Wie schaffe ich es bloß, an diese Leckereien heranzukommen?! Unser Orang-Utan-Nachwuchs hat die Aufgabe ganz unterschiedlich gelöst – und uns dabei wieder einmal gezeigt, was für individuelle Persönlichkeiten sie sind.
In der Wildnis müssen Orang-Utans in der Lage sein, Futterquellen zu finden und für sich zugänglich zu machen. Dazu brauchen sie nicht nur das Wissen und die Erfahrung, wo beispielsweise Früchte, Blüten, Insekten oder Waldhonig zu finden sind und was davon essbar und ungefährlich ist. Die Tiere müssen oft auch kreativ und einfallsreich vorgehen, um an die Leckereien heranzukommen.
In unserer Waldschule bekommt der Orang-Utan-Nachwuchs Denksportaufgaben in Futterform
Um diese Fähigkeiten zu trainieren, bekommen unsere Waldschüler deshalb immer wieder Futter, das sie nicht einfach so verzehren können. Heute zum Beispiel Bambus-Stücke, die mit gefrorenem Kürbispürree gefüllt sind.
Wie kriegt man den köstlichen Kürbis da nur heraus?! Das Lösen der Aufgabe fördert nicht nur die kognitive Entwicklung der Orang-Utans – für uns ist es auch jedes Mal spannend zu beobachten, wie unterschiedlich die Tiere vorgehen.
Beobachten, nachahmen oder selbst tüfteln?
Auf dem Foto seht ihr Paulinus (Bildmitte), einen unserer jüngsten Orang-Utans in der Waldschulgruppe 3, der sich bei dieser Aufgabe ganz besonders geschickt anstellt. Er nutzt seinen Finger, um das Kürbispürre Stück für Stück aus dem Bambus zu holen.
Alexandra (rechts auf dem Bild) schaut ihm dabei ganz genau zu. Sie selbst war zunächst unschlüssig, wie sie an die leckere Füllung herankommen soll, lernt aber sehr schnell durch Beobachtung.
Bumi hingegen (hinten links im Bild) möchte Dinge am liebsten selbst herausfinden. Er hat sich etwas abseits gesetzt und probiert verschiedene Methoden aus. Ist sein hochkonzentrierter und ein bisschen ratloser Gesichtsausdruck nicht süß?
Aus dem Kehje Sewen Wald in Ost-Kalimantan erreichen uns wunderbare Neuigkeiten: Die 16-jährige Orang-Utan-Dame Bungan, die 2015 von uns ausgewildert wurde, ist im Mai 2022 zum ersten Mal Mutter geworden! Baby Bunga ist das 27. in der Wildnis geborene Baby, sieben davon kamen in Kehje Sewen auf die Welt.
Wir hatten da so eine Ahnung…denn vor knapp neun Monaten beobachtete unser Monitoring-Team Bungan dabei, wie sie auffallend viel Zeit mit Hamzah verbrachte, einem dominanten Männchen. Das war im August 2021 und wir haben seitdem alle fest die Daumen gedrückt.
Jedes einzelne wild geborene Baby ist ein riesiger Erfolg für unsere Mission, denn Orang-Utans gehören zu den Lebewesen mit der geringsten Reproduktionsrate weltweit. Und in diesem Fall waren wir sehr zuversichtlich, dass es mit Bungan und Hamzah klappen könnte.
Geschickt bei der Futtersuche: Bungan
Bungan war von uns im Dezember 2015 ausgewildert worden, nachdem sie sich in unserem Schutzzentrum zu einer starken und unabhängigen Orang-Utan-Dame entwickelt hatte. Sie war im Mai 2007 als einjähriges Baby zu uns gekommen und zeigte in der Waldschule sehr viel Intelligenz, was sich vor allem bei der Nahrungssuche und dem geschickten Bau der Schlafnester zeigte.
