Es brennt auf Borneo

Es brennt auf Borneo

Wir hatten es befürchtet. Und nun ist es einge­treten: Auf Borneo brennt es wieder. Auch auf BOS-Arbeits­ge­bieten kam es schon zu ersten Feuer­aus­brü­chen. Ange­sichts des globalen Klima­wan­dels, der seit Wochen herr­schenden massiven Trocken­heit und dem gerade begin­nenden El-Niño-Ereignis sind wir in großer Sorge, was uns in den kommenden Wochen und Monaten noch bevor­stehen könnte. Natür­lich haben wir die vergan­genen Jahre genutzt und uns so gut wie möglich vorbe­reitet. Aber Hilfe ist für die gerade erst einset­zende Feuer­saison dennoch drin­gend nötig.

Ende August brach in unserem Auffors­tungs­ge­biet Mawas ein Feuer aus. Unser Team handelte schnell und konnte den Brand – der rund 50 Hektar Torf­moor­wald zerstörte – mit Unter­stüt­zung der lokalen Gemeinden löschen. Fast eine Woche dauerten die Lösch­ar­beiten, denn der Zugang zum Gebiet ist begrenzt und das Torf­moor in diesem Gebiet tief. Das führt dazu, dass Brände sich unter der Ober­fläche fortsetzen.

Erste Brände 2023 in Kalimantan, Löscharbeiten bei Nacht
Fast eine Woche dauerten die Lösch­ar­beiten in Mawas

Diese Boden­brände, bei denen die Flammen auf den ersten Blick nicht sichtbar sind, sind unglaub­lich schwierig zu löschen und können, wenn sie nicht gründ­lich behan­delt werden, die Ursache für immer wieder­keh­rende Brände sein.

Wald­brände kommen in der Trocken­zeit auf Borneo immer wieder vor. Aber gerade El-Niño-Jahre sind für die tropi­schen Regen­wälder am verhee­rendsten, für die Menschen am gefähr­lichsten und für die Tier­welt Borneos am tödlichsten. Auch für die Orang-Utans.

Grafik Niederschlangsmengen Mawas
Nieder­schlags­ent­wick­lung im Tuanan-Forschungs­ge­biet von Mawas. Zu erkennen ist die geringe Nieder­schlags­menge im Jahr 2023, ähnlich wie in den Jahren 2019 und 2015, als es zu extremen Bränden kam. Quelle: Tuanan Rese­arch Station/Rebecca Brit­tain (Juli 2023)

Die Gefahr durch das El-Niño-Phänomen

El Niño ist ein natür­li­ches, unre­gel­mäßig auftre­tendes Phänomen, bei dem in Indo­ne­sien die Kombi­na­tion aus hohem Luft­druck und extremer Meer­was­ser­tem­pe­ratur zu lang­an­hal­tender Hitze und Trocken­heit führt, was das Brand­ri­siko dras­tisch erhöht. Insbe­son­dere in den El-Niño-Jahren 2015 und 2019 kam es zu schweren Wald- und Torf­moor­bränden, deren Auswir­kungen weit über die Insel Borneo hinaus zu spüren waren.

Jetzt, im Jahr 2023, besteht erneut ein hohes Risiko für extreme Feuer, da wir in ein neues El-Niño-Jahr eintreten – mit drohenden Folge­schäden nicht nur für die Natur, sondern auch für die mensch­liche Gesund­heit, die Wirt­schaft und das globale Klima.

Die Horror­jahre 2015 und 2019

Im Jahr 2015 kam es in Zentral-Kali­mantan auf einer Fläche von rund 584.000 Hektar zu Wald- und Torf­bränden. Dichter Rauch (Haze genannt) verdun­kelte die Luft, verur­sachte bei Mensch und Tier Atem­pro­bleme und führte zum massiven Verlust von Lebens­raum und lang­fris­tigen Auswir­kungen für viele Tier- und Pflan­zen­arten, darunter auch Orang-Utans. Zwischen November 2015 und Februar 2017 musste BOS fast 90 wild lebende Orang-Utans aufgrund der durch die Flammen verur­sachten Verwüs­tungen umsie­deln. Auch viele Babys mussten nach den Bränden gerettet werden.

