Unsere Arbeit als Artenschutzorganisation für Orang-Utans endet nicht mit der erfolgreichen Auswilderung eines Tieres. Auch danach beobachten wir die „neuen Wilden“. Dabei sammeln wir auch Daten über das Verhalten rehabilitierter, ausgewilderter Orang-Utans, um daraus für unsere künftige Arbeit zu lernen. Es ist eine anspruchsvolle Aufgabe, die den BOS-Rangern zukommt. Gerade erst wurde das Team im Auswilderungswald Kehje Sewen wieder methodisch fortgebildet.
Die sogenannte direkte Beobachtervergleichsbewertung (Interobserver) ist eine etablierte Methode für die Erforschung und Beobachtung von Wildtieren. Bei dieser Methode beobachten mehrere Personen zur gleichen Zeit das gleiche Forschungsobjekt – in unserem Fall den Orang-Utan – und sammeln und notieren die gewonnenen Daten. So wird sichergestellt, dass die Daten der Beobachtung konsistent und vergleichbar sind. Das ist insbesondere dann wichtig, wenn sich die Bewertungsstandards oder Datenvariablen ändern oder aktualisiert werden müssen.
Im August 2024 wurden unsere Post-Release Monitoring (PRM) Teams in der Methode der direkten Beobachtervergleichsbewertung geschult. Zunächst fand eine erste Sozialisierung der Ethogrammänderungen statt. Anschließend wurden Schulungs- und Beobachtungssitzungen durchgeführt, um sicherzustellen, dass das gesamte Team die neue Methode versteht und korrekt anwenden kann.
Orang-Utan gesichtet! Schnell die Stifte zücken und ganz genau beobachten
Die Beobachtungen wurden in zwei Formaten durchgeführt: mit Videoaufzeichnungen und direkten Beobachtungen vor Ort. Letzteres stellt oft eine Herausforderung dar, weil sich nie vorhersagen lässt, wann das Team auf seinen Patrouillen einen der ausgewilderten Orang-Utans im weitläufigen Kehje Sewen antrifft und wie lange sich dieser beobachten lässt.
Orang-Utan-Forschung mit vollem Körpereinsatz im Kehje Sewen Wald
Wenn es gelingt, dann kann ein Beobachtungstag zum Beispiel so aussehen: Es ist früh am Morgen im Camp Nles Mamse, die Sonne ist noch nicht über den Horizont geklettert. Drei Teammitglieder – Rasya, Rangga und Nabillah – brechen auf zu ihrer Beobachtungspatrouille durch den Kehje Sewen Wald in Ost-Kalimantan. Sie haben Glück: Kurz darauf begegnet ihnen ein Orang-Utan.
Es ist Bungaran, bekannt dafür, dass er sehr aktiv und agil ist. Bungaran ist der inzwischen neunjährige Sohn von Signe, die wir 2016 gemeinsam ausgewildert haben. Damals war Bungaran noch ein Säugling. Heute ist er ein junger Orang-Utan-Mann, der sich von seiner Mutter abgenabelt hat und gerade anfängt, den Wald allein zu durchstreifen. Ein sehr spannendes Forschungsobjekt also, das uns viele wertvolle Erkenntnisse liefert.
Die Beobachter haben Bungaran im Wad entdecktJetzt muss das Team so schnell laufen, dass sogar das Bild verwackelt ist
Das PRM-Team heftet sich also an diesem Tag an Bungaran, der sich in seinem typisch flotten Tempo durch die Baumwipfel bewegt. Rasya, Rangga und Nabillah gelingt es, auf den unwegsamen Pfaden durch den dichten Regenwald Schritt zu halten. Selbst dann noch, als sie einen Fluss überqueren müssen. Und die ganze Zeit über notieren sie akribisch ihre Beobachtungen.
Dauerlauf durch dichte Vegetation – und dabei Notizen machen
Auf welchen Bäumen macht Bungaran für wie lange Rast? Welche Früchte, Blätter, Sprossen frisst er? Auf welche Weise bewegt er sich durch die Baumwipfel? Was tut er noch? Welche anderen Tiere kommen in seine Nähe? Es gibt sehr viel zu notieren, während das dreiköpfige PRM-Team sich müht, den Orang-Utan im unwegsamen und dicht bewachsenen Gelände im Blick zu behalten.
