g. 1). Schlaf beim Menschen, Orang-Utans und anderen Säugetieren ist durch zyklische Phasen von NREM und REM Schlaf (rapid eye movement) gekennzeichnet. Im REM-Schlaf steigen Gehirnaktivität, Puls- und Atemfrequenz wieder an, begleitet von einem verringerten Tonus der Skelettmuskulatur. Bewegungen, die man im Traum durchlebt, werden so im Schlaf nicht ausgeführt (was bei Schlaf in einem Baumnest fatal wäre). Während Menschen im Durchschnitt sieben bis acht Stunden Schlaf benötigen, so ist die Schlafenszeit bei Säugetieren stark artspezifisch und reicht von rund zwei Stunden bei Elefanten (2) zu bis zu 20 Stunden bei manchen Fledermausarten (3). Orang-Utans schlafen ähnlich lange wie der Mensch – etwa neun Stunden (4). Die Frage, ob Orang-Utans und andere Tiere träumen und ob sie sich dessen bewusst sind, kann bisher zumindest von rein wissenschaftlicher Seite nicht beantwortet werden. Allerdings sprechen die ähnlichen Schlafphasen und andere Indizien dafür, dass zumindest Säugetiere wie Orang-Utans, ähnlich wie wir Menschen, Tageserlebnisse im Traum rekapitulieren (e.g. 5, 6).
Schlafnester bei Menschenaffen.
Alle vier Menschenaffen, Orang-Utans, Schimpansen, Bonobos und Gorillas, schlafen in selbstgebauten Schlafnestern. Die Nester werden selten wiederholt genutzt und jeden Tag an einer neuen Stelle neu gebaut. Manchmal wird auch tagsüber ein Nest konstruiert, um etwa nach der Nahrungsaufnahme zu ruhen. Gorillas fallen etwas aus der Reihe, da sie ihre Nester, im Gegensatz zu den anderen Menschenaffen, meist auf dem Boden errichten. Man geht davon aus, dass Menschenaffen Schlafnester bereits im Miozän, etwa vor 18–14 Millionen von Jahren (das ist der Zeitpunkt als Menschenaffen entwicklungsgeschichtlich entstanden sind), gebaut haben, als evolutionäre Anpassung an ihre zunehmende Körpergröße und Schlafbedürfnisse. Interessanterweise ist das Nestbauen nicht angeboren. Menschenaffenkinder müssen es erlernen (7).
Lernen ein stabiles, mehrschichtiges Schlafnest zu bauen – ein jahrelanges Unterfangen.
Junge Orang-Utans müssen von ihrer Mutter lernen, wie man ein stabiles Schlafnest hoch oben in den Baumwipfeln baut. Diese komplexen, ovalen Gebilde bestehen oft aus bis zu sieben Schichten und können sogar ein 90kg schweres Männchen sicher tragen. Zuallererst werden an einer geeigneten Stelle im Baum – oft dort, wo sich eine Astgabel befindet – mehrere große Äste zur geplanten Mitte des Nestes umgebogen. Diese bilden die Plattform, auf der das eigentliche Schlafnest entsteht. Dabei muss vorsichtig gearbeitet werden, damit die Äste beim Biegen nicht auseinanderbrechen und die Holzfasern immer noch miteinander verbunden sind. Nun werden mittelgroße und kleinere Äste zur Mitte hingebogen und mit dem Untergrund verwebt, so dass ein Lattenrost-ähnliches Gebilde entsteht. Im Verlauf von etwa einer halben Stunde werden weitere kurze Äste und Blätter von den umliegenden Ästen gepflückt und geschickt mit dem Untergrund zu einer Matratze verwebt. Je nach Bedarf, werden sogar Kopfkissen und Decke aus Pflanzenmaterial hergestellt. Zum Schluss wird manchmal auch noch ein Dach aus großen Blättern über dem Nest konstruiert – wer möchte schon im Schlaf nass geregnet werden?
Welche Höhe und welche Baumarten werden bevorzugt?
Große erwachsene Männchen bauen ihre Nester meist tiefer auf einer Höhe von etwa fünf bis neun Metern. Die leichter gewichtigen Weibchen und kleineren Männchen ohne sekundäre Geschlechtsmerkmale wie Wangenwülste und Kehlsäcke (die bilden sich meist erst später aus), schlafen weiter oben im Baum, in einer Höhe von durchschnittlich 10–14 Metern (8). Tag-Nester werden meist in größerer Höhe, zwischen 10 bis 24 Metern, errichtet.