Vier Jahre später, im Jahr 2019, kam es erneut zu heftigen Bränden. Obwohl die Inten­sität nicht ganz so hoch war wie im Jahr 2015, stellten diese Feuer immer noch eine große Bedro­hung für die Umwelt, die Gesund­heit und unsere Arbeit dar.

Ein „bren­nendes“ Thema

Nun haben wir 2023 und wieder sind Wald­brände für uns ein „bren­nendes“ Thema. Extreme Wetter­ereig­nisse, der immer spür­ba­rere Klima­wandel und nicht-nach­hal­tige land­wirt­schaft­liche Prak­tiken sind die Haupt­ur­sa­chen für Wald­brände. Und die führen nicht nur zu wirt­schaft­li­chen und ökolo­gi­schen Verlusten, sondern gefährden auch die welt­weiten Bemü­hungen zur Redu­zie­rung der Treib­haus­gas­emis­sionen.

Wir beugen vor – so gut es geht

BOS ergreift schon seit Jahren verschie­dene Präven­ti­ons­maß­nahmen im Kata­stro­phen­schutz, um die Auswir­kungen der Brände in Kali­mantan zu verrin­gern. Mit regel­mä­ßigen Patrouillen über­wa­chen wir unsere Arbeits­ge­biete. Zusätz­lich setzen wir Drohnen ein, um mögliche Brand­herde so früh wie möglich zu erkennen und schnell bekämpfen zu können.

Mann im Boot auf engem Kanal mit Löschschläuchen auf Feuerpatrouillie
Aufgrund der anhal­tenden Trocken­heit führen die Kanäle, auf denen wir Patrouillen unter­nehmen, kaum Wasser

Ein wich­tiger Schritt zur Vermei­dung von Bränden ist die Wieder­vernäs­sung von trocken­ge­legten Torf­moor­ge­bieten wie in Mawas, wo wir Stück für Stück die kilo­me­ter­langen, künst­lich ange­legten Kanäle blockieren und so das kohlen­stoff­reiche Gebiet wieder fluten und aufforsten. In den Gebieten, wo bereits Dämme die Kanäle blockieren, konnten wir auch in der Trocken­zeit einen signi­fi­kanten Anstieg des Wasser­ni­veaus fest­stellen. Im Falle eines Brandes kann das die Rettung für dieses Gebiet bedeuten. Doch viele Kilo­meter Kanal warten noch auf uns.

Staudammbau um trockengelegtes Torfmoor auf Borneo wiederzuvernässen
Stau­dämme sind ein Mittel zur Wieder­vernäs­sung des Torf­moors und helfen, die Gefahr von Bränden zu verringern

Wir arbeiten eng mit lokalen Gemeinden zusammen, die wir auch in der Brand­be­kämp­fung schulen und sensi­bi­li­sieren. Gegen­wärtig haben wir in acht Dörfern Brand­be­kämp­fungs­teams, wobei in jedem Dorf zwei bis drei Teams tätig sind. Die Teams über­wa­chen den Wasser­stand des Torfs, räumen Schneisen, checken die Brand­be­kämp­fungs­aus­rüs­tung und bauen Brunnen und „Beje“ (Fisch­teiche, die auch als Wasser­re­ser­voir dienen), die dann als Wasser­quellen für die Brand­be­kämp­fung genutzt werden können.

Unter­stützen Sie uns bei unseren Maßnahmen gegen die drohenden Brände! Jede Spende hilft, die Gefahr für die Orang-Utans auf Borneo zu verrin­gern. Vielen Dank!

Der Mensch, die Natur, das Abenteuer

Im König­reich Bhutan müssen buch­stäb­lich Berge versetzt werden, um ange­sichts der drohenden Klima­ka­ta­strophe durch Glet­scher­schmelzen im Hima­laya Zeit zu gewinnen. Wälder spielen als CO2-Spei­cher eine wich­tige Rolle.

