Meistens ist es der Hunger, der die sonst eher scheuen Orang-Utans in die Nähe von Menschen treibt. Mit jedem abgeholztem Baum schwindet ihr Lebensraum und dann müssen die friedlichen Menschenaffen anderswo nach Nahrung suchen. Das kann zu einem Problem werden, wenn ein Orang-Utan in einem von Menschen bewohnten Gebiet auftaucht. Genau das geschah vor einigen Wochen im Dorf Loesan in Ost-Kalimantan…
Freilebende Orang-Utans meiden normalerweise die Nähe zum Menschen
Die Bilder des imposanten Männchens mit seinen ausgeprägten Backenwülsten tauchten zuerst in den Sozialen Medien auf. Ein Video zeigte, wie der Orang-Utan von einem Bewohner des Dorfes mit Bananen, Jackfruits und Dosenmilch gefüttert wurde. Es war insgesamt ein merkwürdiges Szenario, da freilebende Orang-Utans den direkten Kontakt mit Menschen normalerweise meiden. Und tatsächlich waren die Menschen anfangs auch etwas erschrocken, als das große Tier plötzlich mitten im Ort auftauchte. Doch das Männchen verhielt sich völlig friedlich. So kamen die Dorfbewohner auf die Idee, ihn zu füttern – das war vielleicht gut gemeint, aber tatsächlich sollten Wildtiere nie mit menschlicher Nahrung gefüttert werden, die sich stark von ihren natürlichen Nahrungsquellen unterscheidet!
Das Rettungsteam machte sich sofort auf den Weg
Direkt nach der Ankunft des Menschenaffens riefen die Dorfbewohner die indonesische Naturschutzbehörde BKSDA an, die offiziell die erste Anlaufstelle für die Rettung von Orang-Utans ist. Sie stellte umgehend ein Team aus der Wildtierrettungsgruppe der BKSDA sowie Tierärzten und Pflegern von BOS zusammen. Die Gruppe machte sich sofort auf den Weg. Doch als sie im Dorf ankamen, war das Tier nirgends zu sehen. Das Männchen hatte sich ruhig wieder in den Wald zurückgezogen. Das Rettungsteam blieb in der Gegend und stellte eigenen Erkundungen an. Es dauerte vier Tage, dann tauchte der Orang-Utan im benachbarten Wald wieder auf.
Der Tierarzt machte den ersten Check direkt vor Ort
Das Team schaffte es, das Männchen zu sedieren und einzufangen. Bevor es zurück ins Rettungszentrum ging, führte unser aus Samboja Lestari mitgereister Tierarzt eine erste medizinische Untersuchung durch. Dabei stellte er fest, dass der Orang-Utan einen missgebildeten linken Zeigefinger und einen unter die Haut implantierten Mikrochip hatte – ein sicheres Zeichen dafür, dass das Tier schon einmal in menschlicher Obhut war! Eine Zahnuntersuchung ergab, dass das Männchen etwas zwanzig Jahre alt war. Das Team brachte ihn nach Samboja Lestari zur weiteren Untersuchung und gab ihm den vorläufigen Namen Loesan, nach dem Dorf, wo er eingefangen wurde.
Ankunft im Quarantänegehege
Wie alle Neuankömmlinge kam „Loesan“ erst einmal in das Quarantänegehege und wurde rund um die Uhr beobachtet. Diese Vorsichtsmaßnahme verhindert, dass Krankheiten in das Zentrum eingeschleppt werden. Das Veterinärteam führte eine gründliche Untersuchung durch, um seinen Gesundheitszustand genauer zu prüfen und Daten über ihn zu sammeln: Nach Abstrichen im Nasen- und Rachenraum sowie rektal wurde das Männchen geröntgt, Zähne und Zahnfleisch wurden untersucht und es wurden Proben von Blut, Sputum und Haaren entnommen. Er wurde gewogen (69 Kilogramm) und erhielt ein Entwurmungsmittel. Zuletzt noch Fingerabdrücke und DNA-Analyse. Alle Tests und entnommenen Proben zeigten, dass der Orang-Utan bei guter Gesundheit war.
Der Mikrochip enthüllte eine kleine Sensation
Ein besonders interessanter Fund war der Mikrochip, der unter seiner Haut implantiert war. Ein untrügliches Zeichen dafür, dass der Orang-Utan irgendwann in seiner Vergangenheit in einem Rehabilitationszentrum gewesen sein muss – dort werden alle Tiere mit einem solchen Mikrochip versehen, wenn sie ausgewildert werden.