Doch nicht nur eine bestimmte Höhe wird bevorzugt. Man hat herausgefunden, dass besonders Orang-Utan-Mütter Wert auf einen von dichten Blättern geschützten Platz im Baum legen (9). Vermutlich um ihren Nachwuchs vor potentiellen Gefahren, wie Wilderern oder den selten gewordenen Sunda-Nebelpardern zu schützen. Je nach Gebiet und Beschaffenheit des Regenwaldes, bevorzugen Orang-Utans bestimmte Bäume als Schlaforte. In Zentralkalimantan nisten Orang-Utans am häufigsten in Bäumen der Familien Elaeocarpaceae, Euphorbiaceae und Anacardiaceae (8). Das Holz dieser Bäume ist sehr stabil, und die Zweige weisen eine hohe Flexibilität auf. Interessanterweise scheinen manche dieser Baumarten sogar pflanzliche Inhaltstoffe aufzuweisen, die Insekten wie Moskitos abhalten.
Und nun enträtseln wir die Botschaft des ‘Long Calls‘, die Inung von dem Männchen vernommen hat. Neueste Studien haben ergeben, dass dieser komplexe mehrteilige Ruf, der bis zu 1500 Meter weit hörbar ist und in eine bestimmte Richtung geäußert wird, den Weibchen in der Umgebung mitteilt, wohin es am nächsten Morgen geht. Das Revier eines Männchens überschneidet sich oft mit dem von mehreren Weibchen. Wenn das Männchen weiterzieht, folgen ihm die Weibchen. Somit planen männliche Orang-Utans schon einen Tag im Voraus, in welche Richtung es am nächsten Tag gehen soll (10, 11).
Eines unserer wichtigsten Ziele ist es, mehr Regenwaldflächen zu erwerben und zu Schutzwald für unsere Orang-Utans umzuwandeln. Helfen auch Sie diesen faszinierenden Lebensraum und seine gewaltige Artenvielfalt zu erhalten und zu schützen. Werden auch Sie zum BOS-Unterstützer. Mit ihrer Spende helfen sie den Orang-Utans und dem Regenwald! Jeder Beitrag hilft.
Text:
Dr. Isabelle Laumer
Referenzen:
1. Rasch B, and Born J. (2013) About sleep’s role in memory. Physiological Reviews 93(2):681–766.
2. Gravett N, Bhagwandin A, Sutcliffe R, Landen K, Chase MJ, Lyamin OI, Siegel JM, and Manger PR (2017). Inactivity/sleep in two wild free-roaming African elephant matriarchs — Does large body size make elephants the shortest mammalian sleepers? PLOS ONE 12:e0171903.
3. Zepelin H, Rchtschaffen A (1974). Mammalian Sleep, Longevity, and Energy Metabolism. Brain Behavior and Evolution 10:425–470.
5. PR Manager, JM Siegel (2020) Do all mammals dream? The Journal of Comparative Neurology Research in Systems Neuroscience. DOI 10.1002/cne.24860.
6. HF Olafsdottir, C Barry , AB Saleem, D Hassabism, H J Spiers (2015) Hippocampal place cells construct reward related sequences through unexplored space. eLife; 4:e06063.
7. Videan EN. 2006. Bed-building in captive chimpanzees (Pan troglodytes): the importance of early rearing. American Journal of Primatology 68(7):745–751.
8. Didik Prasetyo, Sri Suci Utami, Jatna Suprijatna (2012) Nest structures in Bornean orangutans. Journal Biologi Indonesia 8 (2): 217–227.
9. Arora, N., Van Noordwijk, M.A., Ackermann, C., Willems, E.P., Nater, A., Greminger, M., Nietlisbach, P., Dunkel, L.P., Atmoko, S.U., Pamungkas, J., Perwitasari-Farajallah, D., (2012) Parentage-based pedigree reconstruction reveals female matrilineal clusters and male-biased dispersal in nongregarious Asian great apes, the Bornean orangutans (Pongo pygmaeus). Mol. Ecol. 21 (13), 3352–3362.
10. van Schaik CP, Damerius L, Isler K (2013) Wild Orangutan Males Plan and Communicate Their Travel Direction One Day in Advance. PLoS ONE 8(9): e74896.
11. Askew J, A, Morrogh-Bernard H, C (2016) Acoustic Characteristics of Long Calls Produced by Male Orang-Utans (Pongo pygmaeus wurmbii): Advertising Individual Identity, Context, and Travel Direction. Folia Primatol; 87:305–319.
