Kalimantan ist der indonesische Name für die Insel Borneo, der drittgrößten Insel der Welt nach Grönland und Neuguinea. Kalimantan ist auch Heimat der Borneo-Orang-Utans, die sie sich mit unzähligen anderen Tierarten teilen. Viele von ihnen sind nicht minder bedroht als unsere rothaarigen Verwandten. Wir stellen hier in loser Reihenfolge immer wieder einige dieser faszinierenden Geschöpfe vor.
Der Binturong (Artictis Binturong)
Bei einer Patrouille durch den Auswilderungswald Kehje Sewen konnte unser Post-Release Monitoring Team (PRM) vom Camp Lesik zwar keine Orang-Utans entdeckten. Dafür stießen sie auf ein anderes Tier, dass sie nicht sofort identifizieren konnten. Es hatte sich eingerollt, den Kopf tief im Körper verborgen, sodass man sein Gesicht nicht erkennen konnte. Das Team wartete fast eine Stunde darauf, dass sich das Tier bewegte. Endlich drehte sich das Tier so um, dass die Mitarbeiter Fotos vom Gesicht, der Körperlänge und den Pfoten machen konnten und erkannten, dass es sich um ein Binturong (Artictis Binturong) handelt.
Bär oder Katze – was ist der Binturong denn nun?
Binturongs galten lange Zeit als ausschließlich nachtaktiv. Mittlerweile haben Forscher herausgefunden, dass sie manchmal auch am Tag im Regenwald umherstreifen. Der Binturong wird auch Marderbär genannt, gehört aber zur Familie der Schleichkatzen. Dabei tritt er – wie ein Bär und ungewöhnlich für eine Schleichkatze – mit der ganzen Sohle auf dem Boden auf.
Außerdem klettert er sehr gut und nutzt dabei seinen langen muskulösen Schwanz als zusätzlichen Greifarm. Das einzige Raubtier mit einem ähnlich funktionalen Greifschwanz, ist der Wickelbär, der in Süd- und Mittelamerika heimisch ist.
Kinofeeling im Regenwald
Damit hat sich die Liste der außergewöhnlichen Besonderheiten des Binturongs aber noch immer nicht. Denn der Urin der Binturongs duftet nach Popcorn. Noch immer ist es der Forschung nicht endgültig geglückt herauszufinden, wie der Binturong das anstellt. Aber klar ist, dass in seinem Urin derselbe Stoff enthalten ist, der auch Popcorn seinen verführerischen Duft verleiht.
Bedroht, wie seine Regenwaldheimat
Der Binturong ist in Südostasien von Indien bis zu den Inseln Borneo, Sumatra, Java und Palawan heimisch. Er lebt in dichten Wäldern, vor allem in tropischen Regenwäldern. Und ist damit auf Borneo und Sumatra ein Nachbar der Orang-Utans. Er ist ein Allesfresser und ernährt sich von fast allem, was er im Regenwald finden kann, vor allem von Früchten, aber auch von Blättern, Eiern, Vögeln, Fischen und kleinen Nagetieren.
In den letzten 30 Jahren ist der Bestand des Binturongs um mehr als 30 % zurückgegangen. Deshalb wird die Art mittlerweile auf der Roten Liste der IUCN als gefährdet eingestuft. Die großen Gefahren für die Binturongs sind der Verlust seines Lebensraums, die Wilderei und der illegale Wildtierhandel. Denn Binturongs gelten in manchen Gegenden als Delikatesse.
Eine Voraussetzung, um einen Regenwald zu einem Auswilderungswald für Orang-Utans zu machen ist, dass dort nicht bereits eine wilde Orang-Utan-Population lebt. Dennoch kann es immer mal vorkommen, dass wilde Waldmenschen in unsere Auswilderungswälder einwandern. Gerade Männchen, die große Reviere durchstreifen – so wie Suluy.
Der hübsche Orang-Utan-Mann ist uns in Kehje Sewen (Ost-Kalimantan) bereits einige Male als Begleiter von Signe und ihrer Familie begegnet. Jetzt hatte unser Post-Release-Monitoring-Team (PRM) die Chance, Suluy – wie sie ihn genannt haben – auf Solomission unter Beobachtung zu nehmen.