Durch Auffors­tungen ließen sich große Mengen Treib­hausgas binden. Dieses Poten­zial wird in umfang­rei­chen Forschungs­pro­jekten karto­gra­phiert, um Instru­mente für die Zukunft zu entwi­ckeln. Doch die Forschung zeigt auch, dass das Vorgehen wohl­über­legt sein will: Damit Wälder ihre Funk­tion erfüllen und künf­tigem Wandel stand­halten können, müssen sie an geeig­neten Stand­orten gepflanzt werden und vor allem biolo­gisch viel­fältig sein. Die Viel­falt unter­schied­li­cher Arten ist der eigent­liche Schlüssel zu einer gesunden Natur. Zum einen muss die Biodi­ver­sität an vielen Orten der Erde wieder­her­ge­stellt werden, zum anderen kommt es darauf an, die noch intakten Gebiete zu schützen, wie etwa den Bialowieza-Urwald in Polen. Heute ist bekannt, dass neben Wäldern auch andere Ökosys­teme wie Torf­moore oder Seegras­wiesen riesige CO2-Spei­cher sind. Da ihre Zerstö­rung direkt zur Erder­wär­mung beiträgt, muss es höchste Prio­rität haben, diese Lebens­räume zu bewahren. Auch hier gilt es, die biolo­gi­sche Viel­falt zu erhalten, damit ihr fragiles Gleich­ge­wicht gewahrt bleibt. In Austra­lien hat man es geschafft, durch das Wieder­an­sie­deln von Haien die Schild­krö­ten­po­pu­la­tion zu regu­lieren. Dort können nun die Seegras­wiesen wieder gut gedeihen. Die Mensch­heit hängt von der Natur und ihren Ökosys­temen ab — und die Natur von uns. Es bleibt noch sehr viel zu tun, um sie zu schützen. In der Antarktis wurde ein beispiel­hafter Beschluss gefasst: Das Ross­meer, dessen Phyto­plankton eben­falls eine wich­tige Rolle als Kohlen­stoff­senke spielt, wurde zum Meeres­schutz­ge­biet erklärt. Damit ist gewähr­leistet, dass das marine Ökosystem dort auch in Zukunft intakt bleibt.

Klima­wandel — Die Fakten mit Harald Lesch

Rekord­hitze, Über­flu­tungen, Dürre: normale Wetter­phä­no­mene oder bereits die Folgen des Klima­wan­dels? Die Doku­men­ta­tion mit Harald Lesch fasst den Stand der welt­weiten Klima­for­schung zusammen.

Schon seit Langem beob­achten Forscher einen globalen Tempe­ra­tur­an­stieg. Glet­scher schmelzen, der Meeres­spiegel steigt, in Deutsch­land droht ein neues Wald­sterben. Steuert die Mensch­heit auf eine neue Heiß­zeit zu? Oder lässt sich die globale Erwär­mung noch begrenzen? Die Doku­men­ta­tion zieht mithilfe inter­na­tio­naler Experten Bilanz. Um die globale Erwär­mung auf zwei Grad Celsius zu begrenzen, müssten die stetig stei­genden CO2-Emis­sionen in den nächsten zehn Jahren halbiert und bis 2050 komplett gestoppt werden. Notwendig wäre ein weit­ge­hender Verzicht auf fossile Brenn­stoffe wie Kohle oder Erdöl zur Ener­gie­ge­win­nung. Wenn das nicht gelingt, wird sich die Erde weiter erwärmen — darin ist sich die über­wie­gende Zahl der Wissen­schaftler einig. Auch, wenn einige den menschen­ge­machten Klima­wandel infrage stellen — welt­weit häufen sich die Wetter-Extreme. In Deutsch­land haben die zurück­lie­genden trockenen Sommer den Wald bereits massiv geschwächt — Borken­käfer haben leichtes Spiel und vernichten ganze Fich­ten­wälder. Hinzu kommt, dass Klima­sys­teme nicht immer linear reagieren. Sie können sich auch sprung­haft verän­dern, wenn ein bestimmtes Belas­tungs­ni­veau über­schritten ist. Wissen­schaftler spre­chen von soge­nannten Kipp­punkten. Momentan sind es unsere eigenen Emis­sionen, die den Klima­wandel befeuern. Kipp­punkte jedoch können Domi­no­ef­fekte auslösen, die den Klima­wandel drama­tisch beschleu­nigen. Eine tickende Zeit­bombe haben Forscher im Perma­frost der Arktis ausge­macht. Was können wir tun, um den Klima­wandel zu begrenzen? Anders Lever­mann vom Potsdam-Institut für Klima­fol­gen­for­schung sagt: „Natür­lich ist es toll, wenn jeder Einzelne weniger Auto fährt, weniger fliegt, weniger Fleisch konsu­miert. Aber entschei­dend ist, dass jeder Einzelne von der Politik über die nächsten 30 Jahre einfor­dert, dass dieses Problem global gelöst wird. Denn das ist es, was wir brauchen.“

