Im ersten Teil unseres Reports haben wir vom Target Training der Malaienbären und vom Sicherheitstraining am Elektrozaun berichtet. Heute nehmen wir Sie erneut mit in unsere Bärenschule, die sich im BOS-Rettungszentrum Samboja Lestari befindet. Dort kümmern wir uns bereits seit 1998 auch um gerettete Malaienbären, die ebenfalls akut vom Aussterben bedroht sind. Aber leider – im Gegensatz zu Orang-Utans – nicht wieder ausgewildert werden können.
Lektion 3 in unserer Bärenschule: der Transportkäfig
Freiwillig in den Käfig? Ja, genau! Durch ein spezielles Training gelingt es unseren Pflegern, die Malaienbären an den Transportkäfig als etwas Normales, keinesfalls Bedrohliches zu gewöhnen. Dadurch können wir die Tiere bei Bedarf sicher und stressfrei von einem Ort zum anderen transportieren – ganz ohne den Einsatz von Betäubungsmitteln.
Und wie gelingt es unserem Team nun, den Bären Tiefenentspannung im Umgang mit dem Käfig mit auf den Weg zu geben?
Zunächst stellen wir den Käfig für drei Tage direkt neben das Gehege, in dem der Malaienbär lebt, um ihn an den Anblick des unbekannten Objektes zu gewöhnen. Als nächstes wird der Käfig ins Gehege gesetzt und seine Tür geöffnet, damit der Bär ihn sich von allen Seiten anschauen und dabei frei hinein- und wieder hinausbewegen kann.
Wenn die Pfleger beobachten, dass der Malaienbär rund um den Transportkäfig ruhig und entspannt bleibt, ermutigen sie ihn, sich für eine etwas länger Zeit darin aufzuhalten. Zunächst allein, dann in Begleitung von vier Pflegern, die ganz behutsam den Käfig bewegen oder kurz die Tür auf und zu machen. Wenn auch das toleriert wird, kann die Tür des Transportkäfigs für immer längere Zeit geschlossen und schließlich der Käfig mit dem Bären darin vorsichtig angehoben und bewegt werden. Mission erfüllt!
Positive Verstärkung und Belohnungen helfen den Malaienbären beim Lernen
Wie Sie sich vorstellen können, ist es sehr zeitaufwändig, das Vertrauen der Bären zu gewinnen und sie an den Transportkäfig zu gewöhnen. Zehn Trainingssessions, verteilt über einen Monat, dauerte unsere bislang schnellste Eingewöhnung.
Bei allen Lektionen in der “Bärenschule” arbeiten wir grundsätzlich nur mit Mitteln der positiven Verstärkung sowie mit Belohnungen, niemals mit Gewalt oder Strafen. Und natürlich trainieren wir die Bären nicht, damit sie anschließend in irgendeiner Form der menschlichen Unterhaltung dienen, sondern es geht ausschließlich darum, ihnen ein sicheres und artgerechtes Leben in unserem Refugium zu ermöglichen.
Auch wenn Malaienbären nicht mehr ausgewildert werden können, können sie in Gefangenschaft bis zu 30 Jahre alt werden! Wir haben es uns zur Aufgabe gemacht, ihr trauriges Schicksal, das sie durch Verfolgung, Verletzungen und manchmal den Verlust der Mutter bereits als Babys, abzumildern und ihnen ein bestmögliches Leben in unserem Rettungszentrum zu schenken. Aktuell kümmern wir uns in Samboja Lestari, Ost Kalimantan, um 72 Malaienbären.
Die BOS Foundation rettet und rehabilitiert nicht nur Orang-Utans: Bereits seit 1998 kümmern wir uns auch um Malaienbären, die die Naturschutzbehörden von Ost- und Zentral-Kalimantan in unsere Obhut übergibt. Die niedlichen Malaienbären (Helarctos malayanus) sind die kleinste Bärenspezies der Welt. Traurigerweise stehen auch sie auf der Roten Liste der vom Aussterben bedrohten Tiere.
Verlust des Lebensraums und illegaler Wildtierhandel bedrohen die Malaienbären
Denn Orang-Utans und Malaienbären teilen dasselbe Schicksal: Ihr Lebensraum schrumpft kontinuierlich durch die Abholzung des Regenwaldes. Zudem werden die kleinen Bären für den illegalen Wildtierhandel gejagt (es gibt eine große Nachfrage nach Babybären als Haustiere sowie auch nach Körperteilen der Tiere) und sie werden immer wieder als “Schädlinge” von Feldern und Plantagen verjagt und dabei verletzt oder getötet.