Volle zwei Stunden lang kann das Team Bungaran beobachten und wertvolle Daten sammeln, ehe sie ihn tatsächlich aus den Augen verlieren. Es ist ein sehr erfolgreicher Tag für die BOS-Ranger. Und ein weiterer Schritt nach vorne bei der Erforschung des vom Aussterben bedrohten Orang-Utans und der Wirksamkeit unserer Rettungs- und Schutzmaßnahmen.
Sie möchten BOS bei dieser wichtigen Arbeit unterstützen? Jede Spende hilft!
Wenn wir uns erinnern, wie Topan im Oktober 2017 zu uns kam, dann können wir kaum glauben, wie großartig sich diese Orang-Utan-Waise entwickelt hat. Damals war sie ein kleines Häuflein Elend aus Haut und Knochen, das ängstlich fiepte und weinte. Und jetzt: Ein selbstbewusstes junges Orang-Utan-Weibchen, dass es mit erst acht Jahren geschafft hat, auf die Vorauswilderungsinsel – die Walduniversität – umziehen zu dürfen.
Ein neues Kapitel für eine außergewöhnliche Entdeckerin
Topan, das Orang-Utan-Weibchen mit dem wachen Blick und der beeindruckenden Kletterkunst, hat einen wichtigen Meilenstein auf ihrem Weg in die Freiheit erreicht. Nachdem sie mit Bravour die Waldschule in Nyaru Menteng abgeschlossen hat, lebt sie jetzt seit einigen Monaten auf der Vorauswilderungsinsel Bangamat. Hier bereitet sie sich auf das große Ziel ihrer Reise vor: ein selbstbestimmtes Leben in der Wildnis.
Waldstudentin Topan lebt jetzt auf der Insel Bangamat
Herausragende Schülerin der Waldschule
Während ihrer Zeit in der Waldschule zeigte Topan früh, dass sie kein gewöhnlicher Orang-Utan ist. Sie lernte überdurchschnittlich schnell, wie man Nahrung findet, Nester baut und sich sicher im dichten Dschungel bewegt. Besonders auffällig war ihre frühe Unabhängigkeit: Schon lange suchte sie kaum noch den Kontakt zu ihren menschlichen Ersatzmüttern, verbrachte viel Zeit in den Baumkronen und erkundete neugierig ihre Umgebung – klare Zeichen dafür, dass sie mehr als bereit für die nächste Stufe war.
Die Babysitterinnen waren gleichermaßen beeindruckt von ihrer Intelligenz und Anpassungsfähigkeit. Daher fiel im Januar die Entscheidung, die achtjährige Topan gemeinsam mit der ebenfalls bereiten Mema auf die Bangamat-Insel zu verlegen – ein intelligentes Orang-Utan-Duo, das der Freiheit damit einen großen Schritt näherkam.
Topan ist der Freiheit einen großen Schritt nähergekommen
Obwohl beide Orang-Utan-Weibchen bereits eine große Selbstständigkeit und Unabhängigkeit zeigen, konnten wir ihren Transport ohne Betäubung durchführen. Denn auch in dieser ungewohnten Situation blieben beide ruhig und kooperativ, völlig ohne Aggression.
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Erfolgreicher Start auf der Vorauswilderungsinsel
Topan ließ sich bei ihrer Ankunft auf der Vorauswilderungsinsel auch nicht lange bitten: Kaum war die Transportbox geöffnet, schwang sie sich in die Bäume und verschwand neugierig im dichten Grün – ein gutes Zeichen für ihre natürliche Instinktsicherheit. Ihre Bewegungen waren so flink, dass die Beobachter sogar Mühe hatten, ihr zu folgen.
