Einen ausgewilderten Orang-Utan im Regenwald zu entdecken, ist ein bisschen so wie, die Nadel im Heuhaufen zu finden: Definitiv kein einfaches Unterfangen. Und eine große Portion Glück gehört auch dazu. Doppelt Glück hatte darum kürzlich unser Beobachtungsteam in unserem Auswilderungswald Kehje Sewen. Denn sie trafen auf zwei Waldmenschen gleichzeitig.
Am frühen Morgen machten sich zwei Zweierteams von Camp Lesik auf in den Wald, um nach Orang-Utans Ausschau zu halten. Alte Schlafnester, beliebte und fruchttragende Futterbäume und ganz viel Erfahrung helfen den Beobachtungsteams bei ihrer Arbeit. Doch diesmal spielte auch das Glück eine große Rolle. Am Hubschrauberlandeplatz wollten die beiden Teams getrennter Wege gehen. Doch an der Weggabelung bemerkten sie eine Bewegung in den Bäumen.
Seit sechs Jahren in Freiheit
Tatsächlich! Ein Orang-Utan hangelte sich hier durch das Geäst. Die Beobachter zückten direkt ihre Kameras, um den Orang-Utan anhand der herangezoomten Bilder zu identifizieren. Es war Erina, ein Weibchen, das wir Mitte 2018 im Alter von acht Jahren in Kehje Sewen ausgewildert haben.
Nur wenige Minuten später tauchte plötzlich ein weiterer, größerer Orang-Utan auf. Das Team konnte zwar erkennen, dass es sich um einen männlichen Orang-Utan handelte. Doch identifizieren konnten sie den Waldmenschen nicht.
Das unbekannte Orang-Utan-Männchen
Erina haben wir als einen schüchternen Orang-Utan in Erinnerung, wenn es um den Kontakt mit Menschen geht. Den Umgang mit anderen Orang-Utans hat sie allerdings immer genossen. Daher ist es nicht verwunderlich, dass sie nun ihre Zeit mit einem Artgenossen verbringt.
Freundschaft oder mehr?
Während des Treffens wurden die beiden dabei beobachtet, wie sie gemeinsam auf Bäume kletterten und sich von wilden Feigen (Ficus sp.) ernährten. Und nicht nur das, die beiden fanden auch Zeit, zur gegenseitigen Fellpflege.
Erina und der unbekannte Mann verstehen sich gut
Orang-Utans leben halbsolitär, so dass partnerschaftliche Interaktionen wie diese zwischen zwei nicht verwandten Individuen selten sind. Da es sich um Tiere unterschiedlichen Geschlechts handelt, befinden sie sich möglicherweise gerade in einer Lebensgemeinschaft, in der ein männlicher und ein weiblicher Orang-Utan für eine kurze Zeit Seite an Seite leben und sich auch paaren. Genieße die Zeit mit Deinem neuen Mann, Erina!
Da kann man Pläne schmieden, wie man will. Manchmal macht einem das Leben einfach mal einen dicken Strich durch die Rechnung. Das ist eine Lektion, die wir bei der Arbeit mit Orang-Utans immer wieder lernen mussten. Zum Beispiel bei Waldstudentin Malia, die mit einer freudigen Überraschung all unsere Pläne zunichtemachte.
Die Orang-Utans auf unseren Vorauswilderungsinseln werden von erfahrenen Mitarbeitern intensiv beobachtet. So stellen wir nicht nur fest, ob die Waldstudenten gesundheitlich fit sind, sondern können auch ihre Fähigkeiten beurteilen. Begeben sich die Tiere motiviert auf Erkundungstouren über die Insel oder bewegen sie sich kaum vom Ufer weg? Suchen sie sich selbstständig Nahrung im Wald oder erwarten sie nur sehnsüchtig die nächste Futterlieferung? Bauen sie täglich stabile Schlafnester oder legen sie sich bequem in gemachte Nester ihrer Kommilitonen?
Der großen Freiheit so nah
Bei all diesen Fragen konnten wir Orang-Utan-Weibchen Malia immer wieder einen begeisterten Daumen nach oben geben. Und darum wurde sie als Kandidatin für eine Auswilderung auserkoren. Dafür fangen wir die potentiellen neuen Wilden auf den Inseln ein und holen sie für einen ausgiebigen Gesundheitscheck ins Rettungszentrum zurück. So auch Malia. Als ihre Laborwerte vorlagen, staunten unsere Tierärzte nicht schlecht: Malia erwartet ein Baby!
Unter diesen Umständen mussten wir Malias Auswilderung erstmal verschieben und sie auf die Insel Bangamat zurückbringen. Denn weder schwanger noch mit einem gerade geborenen Baby sollte einer unserer Orang-Utans sein neues freies Leben starten müssen. Die Auswilderung allein ist schon eine große, aufregende und anstrengende Lebensumstellung.