Unser Team las den Mikrochip mit einem speziellen Scanner aus und verglich die Informationen mit unseren Bestandsdaten für Samboja Lestari – und die Überraschung war perfekt: Bei dem Männchen handelte es sich um Uli! Er war am 6. Februar 1998 aus Palangka Raya in Zentralkalimantan gerettet und nach Wanariset — unserem alten Orang-Utan-Rehabilitationszentrum — in Ostkalimantan gebracht wurde. Knapp eineinhalb Jahre später im September 1999 wurde er in einem sehr jungen Alter im Meratus Mountain Protection Forest ausgewildert. Jetzt ist Loesan, alias Uli, ungefähr 24 Jahre alt — er hat über 20 Jahre lang unabhängig von Menschen überlebt!
Nach der Zwischenstation wieder in die Wildnis zurück
Uli bleibt noch ein paar Monate unter Beobachtung in Quarantäne, bevor wir ihn auf eine unserer Vorauswilderungsinseln bringen. Dort soll er noch mal beweisen, dass er ohne menschliche Unterstützung im Regenwald leben kann, bevor wir ihn – weitab von menschlichen Siedlungen – wieder in der Wildnis Borneos auswildern können.
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Gute Neuigkeiten aus dem Kehje Sewen Wald: Unser Post-Release-Monitoring-Team entdeckte vor einiger Zeit – nur drei Gehminuten vom Camp Nles Manse entfernt – gleich drei Orang-Utans, die dabei waren, ihr Schlafnest zu bauen. Es war die 14jährige Signe, die 2015 ihren Sohn Bungaran im Samboja Lestari Rehabilitationszentrum zur Welt gebracht hatte. Ein Jahr später, Ende 2016, sind die beiden dann im Regenwald ausgewildert worden. Sie wurden immer wieder von unseren Teams gesichtet; beiden ging es gut.
Der heranwachsende Orang-Utan-Junge war zunehmend eigenständig, und als das Monitoring-Team Signe vor einem Jahr zuletzt sah, war sie ohne Bungaran unterwegs. Und jetzt war er wieder da.
Neuer Nachwuchs noch nicht mal ein Jahr alt
Doch was unser Monitoring-Team tatsächlich überraschte, war das Orang-Utan-Baby, das sie mit sich trug! Das Team schätzte den kleinen Jungen auf weniger als zwölf Monate. Normalerweise werden Orang-Utan-Weibchen nur alle acht bis neun Jahre schwanger, da es ungefähr acht Jahre dauert, einen kleinen Orang-Utan für sein eigenständiges Leben vorzubereiten. Doch offenbar war Bungaran so schnell selbständig geworden, dass Signe wieder bereit für ein weiteres Kind war.
Post-Release-Monitoring-Team dokumentiert Leben der Orang-Utans
Am nächsten Morgen gingen gleich zwei Teams in den Wald, um sowohl Signe mit ihrem Neugeborenen als auch Bungaran durch ihren Tag zu begleiten. Dabei werden wichtige Informationen über die Orang-Utans gesammelt, die dazu dienen, das Leben dieser Menschenaffen besser zu verstehen. Und natürlich wird auch geguckt, ob es ihnen gut geht. Diese „Nest-zu-Nest-Beobachtungen“ beginnen, sobald die Tiere ihr Schlafnest verlassen und sie enden, wenn die Orang-Utans ihr neues Schlafnest für die nächste Nacht gebaut haben.
Ein ganz normaler Tag im Regenwald
Es war kurz vor 6 Uhr, als die Teams bei den Nestern von Signe und Bungaran ankamen. Signe und ihr Baby verließen als erste das Nest. Entspannt baumelte sie von Ast zu Ast, fraß Lianenfaser und junge Blätter, Waldorangen, junge Feigenblätter, Wald-Ingwer und Calamus-Knollen. Zwischendrin gab es Termiten als Protein-Snack. Insgesamt eine sehr gesunde und artgerechte Mischung. Ab und zu machte Signe auch Ausflüge auf den Boden.