Ein perfektes Match: Bungan und Hamzah
Hamzah konnte vier Jahre mit seiner Mutter verbringen, ehe er ihr auf tragische Weise entrissen wurde und einige Zeit darauf als Waise in unser Schutzzentrum kam. Sie hatte ihm schon einiges beibringen können, was ein Orang-Utan für ein Leben in der Wildnis benötigt, und den Rest lernte er in unserer Waldschule. Seit 2012 lebt Hamzah bereits im Waldgebiet Kehje Sewen – er gehörte zur zweiten Auswilderungsgruppe, die dort ihr neues Zuhause gefunden hat.
Unser Team beobachtete die beiden also im August 2021 eine ganze Weile und tatsächlich: Nach einiger Zeit kopulierten die beiden miteinander – und gingen danach wieder getrennter Wege.
Liebe in den Baumwipfeln: Bungan und Hamzah
Erst im Mai 2022 wurde Bungan in Pelangsiran gesichtet. Sie hatte einen großen Bauch und zeigte weitere Anzeichen einer fortgeschrittenen Schwangerschaft. Unser Team rechnete zurück, wann sie Bungan und Hamzah zusammen gesehen hatten, und kamen auf einen sehr kurz bevorstehenden Geburtstermin.
Vier Tage lang blieb Bungan nach dieser erneuten Sichtung verschwunden und als ein Mitglied unseres Monitoring-Teams sie wieder entdeckte, hatte sie ein Baby im Arm!
Das Baby war in guter Verfassung und nachdem wir durch weitere Beobachtung herausgefunden hatten, dass es ein Mädchen ist, nannten wir sie Bunga. Das ist Indonesisch für “Blume”.
Dem Orang-Utan-Baby geht es gut und Bungan ist eine sehr fürsorgliche Mama
Mama Bungan ist eine sehr soziale Orang-Utan-Dame, die sich Artgenossen gegenüber nicht aggressiv verhält. Wir haben sie schon oft gemeinsam mit anderen weiblichen wie auch männlichen Orang-Utans in den Bäumen beobachten können.
Unser Team ist glücklich, dass sich Bungan ihrem Baby gegenüber sehr liebevoll und fürsorglich verhält. Sie streichelt und liebkost Bunga und sorgt bestens für sie.
Unser Tierarzt Muhtadin hat die beiden sorgfältig untersucht und dabei nur eine winzige Wunde an Bungas Mittelfinger entdeckt, die mit etwas Desinfektionsspray versorgt werden konnte.
Unser Monitoring-Team hat Bungan schon des öfteren in der Gegend um Pelangsiran beobachtet, wo mehrere lokale Communities leben. Aus diesem Grund hat unser Team beschlossen, Mama und Kind zu ihrem eigenen Schutz in ein anderes Waldstück weiter im Norden umzusiedeln.
Wenige Tage alt: Baby Bunga
Der Transport fand bereits im Mai statt und beide haben ihn sehr gut überstanden. Bungan ist während der gesamten Reise ganz entspannt geblieben, hat das ihr angebotene Futter gegessen und sich um ihre Kleine gekümmert.
Als die Luke der Transportbox sich öffnete, hat Mama Bungan für sich und ihr Baby direkt ein Plätzchen oben in den Baumwipfeln gesucht.
Wir wünschen uns, dass Baby Bunga von ihrer starken und klugen Mama all das lernen wird, was sie für ein langes und gesundes Orang-Utan-Leben in Freiheit benötigt.
Herzlichen Glückwunsch, Bungan, zu deinem entzückenden Töchterchen!
Fünf Babys haben inzwischen in unserem Auswilderungswald Kehje Sewen (Ost-Kalimantan) das Licht der Welt erblickt. Bei dreien scheinen sich die Mütter richtig gut zu verstehen, denn immer wieder treffen wir Lesan, Sayang und Teresa mit ihren Kids Ayu, Padma und Berani gemeinsam im Wald an. Ist ja auch nett, sich mal auszutauschen, die Kinder spielen zu lassen und einfach mal eine entspannte Zeit gemeinsam zu verbringen. Ehe man wieder allein mit dem Nachwuchs durch den Regenwald streift.