Malia im April 2024: Zurück auf der Vorauswilderungsinsel
Jetzt lebt Malia also weiterhin ihr Studentenleben auf der Insel. Und beweist uns hier immer noch, wie bereit sie für das wilde Leben ist. Kommen unsere Mitarbeiter ihr zu nahe, schüttelt sie aufgeregt die Äste des Baumes, auf dem sie sitzt, um ihr Missfallen kundzutun. Sie ist eifrig auf der Insel unterwegs auf der Suche nach Nahrung, besucht aber auch die Fütterungsplattformen, um sich ein paar Kalorien mehr zu gönnen. So deutet alles darauf hin, dass es Malia auch während ihrer Schwangerschaft gut geht.
Im Mai kann man die Schwangerschaft schon erahnen
Wie es sich für eine werdende Mutter gehört, gönnt Malia sich auch die nötige Ruhe. So konnten wir beobachten, wie sie sich in über sechs Metern Höhe ein bequemes Schlafnest für die Mittagsruhe errichtete, von wo aus sie ihre Umgebung entspannt im Blick behielt.
Es ist Juni und Malias Bauch deutlich zu erkennen. In ihrem Schlafnest gönnt sie sich etwas Ruhe
Viel Glück Malia. Wir freuen uns schon darauf, Dich bald mit Deinem Nachwuchs beobachten zu können.
Im Dezember 2023 machten wir acht Orang-Utans ein verfrühtes Weihnachtsgeschenk: Die Freiheit im Nationalpark Bukit Baka Bukit Raya. Nach vielen Jahren der Rehabilitation in unserem Rettungszentrum Nyaru Menteng dürfen sie hier nun endlich das wilde Orang-Utan-Leben auskosten. Unsere Ranger waren ihnen in den ersten Monaten dicht auf den Fersen und haben uns von einigen ihrer Beobachtungen berichtet.
Die Auswilderung Ende 2023 war eine ziemliche Herausforderung, da das Team die Orang-Utans damals an zwei verschiedene Auswilderungsorte im Nationalpark brachte. Eine Gruppe wurde ans Bemban-Becken gebracht, die zweite ans Hiran-Becken.
Auf dem Wasserweg schipperten die Orang-Utans der Freiheit entgegen
Für Cinta, Liti, Ojes und Wanto öffneten wir die Transportboxen am Bemban-Fluss. Unmittelbar danach kehrte das Auswilderungs-Team zum Camp zurück. Denn dort warteten Fajar, Tomang, Lala und Fathia schon sehnsüchtig auf ihren großen Augenblick.
Tomangs erste Schritte im Regenwald im Dezember 2023Fajar erklomm sofort den nächsten Baum im Nationalpark
Unsere Beobachtungsteams, die das ganze Jahr im Regenwald verbringen, um unseren Orang-Utans auf der Spur zu bleiben, konnten vor allem mit Fajar und Tomang einiges erleben.
Nimmersatt Tomang
Mit seinem gesegneten Appetit war Tomang auch in Nyaru Menteng immer schon ein begeisterter Nahrungsvertilger. Daran hat seine Auswilderung nichts geändert. Immer auf der Suche nach Futter, durchstreift er inzwischen den Nationalpark. Dabei kam er auch unserem Camp einmal recht nahe. Er hatte dort leere Transportboxen auf einem Boot entdeckt. Da ging der schlaue Tomang gleich mal nachschauen, ob dort nicht vielleicht ein paar Leckereien auf ihn warten würden. Als dem nicht so war, machte er sich schnell wieder auf und davon in den dichten Dschungelwald.
Tomang genießt das freie Dschungelleben
Orang-Utan-Weibchen Fajar zeigte sich den Beobachtern immer sehr aktiv. Konzentriert erkundete sie ihre neue Umgebung, labte sich an den wilden Feigen und interagierte mit anderen Orang-Utans. Überraschenderweise schienen der bequeme Tomang und die abenteuerlustige Fajar einen guten Draht zueinander zu entwickeln. Einen sehr guten sogar. Das Team stolperte nämlich über die beiden bei einer ausgiebigen Kopulation.
Haben sich gefunden: Tomang und Fajar
Jetzt hoffen wir natürlich, dass der Nationalpark Bukit Baka Bukit Raya vielleicht bald noch einen neuen Bewohner bekommen wird…
Man stelle sich vor, man ist ohne jegliche Sprachkenntnisse in einem fremden Land. Wie können wir uns vor Ort orientieren? Natürlich nur mittels Beobachtung und Nachahmung der „Einheimischen“. Nicht viel anders machen es männliche Orang-Utans in ihnen fremden Gebieten.