Land unter in unseren Projektgebieten

Land unter in unseren Projektgebieten

Spät­herbst und Winter sind für uns regel­mäßig die Jahres­zeiten, die uns Sorge bereiten. Denn es ist die Zeit der Wald­brände – vor allem in El Niño-Jahren – oder die Zeit heftiger Regen­fälle – falls Borneo eher unter dem Einfluss von La Niña steht. Mit fort­schrei­tendem Klima­wandel treffen uns solche Wetter­phä­no­mene deut­lich heftiger und häufiger. Und die Zerstö­rung der Ökosys­teme, der Regen­wälder, Torf­moore und in deren Folge auftre­tende Boden­ero­sionen tun ihr übriges.

In den zurück­lie­genden Tagen wurden drei von fünf Provinzen in Kali­mantan von schweren Über­schwem­mungen heim­ge­sucht. Allein in Zentral-Kali­mantan sind seit vergan­gener Woche sechs Bezirke – darunter die Provinz­haupt­stadt Palangka Raya – von Hoch­was­sern in Mitlei­den­schaft gezogen worden. Betroffen sind Tausende von Menschen. Und unsere Arbeit für die Orang-Utans.

Tausende von Menschen sind betroffen
Tausende von Menschen sind betroffen

Unsere Insel­gruppe Salat Island – auf der Orang-Utans die Reha­bi­li­ta­ti­ons­phase der Voraus­wil­de­rung durch­laufen und Orang-Utans leben, die nicht mehr ausge­wil­dert werden können – war eben­falls stark von Über­flu­tungen betroffen. An manchen Stellen stand das Wasser rund 1,5 Meter über Normal. Die Inseln im Bezirk Pulang Pisau sind von einem großen Fluss umgeben, der große Teile des 2.089 Hektar großen Insel­ge­biets unter Wasser setzte. 

Salat Island wird intensiv beobachtet
Salat Island wird intensiv beobachtet

Rund um die Uhr sind unsere Mitar­beiter seither im Einsatz, um für die Sicher­heit der Orang-Utans auf den Inseln zu sorgen.
Unser Kollege Herman­syah vom Kommu­ni­ka­ti­ons­team der BOS Foun­da­tion berichtet: „Unsere Mitar­beiter sind seit Beginn der Hoch­was­ser­si­tua­tion vor Ort, um mit den stei­genden Pegeln und ständig sich verän­dernden Umständen fertig zu werden. Wir sind alle im Einsatz.“ Glück­li­cher­weise hat bisher keine der Insel-Anlagen struk­tu­relle Schäden erlitten. Das genaue Ausmaß mögli­cher Schäden können wir aller­dings erst dann über­bli­cken, wenn das Wasser abge­flossen ist. Doch der Wasser­stand beginnt gerade erst zu sinken.

Bisher konnten wir auf den Inseln keine gravierenden Schäden feststellen
Bisher konnten wir auf den Inseln keine gravie­renden Schäden feststellen

Bislang scheinen die Über­schwem­mungen den fell­tra­genden Insel­be­woh­nern keine Probleme zu bereiten, aber unsere Teams behalten die Lage der Orang-Utans perma­nent im Auge. „Wir sind erleich­tert, dass die Versor­gung der Tiere mit Futter weiterhin problemlos möglich ist, da unsere Platt­formen nicht von den Über­flu­tungen betroffen sind”, fügte Herman­syah hinzu.

In unserem Rettungszentrum Nyaru Menteng stehen Unterkünfte von Mitarbeitern teilweise unter Wasser
In unserem Rettungs­zen­trum Nyaru Menteng stehen Unter­künfte von Mitar­bei­tern teil­weise unter Wasser

Auch unser Rettungs­zen­trum Nyaru Menteng, das außer­halb der Haupt­stadt Palangka Raya liegt, ist von leichten Hoch­was­sern betroffen. In mehrere Unter­künfte von Mitarbeiter:innen rund um Nyaru Menteng drang Wasser ein. 