Zwei Stunden war das Team bereits auf ihrer routinemäßige Patrouille im Wald unterwegs. Zwar hatten sie Anzeichen von Orang-Utans entdecken können, aber mehr eben auch nicht. Doch dann endlich, nicht weit vom Pfad entfernt, erspähten sie den lang ersehnten Orang-Utan: Suluy.
Die Begegnung mit Suluy, dem wilden Orang-Utan
Er saß bequem in seinem Nest, etwa vier Meter über dem Boden. Unser PRM-Team dokumentierte jede Bewegung, Handlung und den Körperkonditionswert (BCS) von Suluy, der sich als drei herausstellte. Dieser Wert zeigt an, dass sein körperlicher Zustand gut und sein Gewicht ideal ist. Dann machte Suluy sich auf den Weg. Schnell schwang er sich von Baum zu Baum auf der Suche nach Nahrung.
Er genoss die Früchte eines Mahang-Baums (Macaranga sp.), knabberte an den Spitzen von Fackel-Ingwer (Etlingera elatior) und schnappte sich junge Blätter von den Spitzen der Äste als Snack.
Ein Abschied im schwindenden Licht
Die Sonne sank, als das PRM-Team Suluy entlang des Haupttransekts folgte. Im schwindenden Licht tauchte Suluy plötzlich im Wald unter und ließ das PRM-Team allein mit den tausenden Insekten, die ihr Abendkonzert sangen. Mit müden Schritten kehrten die Beobachter schließlich ins Camp Nles Mamse zurück und ruhte sich nach einem langen Tag aus. Lebe wohl im Wald, Suluy. Wir freuen uns schon auf ein Wiedersehen!
Kurz vor Weihnachten konnten wir acht weiteren rehabilitierten Orang-Utans im Nationalpark Bukit Baka Bukit Raya die Freiheit schenken. Damit erhöht sich die Anzahl der von BOS rehabilitierten und ausgewilderten Orang-Utans auf 533. Im in Zentral-Kalimantan gelegenen Nationalpark leben jetzt 208 „Neue Wilde“, die inzwischen bereits acht Babys das Leben geschenkt haben. Eine Zahl, die uns Hoffnung macht.
Einer der acht Orang-Utans – Cinta – wurde im Rettungszentrum Nyaru Menteng elf Jahre lang rehabilitiert. Am 14. Februar 2013 kam die Orang-Utan-Waise als vier Monate alter Säugling zu uns und erhielt den Namen Cinta, was im Indonesischen „Liebe“ bedeutet.
Als ihr Transportkäfig im Regenwald geöffnet wurde, fand Cinta sich schnell in ihrem neuen Zuhause zurecht. Vom ersten Moment an begann sie, ihre neue Umgebung am Fluss Bemban selbstbewusst zu erkunden. Schließlich hielt sie an einem Ficus inne und legte erstmal eine ausgiebige Vesperpause ein. Als der Abend nahte, suchte sie sich einen geeigneten Baum und errichtete hier ein Schlafnest.
Liebesgeflüster unter Orang-Utans
Das ruhige Orang-Utan-Weibchen Liti kam vorsichtig aus dem Transportkäfig und kletterte dann direkt auf einen etwa elf Meter hohen Baum. Ojes, ein männlicher Orang-Utan, der kurz darauf ausgewildert wurde, ging sofort auf Liti zu und versuchte, mit ihr zu kommunizieren. Wie sich herausstellte, war nicht nur Ojes an Liti interessiert. Auch Wanto versuchte, Liti zu folgen. Nachdem sie einen Baum mit einem alten Orang-Utan-Nest erreicht hatte, beschloss Liti, dieses Nest zu renovieren und sich von der langen Reise auszuruhen. Alle neu ausgewilderten Orang-Utans, einschließlich Ojes, Wanto, Fajar, Fathia, Lala und Tomang, fühlten sich in ihrer neuen Umgebung im Nationalpark sichtlich wohl, genau wie Cinta und Liti.
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Die fast 20-stündige Reise bedeutete für die acht Orang-Utans, die in Transportboxen eingesperrt waren, natürlich einigen Stress. Daher überprüfte unser Veterinärteam während der gesamten Reise regelmäßig ihren Zustand. Trotz einiger kleinerer Probleme, wie z. B. Bootsschrauben, die sich im Holz festsetzten, oder mehrmals auftretender leichter Regen, verlief die Reise insgesamt reibungslos.