Ihr Baby hing die ganze Zeit an ihrem Fell und war sehr interessiert an den Aktivitäten seiner Mutter. Vor allem wenn sie fraß, beobachtete er sie sehr neugierig. Er selbst ist jedoch noch zu klein für Früchte, und so stillte Signe den Kleinen alle halbe Stunde.
Auch Bungaran verbrachte die meiste Zeit oben in den Bäumen und fraß. Dabei ignorierte er seine menschlichen Beobachter völlig.
Kurz vor Sonnenuntergang begann Signe, ein Nest für sich und ihr Baby in einem Mahang-Baum zu bauen. Bungaran kam dazu und baute nicht weit entfernt sein eigenes Schlafnest.
Eine Mutter mit zwei Kindern ist ungewöhnlich
Das PRM-Team beschloss, die Beobachtungen am nächsten Tag fortzusetzen. Wieder gegen sechs Uhr begannen die Orang-Utans ihre täglichen Aktivitäten und hielten sich an eine ähnliche Routine wie schon am Tag zuvor. So weit so gut. Ungewöhnlich ist die Tatsache, dass Signe mit zwei Söhnen gleichzeitig gesehen wurde. Obwohl Bungaran schon sehr selbständig ist, sucht er offenbar die Nähe seiner Mutter. Und Signe toleriert das. Normalerweise verscheuchen Mütter ihre älteren Kinder, wenn sie wieder Nachwuchs bekommen. Doch in diesen zwei Tagen, an denen das Trio von unserem Team beobachtet wurde, hat Signe es immer wieder zugelassen, dass Bungaran sich seinem kleinen Bruder näherte. Es war das erste Mal, dass unser Team eine Interaktion zwischen den beiden Brüdern beobachten konnte. Wir hoffen, die beiden noch öfters zu treffen, um noch mehr über ihre Entwicklung herauszufinden.
Wir wünschen allen dreien ein gesundes und glückliches Leben im Kehje Sewen Wald.
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Es ist einer der wichtigsten Momente unserer Arbeit: Wenn sich die Transportboxen öffnen, und die Orang-Utans ihr neues Leben im Regenwald beginnen. So erging es auch den sieben Orang-Utans, die wir vor rund zwei Wochen im Bukut Baka Bukit Raya Nationalpark ausgewildert haben. Nach einer mehrtägigen Reise, die über unwegsame Strecken, kleine Dörfer und für die letzten sieben Stunden über Flüsse führte, wurden die Tiere eines nach dem anderen frei gelassen. Doch wie ging es dann weiter? Finden unsere Schützlinge ausreichend Nahrung? Haben sie einen sicheren Schlaf? Leben sie sich gut ein?
Jeder Schritt wird dokumentiert
Wenn wir die Orang-Utans auswildern, bleibt immer ein kleines Post-Release-Monitoring-Team zurück. Sie folgen den Spuren der “Neuen Wilden”, beobachten sie in ihrem neuen Zuhause und dokumentieren jeden Schritt. Zumindest, wenn die Teams sie finden. Der kurz vor der Auswilderung implantierte Chip hilft, die Tiere aufzuspüren – allerdings ist die Reichweite begrenzt. Ein wenig Glück gehört also auch dazu. Direkt nach der Auswilderung ist das einfacher: Da heften sich die Teams gleich an die Fersen der Tiere und lassen sie möglichst nicht mehr aus den Augen. So auch dieses Mal. Und das Team konnte berichten, dass sich die Tiere gut im Regenwald einleben.
Suayap schlug sich erst mal den Bauch voll
Sobald ihr Käfig geöffnet wurde, kletterte Suayap flott auf den nächsten Baum. Die Aktivitäten um sie herum konnten sie nicht aus der Ruhe bringen. Sie beobachtete von ihrem sicheren Baumsitz aus, wie das Auswilderungsteam einen weiteren Käfig öffnete. Suayap, die 2006 aus Thailand gerettet wurde, pflückte sich erst mal genüßlich Feigen aus den Ästen, kaute auf Mahawai-Blättern rum und fing ein paar Termiten. Später näherte sie sich kurz Barlian und einem andere Orang-Utan und zog sich dann zurück. Als es dunkel wurde, baute sie in 25 Metern Höhe ihr Schlafnest, nicht weit von der Stelle entfernt, an der sie ausgesetzt wurde.
