Vor zwei Tagen haben neun rehabilitierte Orang-Utans ein neues Leben auf der Vorauswilderungsinsel Pulau Bangamat in Zentral-Kalimantan begonnen. Einer von ihnen ist Erik, der durch die TV-Doku “Orangutan Jungle School” traurige Berühmtheit erlangte. Eine dramatische Infektion am Kopf bedrohte damals sein Leben. Glücklicherweise konnten unsere Tierärzte ihn retten. Und nun muss er — wie auch die anderen acht Primaten — auf der Walduniversität beweisen, dass er bereit ist für die große Freiheit Regenwald. In einer Bildergeschichte begleiten wir die Waldstudenten in ihr neues Zuhause.
Ungeduldig haben die Waldmenschen auf diesen Tag gewartet. Sie waren bereit für ihre letzte große Prüfung vor der Auswilderung. Bereit, sich auf der Insel zu beweisen. Doch dann kam der große Regen. Hochwasser überfluteten weite Teile Borneos. Auch unsere Inseln waren betroffen. Und so verschob sich die geplante Vorauswilderung von neun rehabilitierten Orang-Utans um mehr als eine Woche. Doch schließlich zog sich das Wasser zurück. Und die Teams in Nyaru Menteng legten sich ins Zeug, damit die Vorauswilderung gut über die Bühne gehen konnte.
Zunächst standen die letzten medizinischen Checks an. Mit einer leichten Sedierung ließen die vier Männchen und fünf Weibchen diese entspannt geschehen — und fanden sich sodann in ihren Transportboxen wieder.
Nach einer kurzen Autofahrt ging es per Boot weiter. Noch immer führen die Flüsse reichlich Wasser. Damit die Orang-Utans, die nicht schwimmen können, diese Reise sicher überstehen, wird jede Transportbox mit Schwimmhilfen gesichert.
Ein kleiner Rückblick
Unter den neuen Waldstudent:innen ist Erik eine kleine Berühmtheit. Denn während der Dreharbeiten zur “Orangutan Jungle School” 2017 und 2018 erkrankte er schwer. Die Zuschauer bangten mit dem armen Wicht, um den es wirklich dramatisch schlecht stand. Eine gefährliche Entzündung berdohte sein Leben. Doch unsere erfahrenen Tierärzte konnten ihn retten. Und so konnte er sich glücklicherweise komplett erholen.
Unvergessen, wie Erik mit kahlgeschorenem Schädel zurück in die Waldschule kam. Und ihn seine Klassenkameraden mit ungläubigem Staunen wieder in ihrer Mitte begrüßten. Puh, was für eine Erleichterung.
Nun hat er die Waldschule abgeschlossen und darf endlich auf der Vorauswilderungsinsel beweisen, dass er bereit ist für den Regenwald.
Und so verliefen die ersten Inselschritte der anderen acht Waldmenschen
Jetzt geht es los für Big Boy Beni, Meryl, Sura und fünf weitere Orang-Utans: das Studentenleben auf der Walduniversität. In den kommenden Monaten müssen sie auf der Insel Badak Besar im Salat Island Cluster in Zentral-Kalimantan beweisen, dass sie bereit sind, für die ganz große Freiheit.
In zwei Reisegruppen wurden die ehemaligen Waldschüler auf ihre Vorauswilderungsinsel gebracht. Am 10. November zogen Beni (7), Sura (8), Meryl (7) und Winey auf das bewaldete Eiland, zwei Tage später folgten Obama (9), Kejora (7), Susanne (8) und Liti (9).
Im Schnellboot ging es auf dem Wasserweg in jeweils vier Stunden von unserem Rettungszentrum Nyaru Menteng ans Ziel. Alle Orang-Utans konnten es kaum erwarten, ihr neues Domizil zu erobern. Im Nu kamen sie aus ihren Transportboxen und schnappten sich auf der Futterplattform erstmal einen gesunden Snack. Benis Griff zielte – wer hätte es anders erwartet – natürlich direkt auf ein Bündel Bananen.
Es dauerte nicht lange, da begannen die frischen Waldstudenten auch schon damit, mutig ihre neue Umgebung zu erkunden. Auch vor den höchsten Bäumen zeigten sie keine Hemmungen.
Jetzt können sie sich langsam an ihre neue Freiheit – aber auch an ihre neuen Pflichten – gewöhnen. Denn auf der Insel müssen sie ihr eigenes Futter suchen. Auch wenn es tägliches Zusatzfutter auf den Plattformen gibt (die Inseln würden nicht immer genügend Nahrung für alle Bewohner bieten), haben unsere Mitarbeiter:innen einen sehr genauen Blick darauf, wer sich ausschließlich auf den Lieferservice verlässt.
Neben der Nahrungssuche und dem neugierigen Erkunden ihres Lebensraumes, gehört auch das Bauen des täglichen Schlafnestes und der soziale Umgang zu den „Fächern“, in denen sie gute Leistungen zeigen müssen. Denn erst dann sind sie bereit, selbstständig im Regenwald zu leben.