Aber der größte Lohn für die jahrelange Arbeit, die Planung, Aufregung und manche Hürden und Unsicherheiten, die mit jeder Auswilderung verbunden sind, ist, wenn wir beobachten können, wie gut die neuen Waldmenschen im Regenwald zurechtkommen. Und das konnten wir eindeutig feststellen.
Auch Sie können uns helfen, rehabilitierte Orang-Utans in die geschützte Freiheit unserer Regenwälder zu bringen. Jede Spende hilft!
In einer aktuellen Studie wurden alternative Fortpflanzungsstrategien männlicher Orang-Utans mit und ohne Backenwülste untersucht. Bisherige Beobachtungen basierten hauptsächlich auf Querschnittsanalysen (Momentaufnahmen), aber diese Studie führte erstmals Längsschnittanalysen (Daten wurden an mehr als einem Zeitpunkt erhoben) durch, um Verhaltensänderungen im Laufe der Zeit zu bewerten. Die Ergebnisse liefern neue Erkenntnisse über die Paarungstaktiken dieser faszinierenden Primaten.
Bei vielen sich langsam entwickelnden Säugetierarten erreichen männliche Individuen die Geschlechtsreife lange bevor sie sekundäre Geschlechtsmerkmale entwickeln. Bei männlichen Orang-Utans wurde beobachtet, dass sie außergewöhnlich lange Entwicklungsstopps haben, bevor sie sekundäre Geschlechtsmerkmale wie Backenwülste entwickeln.
Ein erwachsener männlicher Orang-Utan ohne Backenwülste
In der Studie untersuchten die Forschenden die Verbindung zwischen dem Vorhandensein von Backenwülsten und den Fortpflanzungstaktiken der Männchen.
Mach das Beste daraus
Die Ergebnisse bestätigen frühere Studien, die gezeigt haben, dass männliche Orang-Utans ohne Backenwülste eine höhere Geselligkeit mit Weibchen zeigen und eine höhere Paarungsrate haben. Sie versuchen auch häufiger erzwungene Paarungen. Männchen mit Backenwülsten hingegen zeigen eine andere Paarungsstrategie, bei der sie lange Rufe (long calls) ausstoßen und auf Weibchen warten, die sich ihnen nähern. Diese Ergebnisse deuten darauf hin, dass Männchen ohne Backenwülste eine “Best-of-a-bad-job”-Paarungsstrategie verfolgen, um einen Konkurrenzkampf mit anderen Männchen zu vermeiden.
Wann ist ein Orang-Utan-Mann ein Orang-Utan-Mann?
Die Entwicklung alternativer Fortpflanzungsstrategien bei männlichen Orang-Utans könnte mit der verzögerten Entwicklung sekundärer Geschlechtsmerkmale im Vergleich zur Geschlechtsreife zusammenhängen.
Orang-Utan-Weibchen bevorzugen starke Männer
Weibchen bevorzugen normalerweise Männchen mit sekundären Geschlechtsmerkmalen, aber bevor die Männchen diese entwickeln, können sie bereits einen gewissen Fortpflanzungserfolg erzielen, indem sie direkte Konflikte mit anderen Männchen vermeiden. Dies schafft eine Nische für die Entwicklung alternativer Fortpflanzungstaktiken.
Unterschiedliche Taktiken
Die Studie liefert wichtige Einblicke in die alternativen Fortpflanzungsstrategien männlicher Orang-Utans mit und ohne Backenwülste. Die Ergebnisse zeigen, dass diese Primaten verschiedene Taktiken anwenden, um ihre Fortpflanzungschancen zu maximieren. Weitere Forschung ist erforderlich, um die ökologischen Determinanten dieser Strategien besser zu verstehen. Die Ergebnisse könnten auch Auswilderungsstrategien und die Reproduktionsdaten von ausgewilderten Orang-Utans beeinflussen.
Übrigens…
Die Studie wurde u.a. mit Daten aus der Forschungseinrichtung Tuanan (Mawas Gebiet) erstellt, die BOS Deutschland gemeinsam mit der BOS Foundation, UNAS und der Rutgers University 2022 saniert und renoviert hat, um einen reibungslosen Forschungsablauf zu garantieren.