Barlian verteidigte sein Revier
Barlian brauchte etwas mehr Zeit, um seine neue Umgebung zu erkunden. Nachdem er einen Baum erklommen hatte, näherte er sich Suayap. Später kam noch ein weiterer, nicht idetifizierbarer Orang-Utan dazu, mit dem Barlian einen Kampf anfing. Doch er war noch sichtlich von seiner Reise erschöpft. Barlian konnte die Rangelei nicht für sich entscheiden und ließ dann von dem Widersacher ab. Später stritt er sich noch mit Unggang. Doch kurz danach naschten die beiden in trauter Einigkeit von dem reichen Angebot an Waldfrüchten. Für seine erste Nacht richtete sich Barilan ein altes Nest her, das nur etwa 100 Meter vom Punkt seiner Freilassung entfernt lag.
Reren suchte Kontakt zu den anderen
Reren wurde zusammen mit Darryl, Amber und Randy freigelassen. Die Gruppe blieb erst einmal zusammen und suchte gemeinsam Futter. Alle waren sehr hungrig, obwohl sie auch auf dem Transport vom Rehabilitationszentrum bis zum Auswilderungsort immer wieder ausreichend zu trinken und zu essen bekommen hatten. Aber offenbar macht das Erleben von Freiheit hungrig. Uns so ließ sich Reren leckeren Kondang, Feigen, wilde Ingwerkerne und Farne schmecken. Sie baute ihr Nest gleich neben Ambers Nest, etwa 250 Meter entfernt von der Stelle, an der die beiden Käfige geöffnet wurden.
Amber hat keine Lust mehr auf Menschen
Vom ersten Moment an, als ihr Käfig geöffnet wurde, verhielt sich Amber dem Auswilderungsteam gegenüber leicht aggressiv. Im Grunde ein gesundes Verhalten, denn die Tiere sollen ja ohne Menschen zurecht kommen. Einige Male wirkte es so, als würde sie dem Team richtig drohen. Doch dann entschied sie sich doch dazu, Reren zu folgen und erst einmal etwas zu essen. Auch sie ließ sich Kondang- und Sangkuang-Früchte sowie Capilak-Blätter schmecken. Am ersten Abend blieb sie mit Reren zusammen und baute ihr Nest in direkter Nachbarschaft zu ihr.
Unggang musste sich erst mal zurecht finden
Unggang kletterte auf einen Kapening-Baum, nachdem er freigelassen wurde. Er brauchte eine ganze Weile, um sich zu orientieren und die Lage zu überblicken. Dann fing er langsam an, Früchte vom Baum zu pflücken und nach Termiten zu angeln. Als es dunkel wurde, baute er sein Nest in 30 Meter Höhe, nur etwa 100 Meter von seinem Freilassungsort entfernt.
Darryl rangelte spielerisch mit Randy
Nachdem sein Käfig geöffnet wurde, prüfte Darryl kurz seine Umgebung, bevor er auf einen nahe gelegenen Baum kletterte. In der Baumkrone angekommen begann er sofort damit, sich den Magen zu füllen. Auch er war nach der langen Reise offensichtlich hungrig. Dann erspähte er Randy und die beiden starteten eine freundschaftliche Verfolgungsjagd. Wenn sie sich erwischten, rangelten sie spielerisch miteinander, nur um dann wieder eine Verfolgung durch die Bäume zu starten. Schließlich beschloss Darryl, sein Nachtnest in der Nähe seines Freilassungsortes zu bauen.
Randy zeigt artgerechtes Verhalten
Randy zeigte deutlich seinen Unmut über die Anwesenheit des Teams, als sein Käfig geöffnet wurde. Mit aufgestellten Haaren rannte er fix auf einen Baum und konnte sich erst nach einiger Zeit wieder beruhigen. Später erkundete er die Gegend, fraß Früchte und Blätter, spielte mit Darryl und baute schließlich sein Nachtnest etwa 200 Meter von seinem Auswilderungsort entfernt.
Wir sind zuversichtlich, dass alle sieben Orang-Utans ein glückliches und erfolgreiches Leben in ihrer neuen Heimat, dem Bukit Baka Bukit Raya National Park, führen werden. Wir behalten sie im Auge…
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Sieben Orang-Utans aus unserem Schutzzentrum Nyaru Menteng finden ihr neues Zuhause im Bukit Baka Bukit Raya Nationalpark. Vorher haben die Glückspilze einen langen Rehabilitationsprozess durchlaufen – nun starten sie in ihr neues, wildes Leben.