Topan schwingt sich geschickt von Baum zu Baum
Immer wieder verschwindet Topan seither für einige Zeit im dichten Regenwald der Insel. Nur alle paar Tage erscheint sie an einer der Fütterungsplattformen, um sich ein paar Leckereien abzuholen. Dabei macht sie stets einen gesunden und fitten Eindruck. Wachsam und selbstbewusst sondiert sie dabei zunächst aus den Baumwipfeln die Situation. Dann klettert sie schnell herunter – in respektvollem Abstand zu unseren Mitarbeitern –, schnappt sich ein paar Süßkartoffeln und Papayas und zieht sich anschließend wieder in die Baumkronen zurück.
Auf der Fütterungsplattform greift Topan schnell zu……und kehrt mit ihrer Beute zurück in die Bäume, ……sodass unsere Beobachtungsteams Mühe haben, ihr zu folgen.
Noch ein Stück bis zur Freiheit
Topans Geschichte ist ein Paradebeispiel für einen erfolgreichen Rehabilitationsprozess von Orang-Utans. Sie erkundet ihr neues Zuhause selbstständig und passt sich schnell an. Doch obwohl sie enorme Fortschritte gemacht hat, ist ihre Reise noch nicht zu Ende. Auf der Insel Bangamat beobachten wir sie weiterhin genau, um sicher sein zu können, dass sie auch die letzten Hürden vor einem Leben in völliger Freiheit meistern kann. Die kommenden Monate werden zeigen, wie nah sie ihrem endgültigen Ziel tatsächlich ist.
Helfen Sie Topan – und anderen Orang-Utans – auf ihrem Weg in die Freiheit!
Die Auswilderung von Orang-Utans wie Topan ist ein langwieriger und aufwendiger Prozess, der nur mit viel Engagement, Fachwissen – und finanzieller Unterstützung – möglich ist. Helfen Sie uns, weiteren Orang-Utans eine zweite Chance in der Wildnis zu geben! Unterstützen Sie jetzt mit Ihrer Spende – für Topan, für den Regenwald, für die Zukunft.
Ab dem 01.08.2025 und den ganzen August hindurch wird das Spezialbier im Brauhaus Südstern frisch gezapft ausgeschenkt (Hasenheide 69 in Berlin-Kreuzberg, Mo-Fr ab 16 Uhr, Sa + So ab 14 Uhr). Zumindest solange der Vorrat reicht. Von jedem verkauften Liter Orang-Utan-Ale geht ein Euro als Spende an die Projekte von BOS Deutschland.
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Was haben Orang-Utans und Pale Ale gemeinsam? Ganz klar: Die wunderbare orange-rote Farbe! Zumindest wenn es sich um das Spezialbier handelt, das das Brauhaus Südstern anlässlich des Welt-Orang-Utan-Tages am 19. August entwickelt hat. Rotes Karamellmalz gibt diesem unfiltrierten, süffigen Sommerbier seine besondere Farbe. Obergärige Hefe und Chinook-Hopfen erzeugen zarte Fruchtnoten und ein grasig-würziges Aroma, das einen Hauch von Urwald in unsere Kehlen spült.
Helmut Kurschat — Brauhaus Südstern Inhaber — ist langjähriger BOS Unterstützer
„Ein Bier, so wild wie unsere nahen Verwandten auf Borneo“, ist Daniel Merdes, Geschäftsführer von BOS Deutschland e.V., von der kreativen Idee begeistert. Und Helmut Kurschat, Inhaber des Brauhaus Südstern, erklärt: „Für unser Team ist die jährliche Aktion zum Welt-Orang-Utan-Tag ein aktiver Beitrag zum Umwelt- und Naturschutz.” Das Orang-Utan Ale wurde 2017 von Braumeister Kay Speck entwickelt.
Wir freuen uns auf Ihren Besuch!
Sie trinken kein Bier und möchten stattdessen mit einer Spende oder einer Patenschaft Orang-Utans retten? Das finden wir affenstark! Alle Möglichkeiten, die Arbeit von BOS zu unterstützen, finden Sie hier: www.orangutan.de/spenden-helfen/spenden
Ein kleines Orang-Utan-Mädchen namens Nia hat im BOS-Rettungszentrum Nyaru Menteng ein neues Zuhause gefunden. Ihre bewegende Geschichte beginnt in einem abgelegenen Dorf in Zentral-Kalimantan und brachte sie – nach tragischen Ereignissen – schließlich in unsere sicheren Hände.