In Mawas sind die Pegelstände sehr unterschiedlich hoch
In Mawas sind die Pegel­stände sehr unter­schied­lich hoch

In unserem Schutz­ge­biet Mawas, in dem wir zahl­reiche Projekte zur Wieder­auf­fors­tung, Gemein­de­ent­wick­lung und zum Schutz der dort wild lebenden Orang-Utans durch­führen, kam es auch zu Hoch­was­sern. Selbst die Fahrt zu unseren Projekt­ge­bieten ist eine Heraus­for­de­rung. Straßen können größ­ten­teils nur noch mit dem Boot befahren werden, da Autos den Wasser­massen oft nicht mehr stand­halten können.

In dem 309.000 Hektar großen Torf­moor­ge­biet schwanken die Wasser­stände. Aber an mehreren unserer Über­wa­chungs­sta­tionen, von Rantau Upak bis Camp Release, steht das Wasser nur wenige Zenti­meter vor der Über­flu­tung der Böden. In vielen der Dörfer, darunter Tumbang Muroi, Tumbang Mang­kutub, Batam­pang, Batilap, Mang­katip und Sungai Jaya kämpfen die Bewohner, um ihre Häuser vor dem eindrin­genden Wasser zu schützen. Unsere Gemein­de­ent­wick­lungs­teams unter­stützen sie tatkräftig beim Hoch­was­ser­ma­nage­ment – alle geplanten Akti­vi­täten können warten. 

Setzlinge in der Baumschule sind vom Hochwasser betroffen
Setz­linge in der Baum­schule sind vom Hoch­wasser betroffen

Schnelles Handeln war die Rettung unserer Setz­linge in den Baum­schulen, die unsere Mitarbeiter:innen alle in höher gele­gene Gebiete bringen konnten. So ging kein einziger verloren! Bei den Gebieten, die neu mit Setz­lingen bepflanzt worden waren, hatten wir das Glück, dass sie sich alle in höheren Lagen Gebieten befanden und keines davon vom Hoch­wasser betroffen war.

Durch den schnellen Einsatz unserer Mitarbeiter konnten alle Setzlinge gerettet werden
Durch den schnellen Einsatz unserer Mitar­beiter konnten alle Setz­linge gerettet werden

Lang­fristig gehen wir davon aus, solch verhee­renden Über­schwem­mungen in Mawas vorbeugen zu können, indem wir das trocken­ge­legte Torf­moor durch unsere Wieder­vernäs­sungs- und Auffors­tungs­ar­beit wieder in seinen natür­li­chen Zustand zurück­ver­setzen. Dann ist der Torf­boden in der Lage, wie ein Schwamm deut­lich mehr Wasser aufzu­saugen, wobei die Bäume dem Boden weitere Festig­keit verleihen und zusätz­li­ches Wasser aufnehmen können. Doch bis dahin ist es noch ein weiter Weg. Zerstört ist schnell, repa­rieren ist schwieriger.

Aus unseren Projekt­ge­bieten in Ost-Kali­mantan wurden bisher glück­li­cher­weise keine Schäden oder Boden­ero­sionen gemeldet.

Auf der Vorauswilderungsinsel Bangamat sinkt der Pegelstand langsam
Auf der Voraus­wil­de­rungs­insel Bangamat sinkt der Pegel­stand langsam

In Zentral-Kali­mantan haben wir aktuell Grund zur Hoff­nung, denn das Wasser beginnt an vielen Orten zurück­zu­gehen. Doch noch sind unsere Mitar­beiter voll im Einsatz. Und die Wetter­be­din­gungen während der Regen­zeit können unvor­her­sehbar sein.
Wir stellen fest, dass extreme Wetter­ereig­nisse immer häufiger auftreten. Die Auswir­kungen des Klima­wan­dels sind deut­lich zu spüren. 

Wir werden weiterhin wachsam sein, um die Orang-Utans zu schützen und die Menschen in den Gemeinden zu unter­stützen. Denn wir leben alle gemeinsam auf diesem Planeten und es ist unserer gemein­same Zukunft.

 

Auch Sie können unsere Auffors­tungs­ar­beiten in Mawas unter­stützen. Schaffen Sie mit uns neuen Lebenswald.