12. F Fauzi, Suemarno, A Afandhi, AS Leksono (2020) Nesting behavior of Bornean immature orangutan (Pongo pygmaeus wurmbii) in Nyaru Menteng Arboretum School, Palangka Raya, Central Kalimantan, Indonesia; Biodiversitas: Volume 21, 5, 2172–2179.
„Alternative Fakten“ haben Konjunktur. Die Wahrheit kommt dabei unter die Räder. Harald Lesch und Dirk Steffens verfolgen Verschwörungsideologien und entdecken immer die gleichen Muster. Verschwörungsideologien verbreiten sich heute mit Lichtgeschwindigkeit um die Welt. Dabei gewinnen die großen Fragen an Bedeutung: Woran glauben wir? Was können wir wissen — und wem vertrauen? Doch Verschwörungsmythen wurden früher auch schon gezielt in die Welt gesetzt.
Nie zuvor haben Menschen über so viel Wissen verfügt wie heute — und dieses Wissen gerät immer häufiger in Verruf. Während die Welt die größte Krise der vergangenen Jahrzehnte erlebt, verfallen immer mehr Menschen dem Irrglauben von Verschwörungsideologien. Sie halten das neue Coronavirus für eine Biowaffe oder alternativ für eine gigantische Lüge der Regierungen. Kondensstreifen sind mit böser Absicht von „Mächtigen“ ausgebrachte Chemtrails. Der Klimawandel ist ein interessengeleiteter Mythos. Die Liste ließe sich noch fortsetzen. Ins Kreuzfeuer gerät dabei ausgerechnet eine Säule der Gesellschaft, die seriös und mit objektiven Methoden ermittelte Fakten liefert: die Wissenschaft. Grund genug für Astrophysiker Harald Lesch und Wissenschaftsjournalist Dirk Steffens zu erforschen, welches der Nährboden für Verschwörungsmythen ist und wie diese sich entlarven lassen. Dabei ist es nicht immer einfach, Lüge von Wahrheit zu unterscheiden. Die beiden beginnen bei einer abstrus klingenden, wenngleich harmlosen Idee: Sogenannte Flacherdler behaupten, die Erde sei eine Scheibe und würde flach wie eine Flunder durchs Weltall schweben. Am Ratzeburger See zeigen Lesch und Steffens in einem Experiment — das jeder Skeptiker selbst durchführen könnte, wenn er wollte -, dass diese Vorstellung mit der Wirklichkeit nichts zu tun hat. Doch für Verschwörungsgläubige ist die Faktenlage nebensächlich. Im Gespräch mit Giulia Silberberger, die seit Jahren Aufklärungsarbeit über Verschwörungsideologien leistet, erfährt Harald Lesch, welchen Sog solche Glaubensgemeinschaften ausüben können und wer letztlich vom Irrglauben der Anhänger profitiert. Dirk Steffens will selbst erfahren, ob man am Himmel giftige Wolken, Chemtrails, erzeugen kann. Mit einem erfahrenen Piloten steigt er zu einer abenteuerlichen Aktion auf — und spürt: Diese Fliegerei kann tatsächlich krank machen. Doch das liegt eher an den halsbrecherischen Loopings, die der Pilot fliegt. Für die mysteriösen streifenartigen Wolken am Himmel gibt es eine ganz simple wissenschaftliche Erklärung. Doch Chemtrail-Gläubige kann diese nicht überzeugen. Mit einem Streifzug durch die Geschichte zeigen Harald Lesch und Dirk Steffens, dass Verschwörungsideologien eine lange Tradition haben. Manchmal ist ihr Ursprung ein besonders ausgeprägtes Machtinteresse. So wurden etwa die Tempelritter zu Opfern einer Verschwörung, weil sie ein willkommenes Feindbild abgaben und die verbreitete Theorie glaubhaft schien: Man hatte schließlich schon immer vermutet, dass sie insgeheim Böses im Schilde führten. Spezifische Interessen befeuern auch die Zweifler an der Klimaveränderung durch menschengemachte Treibhausgase. So erkunden Harald Lesch und Dirk Steffens, wie die Öl-Lobby bereits vor Jahrzehnten aus dem Klimawandel ein Schauermärchen machte, das noch heute seine Wirkung zeigt. Beim Erkunden der Mechanismen hinter Verschwörungsideologien offenbaren sich Gemeinsamkeiten, die zeigen, wieso zu allen Zeiten immer wieder Menschen dem „Virus“ von Verschwörungsideologien verfallen. Selbst das Aufdecken der Wahrheit, selbst wissenschaftliche Belege sind kein Garant dafür, dass Lügen und längst widerlegte Theorien verschwinden. Auf einer aufregenden Reise durch die Welt der Verschwörungsideologien begegnen Lesch und Steffens Geschichten von „Flacherdlern“, Chemtrailern und Klimaleugnern. Sie tauchen ein in die Welt der Tempelritter, erkunden geheime Machenschaften der CIA und gehen der Frage nach, was die Pest mit Verschwörungsglauben zu tun hat. Die beiden erleben, wie Verschwörungstheorien die Gesellschaft spalten und einen gesellschaftlichen Konsens schwieriger machen. Doch für Lesch und Steffens ist klar: Aufgeben ist keine Option. Denn es gibt etwas, das sich immer lohnt: das Streiten für die Wahrheit.