Nia stammt aus dem Regenwald nahe des Dorfes Tumbang Mahop in Katingan Hulu. Dort beobachtete ein Dorfbewohner, wie eine Orang-Utan-Mutter, die ein Baby bei sich hatte, sowie ein erwachsenes Orang-Utan-Männchen von Unbekannten erschossen wurden. Die beiden erwachsenen Tiere stürzten aus den Bäumen – nur das Baby überlebte.
Nias Mutter wurde erschossen
Das verwaiste Jungtier wurde von dem Dorfbewohner mitgenommen und etwa zwei Wochen lang illegal als Haustier gehalten – ein Schicksal, das viele verwaiste Orang-Utans teilen.
Die Rettung durch Zaki
Glücklicherweise begegnete ein anderer Einheimischer namens Zaki dem Dorfbewohner und erkannte die kritische Lage des kleinen Orang-Utans. Aus Sorge um das Wohl des Babys überredete er den Mann, Nia an die BOS Foundation zu übergeben. Dieser willigte glücklicherweise ein – der Wendepunkt in Nias Leben, der sie vor einem Schicksal in Gefangenschaft bewahrte.
Bewahrt vor einem Leben als Haustier — Nia
Geschwächt, aber voller Hoffnung
Bei ihrer Ankunft im Rehabilitationszentrum war Nia etwa zehn Monate alt und wog lediglich 3,0 Kilogramm. Unser medizinisches Team stellte bei der Erstuntersuchung Abschürfungen an beiden Seiten ihres unteren Rückens fest – vermutlich verursacht durch Fesseln während ihrer Gefangenschaft.
Nia erholt sich in Nyaru Menteng von den erlittenen Strapazen
Trotz ihres jungen Alters und der Strapazen, die sie bereits hinter sich hat, zeigt Nia bemerkenswerte Stärke und Lebenswillen.
Erste Schritte in ein neues Leben
In Nyaru Menteng durchläuft Nia derzeit die Quarantänephase in der Säuglingsstation. Dort kümmern sich unsere liebevollen Babysitterinnen rund um die Uhr um sie. Nia beginnt langsam, Vertrauen zu fassen und zeigt täglich neue Fortschritte.
Nia klettert gern in den Bäumen rund um das Babyhaus
Sie klettert morgens begeistert auf die Bäume nahe der Station, schwingt sich mit ihren kleinen Händen durch die Äste und behält dabei stets ihre menschlichen Ersatzmütter im Blick. Nach einem aktiven Tag schläft sie am liebsten direkt neben ihnen – ein Ort, der ihr Sicherheit und Geborgenheit bietet.
Ein Symbol für Hoffnung und Schutz
Nias Geschichte ist ein eindringliches Beispiel für die Herausforderungen, denen Orang-Utans heute begegnen – aber auch für die Hoffnung, die durch Engagement und Mitgefühl entsteht. Ihr langer Weg bis zur vollständigen Genesung, langjährigen Ausbildung in der Waldschule und hoffentlich späteren Auswilderung hat gerade erst begonnen.
Ein langer Weg liegt vor Nia, ehe sie in den Regenwald zurückkehren kann
Wir werden Nia auf jedem Schritt dieses Weges begleiten und freuen uns darauf, ihre Entwicklung mit Ihnen zu teilen.
Forschende haben über 14 Jahre lang das Schlafverhalten von 53 Orang-Utans untersucht und herausgefunden: Auch die uns Menschen so ähnlichen Primaten kompensieren Schlafmangel durch Nickerchen während des Tages. Und es gibt einen Zusammenhang mit ihrer Kognition.