„Natur­ba­sierte Lösungen” als Green­wa­shing 2.0

„Natur­ba­sierte Lösungen” als Green­wa­shing 2.0

Unab­hängig der pein­li­chen Verhand­lungs­er­geb­nissen der „Staa­ten­ge­mein­schaft“ in Glasgow, findet in deren Schatten ein weiterer Skandal statt. In diesem Falle im grünen Mantel. 

Große Klima- und Land­ver­schmutzer wie Shell und Nestlé hausieren aktuell mit einer relativ neuen Betrugs­ma­sche – den soge­nannten „Nature-based Solu­tions“ (NbS): Sie kommu­ni­zieren öffent­lich­keits­wirksam, dass sie ihre Treib­haus­gas­emis­sionen auf null senken und gleich­zeitig weiterhin fossile Brenn­stoffe verbrennen, mehr vom Planeten abbauen und die indus­tri­elle Fleisch- und Milch­pro­duk­tion stei­gern. Sie nennen dies die Redu­zie­rung der Emis­sionen auf „Netto-Null“. Das Pflanzen von Bäumen, der Schutz von Wäldern und die Opti­mie­rung der indus­tri­ellen Anbau­me­thoden, so behaupten sie, wird genug zusätz­li­chen Kohlen­stoff in Pflanzen und im Boden spei­chern, um die Treib­haus­gas­emis­sionen auszu­glei­chen, die sie in die Atmo­sphäre pumpen.

Klima­schutz als bein­hartes Geschäftsmodell

Was Konzerne und große Natur­schutz­un­ter­nehmen „natur­ba­sierte Lösungen“ nennen, ist eine gefähr­liche Ablen­kung. Ihre Marke­ting­kon­zepte sind geschmückt mit unbe­wie­senen Daten und der steilen Behaup­tung, dass bis 2030 37 Prozent der CO2-Einspa­rungen realis­tisch seien. Immer mehr Unter­nehmen, von Total über Micro­soft bis Unilever, machen „natur­ba­sierte Lösungen“ zum Kern ihrer Klima­ak­ti­ons­pläne, während die Natur­schutz­in­dus­trie auf die Finan­zie­rung von „natur­ba­sierten Lösungen“ von Unter­nehmen zurück­greift, um im grünen Markt zu domi­nieren. Denn auch dieser ist ein bein­hartes Geschäft voller Partei- bzw. Industrielobbyinteressen. 

Degradierter Torfmoorregenwald in Mawas
Zerstörter Torf­moor­re­gen­wald in Mawas

Aus Sicht der Natur­schutz­in­dus­trie ist die Idee einfach: Unter­nehmen bezahlen sie dafür, Wälder zu umschließen oder Bäume auf Land zu pflanzen, von dem sie behaupten, dass es „degra­diert“ sei und dass bei einer Wieder­her­stel­lung mehr Kohlen­stoff absor­biert werden könnte.
Im Gegenzug behaupten die Konzerne, dass die Klima­schäden durch ihre anhal­tenden Treib­haus­gas­emis­sionen ausge­gli­chen werden. Oft wird ein Doku­ment, das als Carbon Credit (CO2-Zerti­fikat) bezeichnet wird, verwendet, um diese Aufrech­nungs­for­de­rung zu vermarkten.

Natur­ba­sierte Lösungen oder natur­ba­sierte Enteignungen

Wenn Konzerne und große Natur­schutz­or­ga­ni­sa­tionen von „Natur“ spre­chen, meinen sie meist geschlos­sene Räume ohne Menschen. Gemeint sind Schutz­ge­biete, Baum­plan­tagen und große Mono­kul­tur­be­triebe. Ihre „Natur“ ist unver­einbar mit der Natur, die als Terri­to­rium verstanden wird, als Lebens­raum, der untrennbar mit den Kulturen, Ernäh­rungs­sys­temen und Lebens­grund­lagen der Gemein­schaften verbunden ist, die sich um sie kümmern und sich als intrin­si­sche Teile davon verstehen. 