Die Internationale Naturschutzorganisation IUCN hat die Alarmstufe Rot erkannt und einen Aktionsplan für die Jahre 2019–2028 entwickelt, durch den das Aussterben der Malaienbären verhindert werden soll. Die BOS Foundation ist Teil der Initiative. Wir tun alles in unserer Macht stehende, um diese Bärenart zu retten!
Nach Kontakt mit Menschen leider nicht mehr auswilderbar
Im Gegensatz zu Orang-Utans können Malaienbären nicht mehr ausgewildert werden, sobald sie einmal Kontakt mit Menschen hatten – was sich bei einer Rettung nicht vermeiden lässt. Es bedarf daher eines speziell auf die Bedürfnisse der Tiere zugeschnittenen Rettungszentrums, in dem diese gesund gepflegt werden und dann den Rest ihres Lebens artgerecht leben können.
In Samboja Lestari haben wir ein solches Refugium erbaut, in dem wir natürlich dieselben Tierschutzprinzipien wie auch bei “unseren” Orang-Utans anwenden. Bärenbabys können im Alter von etwa fünf Monaten sehen, laufen, riechen und hören, und in freier Wildbahn beginnt zu diesem Zeitpunkt das “Survival Training” bei ihren Bärenmüttern. Eine vergleichbare Ausbildung haben wir für die geretteten Tiere in unserem Schutzzentrum entwickelt.
Lektion 1 unseres Malaienbären-Programms
Für gerettete Bären jeden Alters ist die erste und wichtigste Lektion das sogenannte Target Training: Dabei lernen sie durch Konditionierung, einem Pfleger von A nach B zu folgen. Diese Kompetenz ist enorm wichtig, um mit den Tieren in Gefangenschaft sicher und stressfrei umgehen zu können, zum Beispiel um sie aus dem Gehege zu führen, wenn dieses gereinigt wird oder wenn ein Umzug an einen anderen Ort nötig wird.
Das Training erfolgt in mehreren Einheiten, die jeweils so lange andauern wie der Bär gerne und mit Neugierde kooperiert – in der Regel 10–20 Minuten lang an drei bis fünf Tagen pro Woche, bis das Gelernte sicher beherrscht wird. Sobald das Tier Stress oder Aggressivität zeigt, wird die Lektion unterbrochen.
Lektion 2: Sicherheit vor dem Elektrozaun
Unsere weitläufigen Gehege sind naturnah gestaltet, um den Bären ein artgerechtes Lebensumfeld zu bieten. Damit die Tiere nicht das Gehege verlassen und sich dadurch in Gefahr begeben, sind sie zusätzlich durch einen Elektrozaun gesichert. Durch ein speziell entwickeltes Training lernen die Malaienbären, den Zaun zu respektieren, ohne ihm zu nahe zu kommen.
Zunächst werden die Bären in ein kleines, von Wald umgebenem Gehege gebracht, in dem sie Futter vorfinden. Der elektrische Strom wird abgeschaltet, stattdessen bewachen drei Team-Mitglieder den Zaun. Sobald sich ein Bär dem Elektrozaun nähert, klatscht das in der Nähe postierte Team-Mitglied laut in die Hände, um eine Berührung zu verhindern. Mit Fortschreiten des Trainings wird der Elektrozaun angeschaltet, die Mitarbeiter bleiben jedoch postiert und klatschen weiterhin in die Hände, sobald sich ein Bär dem Zaun nähert.
Jede Trainingseinheit dauert etwa 15–30 Minuten. Sie endet sofort, wenn der Bär den Elektrozaun berührt. Manchmal passiert dies auch dann noch, wenn der Strom wieder angeschaltet wurde, weil das Training bereits weit fortgeschritten ist. Dann ist der Schreck natürlich groß. Wir haben diese Situation einmal erlebt und mussten eine längere Pause einlegen, in der sich der Bär beruhigen konnte, ehe er bereit war, das Gehege überhaupt noch einmal zu betreten.
Durch die Wiederholung der Klatsch-Lektion lernen die Tiere, dass der Zaun etwas ist, von dem sie unbedingt Abstand halten sollten. Sobald die Konditionierung sicher verankert ist, darf der Malaienbär in das große Gehege umziehen.
Wie das Sicherheitstraining “unserer” geretteten Malaienbären weitergeht, lesen Sie in den nächsten Tagen im zweiten Teil des Artikels.