Nicht weit von Camp Lesik entdeckte unser PRM-Team die drei Mütter und ihre Kinder an einem Nachmittag in einem Feigenbaum. Kaffeeklatsch auf Orang-Utan-Art sozusagen.
Kaffeeklatsch im Feigenbaum
Lesan (19) und Tochter Ayu (6) wurden zuerst entdeckt, wie sie sich im Feigenbaum vergnügten – allerdings auf unterschiedlichen Ästen. Etwas weiter unten saßen dann auch Sayang (12) und Tochter Padma (4) sowie Teresa (13) mit Sohn Berani (4), die sich auf nahe gelegenen Ästen desselben Baumes entspannten.
Teresa und Berani
Kurz darauf wanderten Sayang und Padma zu einem Goldpflaumenbaum. Ayu schloss sich den beiden an, während ihre Mutter Lesan ihr nur mit den Blicken folgte. Sayang und Padma ließen sich die Blätter der Goldpflaume schmecken, was Ayu mit großem Interesse verfolgte.
Sayang und Padma
Ayu forderte Padma immer wieder zum Spielen auf. Aber Mama-Kind Padma blieb dicht bei ihrer Mutter Sayang, die sie auch nicht aus den Armen ließ. Allerdings zeigte Sayang Ayu, wie man sich durchs Geäst hangelt und teilte auch Futter mit ihr.
Ayus Mutter Lesan nahm derweil Kontakt zu Teresa auf. Gegenseitig widmeten sie sich der Fellpflege („grooming“), was Teresas Sohn Berani interessiert beobachtete.
Lesan und Teresa bei der gegenseitigen Fellpflege
Schließlich löste sich der Mutter-Kind-Club auf. Sayang zog mit Padma in den Wald hinter dem Camp, während Lesan mit Ayu und Teresa mit Berani in Richtung Fluss wanderten.
Für uns ist es immer ein Höhepunkt, solche Zusammentreffen von Müttern mit ihrem Nachwuchs im Wald zu beobachten. Möge diese neue Orang-Utan-Generation ein unabhängiges, sicheres, langes und gesundes Leben im Wald von Kehje Sewen führen!
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Die DNA von Orang-Utans und uns Menschen stimmt zu 97 Prozent überein. Tatsächlich sind uns diese intelligenten Tiere in ihrem Verhalten und ihren Bedürfnissen sehr ähnlich. Nur deswegen ist es überhaupt möglich, dass unsere „Ersatzmütter“ den kleinen Orang-Utan-Waisen in der Waldschule alles das beibringen, was sie sonst von ihren Müttern gelernt hätten. Wieviel wir Menschen umgekehrt von den Orang-Utans lernen können, erleben unsere Monitoring-Teams immer wieder. Zum Beispiel, wie man im Wald überlebt.
Unsere Post-Release-Monitoring-Teams arbeiten tief im Regenwald, weitab von jeglicher Zivilisation. Immer wieder müssen Versorgungstrupps neben dem benötigten Equipment auch Nahrungsmittel in die Camps liefern. In Schlechtwetter-Zeiten kann es auch mal länger dauern, bis Nachschub kommt. Frisch gefangener Fisch aus den nahegelegenen Flüssen ergänzt dann den Speiseplan.
Doch der Regenwald bietet noch so viel mehr an Nahrung – wenn man weiß, was essbar und was giftig ist. Es gibt unzählige Pflanzen und Früchte, die wir Menschen völlig unbedenklich essen können. Wer sich jedoch nicht auskennt, kann nur schwer unterscheiden, was gut schmeckt und wovon wir besser die Finger lassen. Orang-Utans kennen den Unterschied sehr genau. Was liegt da näher, als diese Experten bei ihrer Nahrungsbeschaffung zu beobachten – und von ihnen zu lernen?