Für unsere kleinen Orang-Utan-Waisen gibt es keine Ferien. Jeden Tag gehen sie in den Waldkindergarten oder die Waldschule, um gemeinsam mit den anderen alles zu lernen, was sie für ein Leben in der Wildnis brauchen. Dabei sieht es ganz so aus, als würde ihnen das Lernen sehr viel Spaß machen. Und so soll es auch sein.
Probieren geht über studieren
Genau wie ihre menschlichen Verwandten, müssen unsere Orang-Utan-Kinder lernen, ihr Bett zu machen. Der Unterschied zu uns ist: Orang-Utans schlafen hoch oben im Baum in Nestern, die sie jeden Tag neu bauen. Das will gelernt sein. Die ganz Kleinen fangen mit der Nestbau-Lektion erst einmal auf dem Waldboden an. Für die Fortgeschrittenen – ab einem Alter von zwei bis drei Jahren – geht es dann schrittweise immer höher hinaus, angeleitet von den Babysitterinnen. Zuerst werden alle möglichen Äste auf ihre Tragfähigkeit geprüft und passend zurechtgebogen. Das erfordert schon so manche Anstrengung und elegantes Hangeln zwischen den Bäumen.
Steht das Grundgerüst aus Ästen, wird das Nest mit Blättern ausgelegt. Jede neue Schicht wird mit viel „Haudrauf“ passend zurecht geklopft. Manchmal legen die kleinen Racker auch eine Essenspause ein und schieben sich einen Teil des Baumaterials genüsslich in den Mund. Ein Snack geht immer, das gehört bei Orang-Utans einfach dazu. Nachdem dann Äste und Blätter endlich zu einem Nest geformt sind, wird erst einmal ausgiebig Probe gelegen. Probieren geht bekanntlich über studieren.
Leckere Snacks als Lernanreiz
Orang-Utans sind in der freien Wildbahn jeden Tag rund sechs Stunden damit beschäftigt, Futter zu finden. Diese Vorliebe fürs Essen machen sich ihre Babysitterinnen zunutze, indem sie die Lernerfolge ihrer Schützlinge mit begehrten Leckereien belohnen. Eine Banane zu schälen gehört dabei zu den einfachsten Übungen, das kann jedes Baby. Etwas anspruchsvoller ist da schon das Knacken einer Kokosnuss: Erst schälen und die Nuss dann mit voller Wucht auf eine harte Kante schlagen. Die menschlichen Ersatzmütter machen es immer wieder vor, bis die Kleinen es selbst können. Wenn dann die Nuss splittert und das köstliche Fruchtfleisch frei gibt, ist die Freude groß. Einige Tiere sind hier talentierter als andere – dann kommt es schon mal vor, dass diejenigen, denen das Öffnen nicht geglückt ist, die Kokosnuss von einem Klassenkameraden klauen. Das ist zwar nicht so gedacht, kann aber ebenfalls eine zielführende Überlebensstrategie im Dschungel sein.