Dabei stellten die Forscherinnen und Forscher in der 18 Jahre dauernden Studie an wilden Orang-Utans fest, dass die Antwort auf die Frage, welche Kräfte die soziale Übertragung vorantreiben, in dem ökologischen Habitat und der entsprechenden Nahrungsverfügbarkeit eines Tieres zu finden ist. Sie untersuchten, wie männliche Orang-Utans von anderen lernen und fanden heraus, dass Individuen, die in Lebensräumen mit reichlich Nahrung aufwuchsen, eine höhere Neigung zum sozialen Lernen hatten.
Männliche Orang-Utans durchstreifen große Areale
Männliche Orang-Utans, die in Habitaten mit reichlich Nahrung aufwuchsen, neigten dazu, mehr Zeit im engen Kontakt mit anderen zu verbringen und häufiger soziales Lernen zu praktizieren. Dies deutet darauf hin, dass die ökologische Ressourcenverfügbarkeit eines Habitats das soziale Lernen eines Tieres modulieren kann.
Unterschiede zwischen Sumatra- und Borneo-Orang-Utans
Die Studie zeigt, dass die ökologische Nahrungsverfügbarkeit die Möglichkeiten des sozialen Lernens beeinflusst und damit die Wahrscheinlichkeit, dass neue Verhaltensweisen kulturell werden. Die Ergebnisse weisen darauf hin, dass die ökologische Ressourcenverfügbarkeit einen tiefen evolutionären Ursprung hat und sich auf die Neigung zum sozialen Lernen innerhalb der Abstammungslinie der Hominiden auswirken kann.
Quelle: Orangutan males make increased use of social learning opportunities, when resource availability is high | Julia Mörchen et al. | iScience
Meist ist sie leuchtend grün. Bei Gefahr – oder wenn sie einen potentiellen Partner umwirbt – kann sie ihre Hautfarbe jedoch in ein dunkles Braun verwandeln: Die Borneo-Langschwanzagame (Bronchocela cristatella) beherrscht die Kunst, perfekt mit ihrem Lebensraum zu verschmelzen. Doch unsere Ranger in unserem Auswilderungswald Kehje Sewen (Ost-Kalimantan) haben sie dennoch aufgespürt.
Sie gehört zur Familie der Agamen (Agamidae) und ist in Südostasien beheimatet. Man findet die Borneo-Langschwanzagame – wie der Name schon vermuten lässt – auf Borneo in Indonesien und Malaysia. Außerdem in Singapur, auf den Philippinen, im südlichen Thailand, Myanmar und auf den Nikobaren. Die Weltnaturschutzunion (IUCN) stuft diese Echse als „wenig gefährdet“ (least concern) ein. Diese Einstufung könnte jedoch darauf zurückzuführen sein, dass keine ausreichenden Daten vorliegen.
Dank guter Tarnung ist die Borneo-Langschwanzagame……im Geäst der Bäume kaum auszumachen.
Denn die Borneo-Langschwanzagame ist im Anhang II des Übereinkommens über den internationalen Handel mit gefährdeten Arten freilebender Tiere und Pflanzen (CITES) aufgeführt. Das widerspricht der Einstufung der IUCN und deutet darauf hin, dass sie nicht in großen Mengen gehandelt werden sollte, um einen Rückgang der Wildpopulation zu verhindern. Denn leider wird diese Art immer noch häufig auf dem prosperierenden Wildtiermarkt gehandelt und von Exoten-Sammlern auf der ganzen Welt gehalten.
Die hübsche Echse ist bei Exoten-Sammlern leider begehrt
Die im Englischen Green Crested Lizard genannte Art bewohnt Primär- und Sekundärwälder und Gebiete in der Nähe menschlicher Siedlungen. Sie ist tagaktiv, bevorzugt helle und warme Standorte und kann sich mit großer Schnelligkeit durchs Geäst bewegen. Auf dem Speiseplan der Borneo-Langschwanzagame stehen verschiedene Insektenarten, was sie zu einem natürlichen Räuber von Pflanzenschädlingen in freier Wildbahn macht.
Am Tag macht sich Bronchocela cristatella auf die Jagd nach Insekten
Die Agame ist hellgrün mit einem leichten Blaustich auf dem Körper. Die Männchen haben im Vergleich zu den Weibchen einen ausgeprägteren Kamm am Hals. 13 Zentimeter lang ist ihr Körper. Bis zur Schwanzspitze misst sie allerdings 57 Zentimeter. Ihre Fähigkeit zur Tarnung hilft der Borneo-Langschwanzagame, mit dem dichten Laub der Bäume und Äste zu verschmelzen, und bietet ihnen Schutz vor natürlichen Fressfeinden wie Schlangen und Adlern.
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