Aber der Reihe nach: Bevor sie die anstrengende Reise bis zum Ort ihrer Auswilderung angetreten haben, hat unser Ärzteteam in Nyaru Menteng alle Tiere medizinisch untersucht: Wie viel wiegt der Orang-Utan? Sind die Zähne ok? Wie hoch ist die Körpertemperatur? Gibt es irgendwelche Verletzungen? Was sagen die Blutwerte? Um diese Prozedur für die Tiere möglichst stressfrei zu halten, werden sie dafür leicht sediert. Nach dem Gesundheitscheck wurden die Tiere vorsichtig in separate Transportboxen gelegt. Auf Fahrzeugen verladen ging es dann mitten in der Nacht los. Immer wieder hat das Team auf der rund 20 Stunden dauernden Reise kurze Pausen eingelegt, um nach den Orang-Utans zu sehen. Die letzten vier Stunden ging es dann auf dem Boot weiter, bis jedes Tier zu seinem Bestimmungsort kam.
Viele Tiere haben eine dramatische Geschichte
Jeder Orang-Utan hat eine eigene Lebensgeschichte. Auch diese „Neuen Wilden“ wurden in den vergangenen Jahren im Schutzzentrum liebevoll und fürsorglich auf ihre Auswilderung vorbereitet. Eines von ihnen ist das Orang-Utan-Weibchen Suayap. Sie kam 2006 zu uns, da war sie geschätzt zwischen sechs und sechseinhalb Jahren alt. Suayap war einer von 48 Orang-Utans, die aus dem Safari World Vergnügungspark in Bangkok gerettet und nach Borneo zurückgebracht wurden. Ein Gentest bestätigte: Sie war auf Borneo geboren, wurde dort gefangen und illegal nach Thailand geschmuggelt. Dort hätte ihr das lebenslange Schicksal “Vergnügungspark” gedroht – als junger Orang-Utan als niedliches Fotomodell, als ausgewachsener Orang-Utan als Boxer, Nummerngirl oder in einem anderen „Unterhaltungsprogramm“.
Jeder Orang-Utan hat unterschiedlichen Entwicklungsstand
In unseren Schutzzentren geht es darum, die Tiere so artgerecht wie möglich zu betreuen. In der Waldschule werden die Überlebensfähigkeiten mit Hilfe von intensivem Enrichment entwickelt und trainiert. Suayap war vier Jahre in der Waldschule, bevor sie im Juni 2019 auf die Vorauswilderungsinsel im Salat Island Cluster umgesiedelt wurde. Hier konnte sie sich „beweisen“. Sie ist von ihrem Wesen her nicht aggressiv, konnte jedoch gut für sich selbst einstehen, wenn es nötig war. Sie erkundete aktiv ihre Umgebung, suchte fleißig nach Futter und verhielt sich in jeder Situation wie ein wilder Orang-Utan. Die besten Voraussetzungen, um ausgewildert zu werden.
Regenwald statt Thaiboxen
Im Alter von 22 Jahren – nach sechzehneinhalb Jahren bei BOS – war Suayap nun bereit, ein neues, freies Leben im Wald des Bukit Baka Bukit Raya Nationalparks zu beginnen. Dazu Daniel Merdes, Geschäftsführer von BOS Deutschland: „Wir freuen uns riesig, dass Suayap wieder als wildes Tier leben kann und nicht als Showobjekt unnatürliche Kämpfe inszenieren muss. Sie ist ein Hoffnungsschimmer im Kampf gegen den internationalen illegalen Wildtierhandel. Leider haben „Orang-Utan Thaiboxing Shows“ im asiatischen Raum ungebremst regen Zulauf. Sie vermitteln ein falsches Bild von Wildtieren und sind für den Artenschutz somit maximal kontraproduktiv und schaffen weitere Nachfrage für den illegalen Handel. Leider besuchen auch viele deutsche Touristen diese lebensverachtenden Shows. Wir von BOS raten dringend davon ab, solche Shows zu besuchen und lobbyieren für ein Verbot.“
Mittlerweile acht aus Thailand gerettete Orang-Utans ausgewildert
Mit Suayap wurden jetzt sechs weitere Orang-Utans im Nationalpark Bukit Baka Bukit Raya ausgewildert: die Orang-Utan-Weibchen Amber (16) und Reren (8) und die Männchen Barlian (8), Darryl (12), Randy (14) und Unggang (10). Suayap ist der achte Orang-Utan, der 2006 aus Thailand gerettet wurde, den wir jetzt auswildern konnten. Ein weiteres Tier der 48 lebt auf einer unserer Schutzinseln für nicht auswilderbare Orang-Utans.