Menschen und Orang-Utans teilen 97 Prozent DNA, das ist lange bekannt. Unsere große Ähnlichkeit zeigt sich in vielerlei Hinsicht: So sind Orang-Utans in der Lage, sich Werkzeuge auszudenken und herzustellen, um damit Probleme zu lösen. Sie sind fähig zu sozialem Lernen, sie können Humor und Empathie zeigen. Und offensichtlich haben auch sie manchmal tagsüber zusätzlichen Schlafbedarf. „Sich durch die Baumkronen zu bewegen, Nahrung zu finden, Probleme zu lösen, soziale Beziehungen zu pflegen — all das sind anstrengende und kognitiv anspruchsvolle Aufgaben“, sagt Dr. Alison Ashbury, die Erstautorin der Studie. Als Bewältigungsstrategie haben Orang-Utans einen Weg gefunden, der uns sehr bekannt vorkommen dürfte: „Bei Menschen kann selbst ein kurzes Nickerchen erhebliche positive Auswirkungen auf die Erholung haben“, erklärt Mitautorin Meg Crofoot, Direktorin am Max-Planck-Institut und Professorin an der Universität Konstanz. „Es ist möglich, dass diese Nickerchen den Orang-Utans dabei helfen, sich nach einer schlechten Nacht physiologisch und kognitiv zu erholen — genau wie beim Menschen.“
Die Forschenden beobachten wildlebende Orang-Utans im indonesischen Regenwald
Die Studie mit dem Titel „Wild orangutans maintain sleep homeostasis through napping, counterbalancing socio-ecological factors that interfere with their sleep“ wurde von Forschenden des Max-Planck-Instituts für Verhaltensbiologie, der Universität Konstanz und der Universitas Nasional in Indonesien gemeinsam durchgeführt. Über einen Zeitraum von 14 Jahren sammelte das internationale Team Daten von 53 Orang-Utans. Dazu beobachteten sie wildlebende erwachsene Tiere in der Suaq Balimbing Monitoring Station auf der Insel Sumatra und zeichneten insgesamt 455 Beobachtungstage und ‑nächte auf.
Kunstvolles Gebilde im Baumwipfel: Orang-Utan in seinem Schlafnest
Die Beobachtung des Schlafes stellte die Forschenden vor eine logistische Herausforderung, denn Orang-Utans schlafen hoch oben in den Baumwipfeln des Regenwaldes, also weit entfernt vom menschlichen Auge. Würde es sich um Vögel handeln, könnte man eine unauffällige Kamera oberhalb des Nestes installieren. Bei Orang-Utans ist es jedoch so, dass sie sich im Laufe des Tages auf Futtersuche durch den Regenwald bewegen und sich Nacht für Nacht – und wie die Forschenden herausfanden: auch für jedes Tagesschläfchen – einen neuen, sicheren Ort suchen. Dort bauen sie sich dann in etwa zehn Minuten, tagsüber in noch kürzerer Zeit, ein Schlafnest.
Schlaf ist im Labor gut untersucht, die freie Wildbahn ermöglicht neue Erkenntnisse
Die dem Schlaf unterliegenden Prozesse und die Vorteile des Schlafs sind im Labor gut untersucht. Die Forschenden betonen in ihrer Arbeit jedoch, dass es unabdingbar sei, Schlaf auch in freier Wildbahn unter den natürlichen sozialen und ökologischen Bedingungen zu erforschen. Nur so sei es möglich, unser Verständnis der evolutionären Ursprünge und der Funktionen des Schlafs zu erweitern und Fragen zu klären wie: Warum verbringen Orang-Utans einen so großen Teil ihres Lebens in diesem verletzlichen, unbewussten Zustand? Welche Kompromisse müssen sie eingehen, welche Abwägungen zwischen Schlafbedürfnis, sozialen, ökologischen und anderen Anforderungen treffen? Erste Hinweise auf diese Fragestellungen hat die vorliegende Studie ergeben, doch es sind noch weitere, vertiefende Studien nötig. „Wir müssen die Schlafforschung aus den Labors in die Natur bringen“, betont Crofoot.
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Um die Beobachtung in freier Wildbahn zu ermöglichen, legten die Forschenden des Instituts für Verhaltensbiologie daher Geräusche als Indikator für die Schlaf- und Wachphasen fest. Wenn sich ein Orang-Utan aus seinem Schlafnest bewegt, ist das weithin hör- und sichtbar durch lautes Rascheln und Bewegungen in der Baumkrone. War der Orang-Utan hingegen ins Nest geklettert und es kehrte Ruhe ein, werteten die Forschenden dies als Schlafzeit. So fanden sie heraus, dass Orang-Utans im Durchschnitt fast 13 Stunden pro Nacht schlafen. Und dass es Faktoren gibt, die den Nachtschlaf beeinträchtigen und verkürzen: Dazu gehörten kältere Nachttemperaturen, die abendliche Anwesenheit anderer Orang-Utans sowie das Zurücklegen weiter Distanzen am Vortag.