Es sind besondere Augenblicke, wenn unsere Kollegen in den Auswilderungswäldern auf Orang-Utans treffen, denen wir schon vor sehr langer Zeit die Freiheit geschenkt haben. Und die wir viele Jahre nicht zu Gesicht bekamen. Denn immer wieder wissen wir tatsächlich nicht, wie es manchen der Neuen Wilden in ihrer neuen Heimat ergeht. Sie ziehen sich in die Tiefen des dichten Regenwaldes zurück und verstecken sich einfach zu gut vor den Augen unserer Beobachtungs-Teams (PRM). Jetzt traf das Team auf ein Weibchen, das 2014 zuletzt gesehen wurde.
In den Tagen zuvor hatte das Team im Camp Lesik im Auswilderungswald Kehje Sewen in Ost-Kalimantan kaum Regen gesehen. Als die Wolken begannen den Himmel zu bedecken, waren sie ein willkommener Anblick. Denn sogleich sank auch die Temperatur. Eine Wohltat für das PRM-Team, das die Zeit nutzte, um Reparaturen und Wartungsarbeiten im Camp Lesik durchzuführen und gleichzeitig Patrouillen in Richtung Gunung Belah zu unternehmen.
Wer ist die Besucherin?
Es war ein ruhiger Spätnachmittag, als plötzlich ein unerwarteter Besucher in der Nähe von Camp Lesik auftauchte. Zunächst vermutete unser PRM-Team, dass es sich bei diesem Gast um Lesan handelte, ein Orang-Utan-Weibchen, das oft mit seiner kleinen Familie zu Besuch kommt. Doch da täuschten sie sich. Der Orang-Utan, der das Lager dieses Mal besuchte, war Sarmi. Entdeckt wurde das 29 Jahre alte Weibchen, als es von einer Ölpalme in der Umgebung naschte.
Sarmi wurde zuletzt 2014 gesichtet, ein Jahr nach ihrer Auswilderung im nördlichen Teil des Kehje Sewen Waldes. Damals hatte sie eine herzliche Freundschaft mit Berlian, einem 2012 im nördlichen Teil des Kehje Sewen Waldes ausgewilderten Orang-Utan-Weibchen, geschlossen.
Eine Ölpalme in Kehje Sewen
Als sie von unserem PRM-Team beobachtet wurde, zeigte Sarmi keine Aggressionen und schien die Anwesenheit unseres Teams nicht zu bemerken. Alles, was sie wollte, war, ungestört die Früchte der Ölpalme zu verzehren. Die einzige Ölpalme in der Umgebung des Lagers befindet sich an der Hauptstraße, die zum Lager führte. Dieser Baum stand schon vor der Eröffnung des Camps Lesik im Jahr 2014 dort. Einige Orang-Utans, darunter Sarmi, Lesan und ihre Kinder, Sayang und ihre kleine Familie und sogar andere wilde Orang-Utans, besuchen den Baum, um die reifen Ölpalmenfrüchte zu genießen.
Sarmi kam mal kurz auf einen Snack vorbei
Nachdem sie ihren Appetit gestillt hatte, verweilte Sarmi nicht lange. Sie machte sich schnell auf den Weg in das Dickicht hinter ihr, um zum Fluss zu gelangen. Als das Sonnenlicht schwand, verschwand auch Sarmi tiefer und tiefer in der Wildnis des Waldes.
Beschütze mit uns die bedrohten Orang-Utans vor dem Aussterben. Jede Spende hilft.
Kalimantan ist der indonesische Name für die Insel Borneo, der drittgrößten Insel der Welt nach Grönland und Neuguinea. Kalimantan ist auch Heimat der Borneo-Orang-Utans, die sie sich mit unzähligen anderen Tierarten teilen. Viele von ihnen sind nicht minder bedroht als unsere rothaarigen Verwandten. Wir stellen hier in loser Reihenfolge immer wieder einige dieser faszinierenden Geschöpfe vor.
Der Binturong (Artictis Binturong)
Bei einer Patrouille durch den Auswilderungswald Kehje Sewen konnte unser Post-Release Monitoring Team (PRM) vom Camp Lesik zwar keine Orang-Utans entdeckten. Dafür stießen sie auf ein anderes Tier, dass sie nicht sofort identifizieren konnten. Es hatte sich eingerollt, den Kopf tief im Körper verborgen, sodass man sein Gesicht nicht erkennen konnte. Das Team wartete fast eine Stunde darauf, dass sich das Tier bewegte. Endlich drehte sich das Tier so um, dass die Mitarbeiter Fotos vom Gesicht, der Körperlänge und den Pfoten machen konnten und erkannten, dass es sich um ein Binturong (Artictis Binturong) handelt.
Bär oder Katze – was ist der Binturong denn nun?