Insgesamt hat BOS 485 Tiere ausgewildert
Mit diesen sieben Schützlingen hat die BOS Foundation seit 2012 485 Orang-Utans in zwei Auswilderungsgebieten in Zentral-Kalimantan (Schutzwald Bukit Batikap und Bukit Baka Bukit Raya Nationalpark) und einem in Ost-Kalimantan (Kehje Sewen Forest) ausgewildert. Wir danken all unseren Spendern herzlich für ihre Unterstützung, mit deren Hilfe wir diese Arbeit zum Arten- und Lebensraumschutz weiter vorantreiben können.
Werden auch Sie zum BOS-Unterstützer. Mit Ihrer Spende helfen Sie den Orang-Utans, dem Regenwald und damit auch unserem Klima. Jeder Beitrag hilft.
Diese Orang-Utans berühren die Herzen hunderttausender Menschen weltweit. In der Sendung ORANGUTAN JUNGLE SCHOOL können Sie unsere Waldschüler im Schutzzentrum von Nyaru Menteng auf ganz besondere Weise kennenlernen und sie durch ihren Alltag begleiten. Und dabei sind es vor allem die ganz individuellen Persönlichkeiten der Tiere, die zum Staunen, Lachen und Weinen einladen. In unserer Portraitreihe möchten wir Ihnen einige unserer tierischen TV-Stars noch einmal vorstellen.
Alba! Sie ist der sicherlich berühmteste Orang-Utan der Welt. Kein Wunder, ist sie doch der weltweit einzige bekannte Albino-Orang-Utan. Es war eine echte Sensation, als Alba im April 2017 gefunden wurde. Unter schrecklichen Bedingungen. Dorfbewohner in Zentral-Kalimantan hatten das damals fünf Jahre alte Weibchen eingefangen und einige Tage in einem Käfig gehalten. Albas Zustand war, als wir sie gerettet hatten, alles andere als gut. Sie war unterernährt, dehydriert und geschwächt. Außerdem war sie einigen kleineren Wunden übersäht, die den Eindruck erweckten, dass sie sich diese bei Kämpfen zugezogen hatte.
Es gab keinerlei Hinweis darauf, wie lange sie bereits alleine im Regenwald unterwegs gewesen war. Denn eigentlich hätte die Fünfjährige noch immer in der Obhut ihrer Mutter sein müssen. Dass Alba aber einiges von ihrer Mutter gelernt hatte, konnten wir schnell feststellen, da sie über die wichtigsten Fähigkeiten verfügte, die ein wilder Orang-Utan im Regenwald beherrschen muss. Der Waldschule war Alba definitiv schon entwachsen.
Neben der Freude über Albas Rettung, plagten uns aber auch viele Sorgen. Eine davon: Wie wirkt sich Albinismus bei einem Orang-Utan aus? Albas Haut, ihrem Fell und ihren Augen fehlt das Farbpigment Melanin. Eine seltene genetische Mutation, die auch bei Menschen und anderen Tieren vorkommt. Unter Hochdruck suchten wir international nach Expertise. Doch trotz aller Suche: Bis heute ist Alba der einzige bekannte Albino-Orang-Utan. Aufgrund der genetischen Nähe zum Menschen – wir teilen 97 Prozent identische DNA – konnten wir aber doch einige Rückschlüsse ziehen.
Alba leidet offenbar unter sogenanntem okulokutanen Albinismus, bei dem sowohl Augen als auch Haut und Haare vom Melaninmangel betroffen sind. Ihre Augen sind allerdings nicht völlig pigmentfrei; sie sind blau und nicht rot wie bei vollständigem Albinismus. Ein großes Problem bei dieser Form ist, dass das räumliche Sehen stark eingeschränkt sein kann. Beim Klettern und Hangeln auf hohen Regenwaldbäumen kann das eine gefährliche Einschränkung bedeuten. Doch Albas Sehschwäche scheint nicht sehr ausgeprägt zu sein und sie kommt mit ihrer Behinderung gut zurecht. Ihre Bewegungen sind langsam und bedächtig, aber nicht unsicher. Und auch beim Klettern weicht sie Herausforderungen nicht aus.