Beneidenswert: Orang-Utans schlafen durchschnittlich 13 Stunden pro Nacht
„Wir fanden es sehr interessant, dass allein die Anwesenheit von anderen Orang-Utans beim Bau eines Nachtnests mit kürzeren Schlafzeiten verbunden war“, sagt Dr. Alison Ashbury, Erstautorin der Studie und Evolutionsbiologin am Max-Planck-Institut und an der Universität Konstanz. “Es ist etwa so wie wenn Sie lange aufbleiben, wenn Sie Freunde zu Besuch haben, oder Ihr Mitbewohner morgens so laut schnarcht, dass Sie früher als sonst aufstehen. Sie scheinen der Geselligkeit den Vorrang vor dem Schlafen zu geben, oder ihr Schlaf wird durch die Anwesenheit von anderen gestört — oder gar beides zusammen.”
Powernaps kompensieren Schlafmangel in der Nacht
Um zu verstehen, wie sich Orang-Utans von verlorenem Nachtschlaf erholen, beobachteten die Forschenden auch das Schlafverhalten am Tag. Dabei fanden sie einen eindeutigen Kompensationseffekt: Je mehr Schlaf in der Nacht verpasst wurde, desto länger das Nickerchen am Tag. Pro Stunde verpasstem Nachtschlaf verlängerte sich der Powernap am Tag um fünf bis zehn Minuten. An rund 41 Prozent der beobachteten Tage hielten die Orang-Utans mindestens ein Nickerchen. Die durchschnittliche Dauer dieser Nickerchen betrug 76 Minuten. Die Nickerchenstrategie wird möglicherweise durch ihre halbsolitäre Lebensweise ermöglicht: Während in Gruppen lebende Primaten sich ständig mit ihren Artgenossen abstimmen müssen, können Orang-Utans freier entscheiden, wann und wo sie schlafen wollen.
Auch Orang-Utan-Kinder werden manchmal ganz plötzlich von Müdigkeit überrascht
Interessante Nebenbeobachtung: Auch für das Nickerchen am Tag bauen sich Orang-Utans stets ein neues Schlafnest. Diese sind jedoch einfacher und schneller gebaut – nämlich in nur etwa zwei Minuten – als die Nachtnester. Sie bieten weniger Komfort, sind weniger raffiniert, aber bieten ebenfalls einen sicheren und stabilen Ort für ein entspanntes Schläfchen.
Die Forschenden glauben, dass ihre Erkenntnisse mit der Kognition der Orang-Utans in Zusammenhang stehen könnte. Die für die Studie beobachtete Suaq-Population von Orant-Utans auf Sumatra ist für ihren Werkzeuggebrauch und ihre kulturelle Komplexität bekannt. „Von allen untersuchten Orang-Utan-Populationen weisen die Suaq-Orang-Utans wohl das breiteste Spektrum an kognitiv anspruchsvollen Verhaltensweisen auf“, sagt Caroline Schuppli, die die Forschung an der Suaq Forschungsstation leitet.
Zusammenhang zwischen Kognition der Orang-Utans und höherem Schlafbedürfnis
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Nun gibt es zwei mögliche Interpretationen dafür: Entweder brauchen Orang-Utans die Nickerchen am Tag, um ihren kognitiven Anforderungen gerecht zu werden. Oder aber die ausgeprägten kognitiven Fähigkeiten konnten sich überhaupt erst dadurch entwickeln, dass die Orang-Utans sich tagsüber regelmäßig eine Auszeit gönnen und einen Powernap machen. Es sind spannende Erkenntnisse, die wieder einmal aufzeigen, wie ähnlich Orang-Utans uns Menschen sind. Und wie wichtig es ist, diese faszinierende Spezies weiter zu erforschen. Nicht zuletzt weil wir das, was wir gut kennen, noch besser schützen können.
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