Ölpalmplantagen wo einst Regenwald stand
Mono­kultur Ölpalmplantage

„Natur­ba­sierte Lösungen“ sind also keine Lösung, sondern ein Betrug. Die vermeint­li­chen Lösungen werden zu „natur­ba­sierten Enteig­nungen“ führen, weil sie die verblei­benden Lebens­räume von indi­genen Völkern, Bauern und anderen wald­ab­hän­gigen Gemein­schaften einschließen und „die Natur“ zu einem Dienst­leister zwecks Ausglei­ches der Umwelt­ver­schmut­zungen durch Konzerne und zum Schutz von Gewinnen redu­zieren werden. Der Unter­nehmen, die am meisten für das Klima­chaos verant­wort­lich sind. Indi­gene Völker, Bauern und andere wald­ab­hän­gige Gemein­schaften, deren Terri­to­rien einge­schlossen werden, werden mit mehr Gewalt, mehr Einschrän­kungen bei der Nutzung ihres Landes und mehr Kontrolle über ihr Terri­to­rium konfron­tiert sein.

Neues Gewand für alte Taktik

„Natur­ba­sierte Lösungen“ sind eine Wieder­ho­lung der geschei­terten REDD+-Baumpflanzungs- und Wald­schutz­pro­gramme, die dieselben Natur­schutz­gruppen seit 15 Jahren fördern. REDD+ hat nichts getan, um die globalen Treib­haus­gas­emis­sionen zu redu­zieren oder die großen Lebens­mittel- und Agrar­un­ter­nehmen zu beherr­schen, die die Entwal­dung voran­treiben. Sein blei­bendes Vermächtnis ist jedoch der Verlust von Land und Wäldern für bäuer­liche und wald­ba­sierte Gemein­schaften und starke Einschrän­kungen bei der Nutzung ihres Landes. REDD+ hat auch eine Branche von „Nach­hal­tig­keits- und Sicher­heits­be­ra­tern“ und Projekt­be­für­wor­tern hervor­ge­bracht, die davon profi­tieren, REDD+-Projekte als „nach­haltig“ zu dekla­rieren, trotz der Verlet­zungen von Rechten, die solche Projekte verur­sa­chen. Die Befür­worter „natur­ba­sierter Lösungen“ wenden nun die gleiche Taktik von Zerti­fi­zie­rungs­sys­temen und Schutz­maß­nahmen an, um Kritik abzu­wehren und die Über­nahme von Gemein­schafts­land und ‑wäldern durch die Unter­nehmen zu verschleiern.

Woher soll all das Land kommen?

Die Unter­nehmen mit „natur­ba­sierten Lösungen“ in ihren Klima­schutz­plänen wollen ihre Produk­tion stark umwelt­be­las­tender Produkte stei­gern. In der fehler­haften Logik der „natur­ba­sierten Lösungen“ von Unter­nehmen bedeutet mehr Umwelt­ver­schmut­zung, dass Unter­nehmen mehr Land als ihre Kohlen­stoff­spei­cher bean­spru­chen müssen; es wird mehr Enteig­nungen und weitere Beschrän­kungen der bäuer­li­chen Land­wirt­schaft und der gemein­schaft­li­chen Nutzung ihrer Terri­to­rien bedeuten. Es wird auch eine noch stär­kere Kontrolle der Unter­nehmen über Land und Wälder bedeuten.

Die Opfer der Zerstörung: Orang-Utans, die ihre Heimat verloren haben
Die Opfer der Zerstö­rung: Orang-Utans, die ihre Heimat verloren haben

Der italie­ni­sche Ener­gie­kon­zern Eni zum Beispiel will bis 2050 noch 90 Prozent seiner Energie aus fossilen Brenn­stoffen gewinnen. Um diese Emis­sionen auszu­glei­chen, muss er das gesamte Poten­zial aller Wälder in Italien bean­spru­chen, um Kohlen­stoff zu absor­bieren – acht Millionen Hektar für Enis „Netto-Null“-Anspruch!

Laut Oxfam könnten allein die Netto-Null-Ziele von nur vier der großen Öl- und Gaskon­zerne (Shell, BP, Total und Eni) eine Land­fläche benö­tigen, die doppelt so groß ist wie die Groß­bri­tan­niens. Das sind nur einige der großen Ener­gie­kon­zerne. Der „Netto-Null“-Plan des welt­größten Lebens­mit­tel­kon­zerns Nestlé könnte 4,4 Millionen Hektar Land pro Jahr für den Ausgleich benö­tigen. Und auch die Pläne von Big-Tech-Firmen wie Micro­soft und Amazon basieren auf der Anrech­nung ähnlich großer Flächen.