Orang-Utans wissen sehr genau, was essbar ist
Kimi ist ein wildes Orang-Utan-Weibchen
Vor einiger Zeit entdeckte unser Team auf der Insel Juq Kehje Swen Desi und Kimi. Desi lebt seit Sommer 2019 auf der Vorauswilderungsinsel. Schon kurz nach ihrer Ankunft hatte sie eine neue Freundin gefunden: Kimi, ein wildes Orang-Utan-Weibchen, das schon länger auf der Insel lebt. Desi, die viele Jahre im Samboja Lestari Rehabilitationszentrum auf ein Leben in Freiheit vorbereitet wurde, hat ganz andere Gewohnheiten und Strategien zur Futtersuche als die wilde Kimi. Diese ist eindeutig vertrauter mit einer größeren Auswahl an natürlichen Nahrungsquellen im Wald. Indem Desi ihre Freundin sehr genau beobachtet, lernt sie jeden Tag immer mehr Früchte und Pflanzen kennen, die essbar sind. Und auch unsere Teams lernen, denn sie beobachten und dokumentieren die Aktivitäten der beiden Menschenaffen sehr genau.
Die gelbe Loa-Frucht (ficus racemose) schmeckt auch Menschen
Das Vertrauen in das Wissen der Orang-Utans geht sogar so weit, dass das Team einige der Lieblingsfrüchte der beiden selbst probiert hat: Zum Beispiel Lunuk, oder auch wilde Feige (Ficus sp.), und Loa (Ficus racemose), die beide auf der Insel Juq Kehje Swen häufig vorkommen. Und tatsächlich – die Früchte schmecken richtig gut! Anderes Obst ist zwar nicht so lecker, aber dennoch gut bekömmlich. Zum Beispiel die Früchte von Drewak (Microcos sp.) und Lempaung (Baccaurea lanceolate). Sie hinterlassen einen sauren Geschmack auf der Zunge, sind aber essbar. Auch einige Blätter und Kräuter, wie die würzigen Zingiberaceae-Röhren, sind bei Orang-Utans sehr beliebt und schmecken auch den Menschen.
Um eine andere Frucht, die als mondokaki oder bongang (Tabernaemontana macrocarpa) bekannt ist, haben die beiden Orang-Utan-Weibchen einen weiten Bogen gemacht. Unser Team nahm das als deutlichen Hinweis und hat diese roten Früchte nicht einmal angefasst. Und tatsächlich: Offenbar wird diese Pflanze in einigen Formen als Medizin verwendet aber dient in anderer Form als Pfeilgift. Also Hände weg!
Achtung giftig! Die Tabernaemontana macrocarpa
Wir können viel von Orang-Utans lernen
Der tropische Regenwald, mit seiner unvorstellbaren Vielfalt an Pflanzen, bietet noch sehr viel mehr. Wussten Sie, dass mehr als die Hälfte aller Wirkstoffe aus der modernen Medizin von tropischen Pflanzen stammen? Der Regenwald ist eine wahre Apotheke – wenn man weiß, welche Pflanzen heilen und welche giftig sind. Beide Sorten sind reichlich vorhanden. So gibt es beispielsweise Blätter gegen Fieber (Durian), Verstopfung (Papaya) oder Entzündungen (Dracaena cantleyi). Die Orang-Utans machen sich diese Heilkraft der Pflanzen zunutze. So wurden sie dabei beobachtet, wie sie die Blätter der Dracaena cantleyi zerkauten und sich anschließend den entzündungshemmenden Speichel-Pflanzen-Mix auf ihre Gliedmaßen schmierten.
Durch die Beobachtung der Orang-Utans lernen unsere Teams, wie sie im Fall der Fälle im Regenwald überleben können.
Manche Früchte wachsen hoch im Baum
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Herzerwärmende Geschichten aus der größten Auffangstation für Orang-Utans der Welt: Hier tun die Tierpfleger alles, um die geretteten jungen Affen auf das Leben in der Wildnis vorzubereiten.