Wir wünschen den neuen Studenten viel Spaß und Erfolg an der Walduni und freuen uns schon auf die Geschichten, die wir von dort über Beni, Meryl und die anderen berichten können.
Es war einer dieser heißen Tage, als die Orang-Utan-Weibchen Lesan und Sayang mit ihrem Nachwuchs Ayu und Padma gemeinsam durch den Kehje Sewen Wald streiften. Langsam kletterte die kleine Gruppe von Baum zu Baum und genoss unter dem kühlenden Blätterdach ein ausgiebiges Mahl. Die kleine Padma saß wie so oft sehr nah bei ihrer Mutter Sayang und spielte mit der etwas älteren Ayu. Die beiden Orang-Utan-Mädchen baumelten in den Ästen, neckten sich und untersuchten alles ganz genau.
Bei der Freundin abgeschaut
Ayu beschäftigte sich ausgiebig mit einem großen Stück Baumrinde. Immer wieder biss sie vorsichtig hinein und knabbert mit ihren winzigen Zähnen an dem weichen Kambium, einer nahrhaften Gewebeschicht zwischen Holz und Rinde. Padma ließ ihre Freundin nicht aus den Augen und beobachtete ganz genau, wie Ayu vorging. Vorsichtig nahm Padma ein Stück Rinde und untersuchte es. Dann brach sie ein frisches Stück Rinde vom selben Stamm ab, genau wie Ayu es zuvor getan hatte. Doch ihre Zähne waren noch zu klein und ihr Kiefer nicht stark genug, um die Rinde zu zerbeißen. Nachdem sie Aya noch eine Weile beobachtet hatte, puhlte sie dann das Kambium aus der abgebrochenen Rinde und steckte es sich in den Mund. Hmmm, so klappte es! Die beiden saßen noch eine ganze Weile zusammen und snackten von der Rinde.
Nahrung ist ein guter Anreiz
Ayus Mutter Lesan gesellte sich wieder zu der kleinen Gruppe und gemeinsam zogen sie weiter. Offenbar bereit für die nächste Mahlzeit ging es zu einem Kendondong-Baum. Die süßen Früchte dieses Baumes schmecken so ähnlich wie Ananas und Mango, sind aber so knackig wie ein Apfel. Ein echter Leckerbissen! Die beiden erwachsenen Orang-Utan-Weibchen aßen sich an Blättern und Früchten satt, während Ayu und Padma sich voll und ganz auf die Rinde konzentrierten. Jetzt wusste Padma, wie es geht und hörte gar nicht mehr auf, die Rinde zu bearbeiten.
Lernen ist sehr individuell
Wir sind immer wieder beeindruckt, wie wild geborene Orang-Utans ihre Überlebensfähigkeiten im Wald erlernen. Dabei sind ihre Persönlichkeiten sehr unterschiedlich. Padma, die 2018 im Regenwald geboren wurde, zeigte sich bisher immer sehr scheu. Sie beobachtet lieber, während die zwei Jahre ältere Ayu neugierig und unternehmenslustig ist. Schon bei anderen Gelegenheiten hat sie versucht, Padma zum Spiel aufzufordern. Doch Padma ist ein echtes Mamakind. Als wir sie das letzte Mal sahen, war sie kaum unter dem Arm ihrer Mutter hervorgekommen. Doch Ayu gibt nicht so schnell auf und macht ihrer Freundin immer wieder neue Angebote zur Interaktion. Und immer öfter steigt Padma darauf ein. Das ist wichtig für ihre Entwicklung, denn kleine Orang-Utans lernen nicht nur von ihren Müttern, sondern auch durch ihre Artgenoss:innen. So wie auch dieses Mal.
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Es war nur ein verräterisches Knacken in den Ästen hoch über ihnen, das unser Monitoring-Team aus dem Camp Nles Mamse aufmerken lies. Ein Orang-Utan? Unsere Teams müssen sich gut auf ihre Ohren verlassen können, denn oft ist es nur dieses kurze Geräusch, das sie auf die Spur der Tiere bringt. Und tatsächlich: Hoch oben im Blätterdach erkannten sie rotbraunes Fell – dort saßen gleich zwei Orang-Utans!
Es dauerte nicht lange, bis das Team die Tiere als Angely (12) und Justin (14) identifizierte, die beide schon seit längerer Zeit im Kehje Sewen Forest leben. Angely wurde 2016 ausgewildert; Justin folgte ein Jahr später. Beide gemeinsam anzutreffen, war eine vielversprechende Gelegenheit, Daten über ihr Verhalten zu sammeln… Also baute unser Team seine Ausrüstung auf und begann mit den Beobachtungen. Was sehr schnell offensichtlich wurde: Justin folgte Angely praktisch überall hin.
Orang-Utan sind meist Einzelgänger
Seitdem Justin im Kehje Sewen Wald lebt, sehen wir ihn immer wieder auf Brautschau. So wich er vor rund vier Jahren dem Orang-Utan-Weibchen Recki nicht mehr von der Seite und im letzten Jahr machte er Elder leidenschaftlich den Hof. Orang-Utans sind in der Regel Einzelgänger – semi-solitär nennen Biologen ihr Verhalten. Das heißt, sie kommen nur manchmal für die gemeinsame Futtersuche und natürlich zur Paarung zusammen. Dann ziehen sie wieder allein durch den Regenwald.