Mehr Klima­chaos und Biodiversitätsverlust

Konzerne und die großen Natur­schutz-NGOs bieten diese „grünen“ Unter­neh­mens­lö­sungen nicht nur in den Klima­ge­sprä­chen an; sie drängen die Idee auch in Regie­rungs­sit­zungen der UN-Konven­tion über die biolo­gi­sche Viel­falt (Conven­tion on Biolo­gical Diver­sity). Im Zusam­men­hang mit dem UN-Food Systems Summit im September 2021 wird „nature-posi­tive produc­tion“ als ähnli­ches Konzept wie NbS genutzt – um die Land­wirt­schaft weiter zu indus­tria­li­sieren und die Kontrolle der Unter­nehmen auszu­bauen. Wenn diese Versuche erfolg­reich sind, kommt es zu mehr Klima­chaos und einem noch schnel­leren Verlust an Biodi­ver­sität, während Konzerne weiterhin von der Zerstö­rung und Verbren­nung fossilen Kohlen­stoffs profitieren.

Regie­rungen müssen wissen, dass es eine wach­sende Bewe­gung von Gemein­schaften, Orga­ni­sa­tionen und Akti­visten an vorderster Front für Klima­ge­rech­tig­keit gibt.

Ich plädiere dafür, „natur­ba­sierte Lösungen“ und alle Ausgleichs­pro­gramme neu zu über­denken. In ihrer jetzigen Form sind sie nicht darauf ausge­legt, der Klima­krise zu begegnen. Ihre Haupt­funk­tion besteht darin, ein oder zwei Jahr­zehnte unge­zü­gelter Unter­neh­mens­ge­winne aus der Ausbeu­tung von fossilem Kohlen­stoff und der indus­tri­ellen Land­wirt­schaft zu erkaufen und gleich­zeitig die Kontrolle über die Gebiete der Gemein­schaft von außen zu erhöhen. 

Klima­neu­tra­lität bedeutet kaum mehr als Papier­ein­spa­rungen, erreicht durch krea­tive Buch­füh­rung und nicht über­prüf­bare Behaup­tungen, hypo­the­ti­sche Emis­sionen verhin­dert zu haben. Die Zeit für solche Ablen­kungen ist abge­laufen. Nur ein rascher und termi­nierter Plan, die verblei­benden Kohle‑, Öl- und Gasre­serven im Boden zu belassen und die indus­tri­elle Land­wirt­schaft ökolo­gisch zu refor­mieren, wird ein kata­stro­phales Klima­chaos verhindern.

Nachhaltige Lösungen gehen nur mit den lokalen Gemeinden
Nach­hal­tige Lösungen gehen nur mit den lokalen Gemeinden

Grass­roots-Gemein­schaften an vorderster Front, die gegen die Förde­rung fossiler Brenn­stoffe, Pipe­lines, Minen, Plan­tagen und andere Projekte der Rohstoff­in­dus­trie sind, weisen den Weg. Der Wider­stand gegen „natur­ba­sierte Lösungen“ und der gemein­schaft­liche Wider­stand gegen die Zerstö­rung unter­ir­di­scher Kohlen­stoff­vor­kommen, den Bergbau und die Agrar­in­dus­trie durch Konzerne müssen als Teil desselben Kampfes verstanden werden.

Grass­roots-Gemein­schaften stehen auch an vorderster Front bei den Kämpfen um Ernäh­rungs­sou­ve­rä­nität und Agrar­öko­logie, die notwendig sind, um die viel­fäl­tige Krise des Planeten zu lösen.  Wir erkennen und unter­stützen die Kämpfe, die von Basis­ge­mein­schaften um die Kontrolle über die Gebiete geführt werden, von denen sie heute und in Zukunft abhängen.

 

In Mawas repa­rieren wir zerstörte Torf­moore, forsten auf und unter­stützen die lokalen Gemeinden durch neue, sichere und nach­hal­tige Einnah­me­mög­lich­keiten. Sie können helfen!