Binturongs galten lange Zeit als ausschließlich nachtaktiv. Mittlerweile haben Forscher herausgefunden, dass sie manchmal auch am Tag im Regenwald umherstreifen. Der Binturong wird auch Marderbär genannt, gehört aber zur Familie der Schleichkatzen. Dabei tritt er – wie ein Bär und ungewöhnlich für eine Schleichkatze – mit der ganzen Sohle auf dem Boden auf.
Der Marderbär, der eine Schleichkatze ist
Außerdem klettert er sehr gut und nutzt dabei seinen langen muskulösen Schwanz als zusätzlichen Greifarm. Das einzige Raubtier mit einem ähnlich funktionalen Greifschwanz, ist der Wickelbär, der in Süd- und Mittelamerika heimisch ist.
Kinofeeling im Regenwald
Damit hat sich die Liste der außergewöhnlichen Besonderheiten des Binturongs aber noch immer nicht. Denn der Urin der Binturongs duftet nach Popcorn. Noch immer ist es der Forschung nicht endgültig geglückt herauszufinden, wie der Binturong das anstellt. Aber klar ist, dass in seinem Urin derselbe Stoff enthalten ist, der auch Popcorn seinen verführerischen Duft verleiht.
Bedroht, wie seine Regenwaldheimat
Der Binturong ist in Südostasien von Indien bis zu den Inseln Borneo, Sumatra, Java und Palawan heimisch. Er lebt in dichten Wäldern, vor allem in tropischen Regenwäldern. Und ist damit auf Borneo und Sumatra ein Nachbar der Orang-Utans. Er ist ein Allesfresser und ernährt sich von fast allem, was er im Regenwald finden kann, vor allem von Früchten, aber auch von Blättern, Eiern, Vögeln, Fischen und kleinen Nagetieren.
In den letzten 30 Jahren ist der Bestand des Binturongs um mehr als 30 % zurückgegangen. Deshalb wird die Art mittlerweile auf der Roten Liste der IUCN als gefährdet eingestuft. Die großen Gefahren für die Binturongs sind der Verlust seines Lebensraums, die Wilderei und der illegale Wildtierhandel. Denn Binturongs gelten in manchen Gegenden als Delikatesse.
Eine Voraussetzung, um einen Regenwald zu einem Auswilderungswald für Orang-Utans zu machen ist, dass dort nicht bereits eine wilde Orang-Utan-Population lebt. Dennoch kann es immer mal vorkommen, dass wilde Waldmenschen in unsere Auswilderungswälder einwandern. Gerade Männchen, die große Reviere durchstreifen – so wie Suluy.
Der hübsche Orang-Utan-Mann ist uns in Kehje Sewen (Ost-Kalimantan) bereits einige Male als Begleiter von Signe und ihrer Familie begegnet. Jetzt hatte unser Post-Release-Monitoring-Team (PRM) die Chance, Suluy – wie sie ihn genannt haben – auf Solomission unter Beobachtung zu nehmen.
Der wilde Suluy durchstreift Kehje Sewen
Zwei Stunden war das Team bereits auf ihrer routinemäßige Patrouille im Wald unterwegs. Zwar hatten sie Anzeichen von Orang-Utans entdecken können, aber mehr eben auch nicht. Doch dann endlich, nicht weit vom Pfad entfernt, erspähten sie den lang ersehnten Orang-Utan: Suluy.
Die Begegnung mit Suluy, dem wilden Orang-Utan
Er saß bequem in seinem Nest, etwa vier Meter über dem Boden. Unser PRM-Team dokumentierte jede Bewegung, Handlung und den Körperkonditionswert (BCS) von Suluy, der sich als drei herausstellte. Dieser Wert zeigt an, dass sein körperlicher Zustand gut und sein Gewicht ideal ist. Dann machte Suluy sich auf den Weg. Schnell schwang er sich von Baum zu Baum auf der Suche nach Nahrung.
Voller Elan schwingt der Orang-Utan-Mann von Ast zu Ast
Er genoss die Früchte eines Mahang-Baums (Macaranga sp.), knabberte an den Spitzen von Fackel-Ingwer (Etlingera elatior) und schnappte sich junge Blätter von den Spitzen der Äste als Snack.
Auf Nahrungssuche
Ein Abschied im schwindenden Licht
Die Sonne sank, als das PRM-Team Suluy entlang des Haupttransekts folgte. Im schwindenden Licht tauchte Suluy plötzlich im Wald unter und ließ das PRM-Team allein mit den tausenden Insekten, die ihr Abendkonzert sangen. Mit müden Schritten kehrten die Beobachter schließlich ins Camp Nles Mamse zurück und ruhte sich nach einem langen Tag aus. Lebe wohl im Wald, Suluy. Wir freuen uns schon auf ein Wiedersehen!