Aufgrund ihres weißen Fells und der hellen Haut ist sie wesentlich empfindlicher gegenüber der Sonne. Doch auch diese Sorge konnte Alba uns schnell nehmen. Sie mied die Sonne und suchte den Schatten – ein gutes Zeichen.
Doch wie würden die anderen Artgenossen auf Albas Erscheinung reagieren? Würde sie akzeptiert werden oder ausgegrenzt oder gar attackiert werden? Da hat Alba uns so richtig überrascht. Schon bei unseren ersten vorsichtigen Versuchen, sie mit Altersgenossen zusammen zu bringen, ließ sie sich nicht nur nicht unterkriegen. Nein, in kürzester Zeit war Alba die Chefin der Bande.
Viele Gedanken machten wir uns darüber, wie Albas Zukunft aussehen könnte und sollte. Es gab bereits Anfragen von Zoos, die die einzigartige Alba natürlich gern präsentiert hätten. Doch das kam für uns selbstverständlich nicht in Frage. Unser Ziel ist es, jeden Orang-Utan, der dazu in der Lage ist, wieder zurück nach Hause in den Regenwald zu bringen. Zunächst dachten wir, eine unserer Schutzinseln für nicht auswilderbare Orang-Utans könnte eine gute Lösung sein.
Doch Alba machte mehr als deutlich, dass sie sehr wohl in der Lage wäre, wild, frei und selbständig in einem sicheren Regenwald leben zu können. Warum sollten wir ihr diese Chance also vorenthalten? Mit der indonesischen Regierung erarbeiteten wir den Plan, Alba im Nationalpark Bukit Baka Bukit Raya auszuwildern. Zu ihrem Schutz vor Trophäenjägern wurden zusätzliche Ranger-Patrouillen eingerichtet. Und unsere Monitoringteams sollten Alba intensiver und länger auf den Fersen bleiben als nach anderen Auswilderungen.
Im Dezember 2018 war es dann soweit. Alba, die inzwischen deutlich an Gewicht zugelegt hatte, war fit und gesund. Wir hatten getan, was wir tun konnten. Die mittlerweile sechsjährige Alba durfte – unter großer Anteilnahme der ganzen Welt – gemeinsam mit ihrer Freundin Kika – im Regenwald ausgewildert werden.
Am 19. Dezember ging Albas Käfig im Nationalpark Bukit Baka Bukit Raya auf.
Alba wäre nicht Alba, wenn sie uns nicht auch in diesem Moment einiges an Nervenkitzel beschert hätte. Denn statt, wie gewünscht, den nächsten Baum zu erklimmen, wanderte sie zunächst Stunde um Stunde über den Boden durch den Wald. Als unser Monitoringteam spät in der Nacht ins temporäre Lager aufbrach, waren die Kollegen schon voller Sorge: War es womöglich doch die falsche Entscheidung gewesen? War Alba doch nicht in der Lage, ein sicheres Leben im Regenwald zu leben? Weit gefehlt. Schon am nächsten Morgen überraschte uns Alba – wie schon so oft. In einem perfekten Schlafnest hatte sie die Nacht verbracht. Und auch Nahrung hatte sie bereits gefunden.
Inzwischen sind zweieinhalb Jahre vergangen. Und Alba lebt wild und frei im 27.472 Hektar großen geschützten Regenwaldgebiet des Nationalparks. Wir folgen ihr schon lange nicht mehr auf Schritt und Tritt, aber wir haben ein Auge auf sie. Wie im Februar 2020, als sie zur Begrüßung bei der Auswilderung ihres Freundes Unyu vorbeischaute.
Alba ist ein Juwel. Sie wurde zu einer Botschafterin ihrer vom Aussterben bedrohten Art, gerade aufgrund ihrer Einzigartigkeit. Wie jeden Schatz möchten wir sie beschützen und vor allen Gefahren bewahren. Doch wie alles, was einem lieb ist, müssen wir auch Alba ziehen lassen, damit sie frei sein kann. Alba hat das Recht, wild, frei und selbstständig ihr Leben zu leben. So wie jeder andere Orang-Utan auch. Viel Glück, Alba, wir glauben an Dich, Du Einzigartige!
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