Lernen von den anderen
In der Wildnis lernen die kleinen Orang-Utans bis zu acht Jahre lang von ihren Müttern. Das geschieht, indem die Kleinen nachmachen, was ihre Mütter ihnen zeigen. In der Dschungelschule übernehmen die Babysitterinnen diese Aufgabe so gut es geht. Doch auch von den älteren, erfahreneren Tieren lernen die kleinen Orang-Utans. Zum Beispiel was den Gebrauch von Werkzeugen angeht, oder die Fähigkeit, möglichst sicher von einem Baum zum anderen zu hangeln. Hier sind die anderen Orang-Utans auch deutlich bessere Lehrer als die menschlichen Ersatzmütter. Wen wundert’s…
Freund oder Feind? Eine lebenswichtige Erkenntnis
Manche Lernerfahrungen sind für die kleinen Schülerinnen und Schülern nicht ganz so erfreulich. So müssen sie zum Beispiel lernen, Freund und Feind zu unterscheiden. Dafür werden die von Natur sehr neugierigen und friedlichen Orang-Utan-Kinder in ihrem natürlichen Fluchtverhalten geschult. Und so kommt es immer mal wieder vor, dass wenn die Tiere in ihr Spiel vertieft sind oder grade essen, eine menschliche Ersatzmutter plötzlich mit einer Schlangenattrappe um die Ecke kommt! Dann ist die Aufregung unter den kleinen Orang-Utans groß und sie laufen laut schreiend hinter einen Baum oder klettern hoch in die Äste. Und so soll es auch sein. Zwar sind nicht alle 160 im Regenwald von Borneo vorkommenden Schlangensorten für Orang-Utans gefährlich. Aber im Angesicht einer Schlange schnell das Weite zu suchen, ist hier immer die bessere Lösung.
Jeder Orang-Utan ist anders. Genau wie wir Menschen hat jeder seine ganz eigene, einzigartige Persönlichkeit. Die einen sind offen und zugewandt, andere spielen und tollen gern den ganzen Tag wild mit der Gruppe herum, und wieder andere haben am liebsten ihre Ruhe. Malika ist so eine Einzelgängerin. Die sechsjährige Waldschülerin, die in unserem Schutzzentrum Nyaru Menteng lebt, ist am liebsten auf eigene Faust unterwegs, um die Welt zu entdecken.
Was brummt denn da?
So saß Malika auch vor einigen Wochen in der Nähe eines verrotteten Baumstammes und kaute genüsslich auf ein paar Blättern herum. Plötzlich hielt sie inne. Etwas hatte ihre Aufmerksamkeit geweckt – ein Geräusch! Malika ließ von den Blättern ab und näherte sich vorsichtig dem Baum, von dem die Geräusche zu kommen schienen. Stille. Sie suchte nach einem passenden Ast und klopfte ein paarmal kräftig gegen den morschen Baumstamm. Offenbar war die junge Menschenaffendame von ihrem eigenen Mut überrascht, denn sie umarmte sich ganz kurz selbst. Junge Orang-Utans machen das in Ermangelung ihrer Mutter manchmal, um sich selbst zu beruhigen. Dann flitzte Malika wie der Blitz ein paar Meter weiter und blieb in sicherer Entfernung von dem Baum stehen. Noch immer Stille.
Doch so schnell gab Malika nicht auf. Von ihrer Neugier getrieben, trabte sie zum Stamm zurück – um ihn erneut mit dem Ast zu bearbeiten. Dieses Mal klopfte sie etwas vorsichtiger…. Plötzlich ertönte ein tiefes, langanhaltendes Brummen aus dem Inneren des Baumes! Das Geräusch drang aus den murmelgroßen Löchern im Stamm und schien durch sie akustisch noch verstärkt zu werden. Malikas Neugier war größer als ihr Unbehagen vor dem unbekannten Geräusch. Wieder nahm sie den Ast und klopfte gegen den Baum, dabei schlug sie mal kräftiger und mal sanfter. Es war offensichtlich, dass das Geräusch sie total faszinierte.
Des Rätsels Lösung
Dann kam plötzlich ein riesiger Käfer aus dem Stamm herausgeflogen und entfernte sich laut brummend vom Ort des Geschehens. Offenbar hatte er sich durch Malikas Klopfen gestört gefühlt und suchte nun das Weite. Das Rätsel um das seltsame Brummen war gelöst! Malika sah dem Käfer hinterher, bis er außer Sichtweite war, und widmete sich dann wieder genüsslich ihren Blättern.
Malika gehört zu den neugierigsten Orang-Utans ihrer Gruppe. Bei ihren Alleingängen durch das Regenwaldklassenzimmer sammelt sie viele wertvolle Erfahrungen, die dazu beitragen, ihre Überlebensfähigkeiten und natürlichen Verhaltensweisen weiter zu entwickeln. So ist sie bestens gewappnet, um eines Tages sicher in die Wildnis entlassen werden zu können.
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