Quelle: „Alternative reproductive tactics of unflanged and flanged male orangutans revisited“; Quelle: American Journal of Primatology, Volume 85, Issue 9, 18 Pages, Sept. 2023, Julia A. Kunz et al.
Nach sechs Jahren erfolgreicher Rehabilitation im BOS Rettungszentrum Nyaru Menteng ist Taymur jetzt auf die Vorauswilderungsinsel gezogen. Sein Schicksal steht stellvertretend für die Opfer des illegalen Wildtierhandels. Denn Taymur wurde als Baby von Borneo nach Kuwait verschleppt. Dass er entdeckt wurde, verdankt er nur einem glücklichen Zufall. Nun ist der neunjährige Orang-Utan-Junge der Freiheit wieder einen großen Schritt nähergekommen.
Als die Klappe der Transportbox geöffnet wird, stürmt Taymur schnurstracks heraus. Sein erster Weg führt ihn auf die Fütterungsplattform, wo Kürbisse und Bananen auf ihn warten. Dann, nach einem letzten Blick auf unser Team, kletterte er bald auf den nächsten hohen Baum und rüttelte erstmal aufgeregt an den Ästen. Als würde er uns zum Abschied winken.
Zunächst gönnt sich Taymur einen kleinen Snack und schaut sich erstmal in seinem neuen Zuhause umDann geht es rauf in die BaumwipfelNatürliche Nahrung findet Taymur auch gleich
Erleichterung macht sich im Team breit, wie BOS Deutschland Geschäftsführer Daniel Merdes berichtet, der die Ehre hatte, Taymurs Käfig öffnen zu dürfen: „Es war ein für mich magischer Moment, denn ich spürte die kollektive Erleichterung des Teams, von mir und auch von Taymur.“ Erleichterung darüber, dass es Taymur – nach seiner tragischen Odyssee – bis hierher geschafft hat.
Taymurs Geschichte
Denn als Taymur 2017 im Alter von drei Jahren ins BOS Rettungszentrum Nyaru Menteng kam, hatte er bereits Schreckliches erlebt. Der Mutter beraubt, aus Borneo verschleppt, hatte ihn ein reicher Kuwaiter zu seinem persönlichen Spielzeug gemacht, ihm sogar das Rauchen beigebracht. Schauen Sie sich Taymurs Geschichte in unserer Graphic Novel an:
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Die Illustratorin Elena Bianco hat Taymurs Geschichte bis zu seiner Rettung in eindrucksvollen Bildern erzählt
Der Moment, indem Taymur auf seiner Autofahrt nach Nyaru Menteng zum ersten Mal staunend den Regenwald erblickt, ist auch für uns beim Betrachten der Bilder, immer wieder ein echter Gänsehautmoment. Ein Opfer des illegalen Wildtierhandels, das seinem traurigen Schicksal entrinnen konnte.
Bei seiner Heimkehr nach Borneo kann Taymur seinen Blick kaum abwenden, als er den Regenwald zum ersten Mal sieht
Ausbildung zum wilden Orang-Utan
Endlich konnte Taymur nun lernen, ein wilder Orang-Utan zu sein. Sechs Jahre in der Waldschule haben ihn jetzt der Freiheit einen großen Schritt näher gebracht.
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Anlässlich Taymurs Vorauswilderung schauen auch Tierarzt Dr. Arga und Babysitterin Sri auf Taymurs erstaunliche Entwicklung zurück
Gemeinsam mit Jelapat, Kalanis und Napri ging es per Boot nach Salat Island. Hier machte Taymur sich schon bald auf die Suche nach natürlicher Nahrung, fand junge Blätter des Guavenbaumes, Blüten und ein paar Sangkuang Früchte. Er wurde beobachtet, wie er mit anderen Inselbewohnern interagierte, während er zu den Menschen am Ufer respektvollen Abstand hielt. Und in den Nächten baute er sich eigene Schlafnester. Bisher sind wir sehr zufrieden mit dem neuen Waldstudenten Taymur.
Viel Glück und Erfolg beim Studium des wilden Orang-Utan-Lebens, Taymur! Wir glauben an Dich!
Auch Sie können Orang-Utans wie Taymur auf deren Weg in die Freiheit begleiten. Zum Beispiel mit einer Patenschaft.