Flirten auf Menschenaffenart
Zurück zu Justin und Angely. Aufmerksam beobachtete unser Team die beiden bei der Futtersuche und ihrem Miteinander hoch in den Bäumen. Die Zeit verging. Am Nachmittag bewölkte sich der Himmel – perfekte Bedingungen für eine kleine Siesta. Justin begann, sein Tagesnest zu bauen. Gerade wollte er sich in sein mit Blättern gepolstertes Bauwerk legen, als sich Angely – die die ganze Zeit in der Nähe gefressen hatte – entfernte und auf einen anderen Baum kletterte. Justin zögerte keinen Moment, verließ sein bequemes Nest wieder und folgte ihr.
Angely begann nun ihrerseits, ein Nest zu bauen und Justin tat es ihr nach. Er blieb ganz in ihrer Nähe und baute sein Bett nur ein Stockwerk höher als ihres. Als sie dann in ihren jeweiligen Nestern lagen, passierte etwas sehr Spannendes: Beide Orang-Utans hielten sich über die Entfernung an derselben Liane fest. Justin rüttelte immer wieder an der Kletterpflanze, und Angely schüttelte sie leicht zu ihm zurück. Das taten sie abwechselnd eine ganze Weile, so als würden sie über die Liane Nachrichten verschicken. Die beiden hatten offenbar eine eigene Form der Kommunikation gefunden.
Romantische Zweisamkeit unterm Regendach
Etwas später begann es zu regnen – der Regen wurde immer heftiger. Angely war durch das dichte Blätterdach bestens geschützt, während immer dickere Regentropfen schnell Justins Fell durchnässten. Kurzerhand pflückte er sich ein breites Blatt und hielt es wie einen Regenschirm über seinen Kopf. So ausgerüstet, kletterte er langsam, aber zielstrebig zu Angely hinunter. Bereitwillig ließ sie Justin neben sich Platz nehmen, während der Regen um sie herum fiel. So blieben die Beiden Seite an Seite sitzen, vom Regen geschützt. Eine romantischere Szene hätten Liebesromanautoren nicht schreiben können. Da es langsam dunkel wurde, zog sich unser Beobachtungsteam ins Lager zurück. Wie die Geschichte im dunklen Geäst des Regenwaldes wohl weiterging? Wir wissen es nicht….
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Wenn unsere Orang-Utans auf einer der Vorauswilderungsinseln leben, müssen sie unter Beweis stellen, dass sie sich im Regenwald genauso gut versorgen können, wie ein wilder Orang-Utan. Schließlich haben sie alles von ihren menschlichen Ersatzmüttern lernen müssen. Alles? In Desis Fall trifft das nicht ganz zu. Denn das Weibchen hat auf ihrer Vorauswilderungsinsel Juq Kehje Swen offenbar eine neue Freundin gefunden — Kimi.
Orang-Utans sind normalerweise eher allein unterwegs
Kimi ist ein wild lebender, weiblicher Orang-Utan, der ebenfalls auf Juq Kehje Swen lebt. Die Insel ist reich an Biodiversität, daher ist es nicht überraschend, dass dort und in den umliegenden Waldgebieten wilde Orang-Utans leben. Direkte Begegnungen gibt es dabei jedoch eher selten, denn die scheuen Menschenaffen ziehen meist allein durch den Regenwald. Aber vor einiger Zeit machte unser Post-Release-Monitoring-Team eine erstaunliche Entdeckung: Als sie auf der Insel ankamen, sahen sie Desi und Kimi Seite an Seite zum Flussufer trotten. Das Wiedersehen mit Kimi war ein Glücksfall, denn sie war schon seit einiger Zeit nicht mehr von den Teams gesichtet worden. Offenbar hatte das Futter, das regelmäßig für Desi zur Fütterungsplattform geliefert wurde, Ihr Interesse geweckt. Kimi schnappte sich einige Bananen direkt aus Desis Hand und schob sie sich genüsslich in den Mund. Dann saßen beide eine ganze Zeit friedlich beieinander und teilten sich freundschaftlich das bereitgestellte Futter.
Gemeinsam auf Entdeckungstour
Dann ging es auf gemeinsame Erkundungstour durch den Wald. Die beiden kletterten von Baum zu Baum und unser Team konnte beobachten, wie Desi und Kimi dabei beträchtliche Mengen an Blättern und Früchten vom Baum pflückten und aßen. Für unser Beobachtungsteam war es sehr spannend, den wilden Orang-Utan Kimi und die vor ihrer Auswilderung befindliche Desi in dieser direkten Interaktion zu beobachten. Es ist ein Glücksfall, wenn so etwas passiert. So kann Desi von ihrer wilden Artgenossin lernen und ihre Überlebensfähigkeiten im Regenwald weiterentwickeln.
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