Im Königreich Bhutan müssen buchstäblich Berge versetzt werden, um angesichts der drohenden Klimakatastrophe durch Gletscherschmelzen im Himalaya Zeit zu gewinnen. Wälder spielen als CO2-Speicher eine wichtige Rolle.
Durch Aufforstungen ließen sich große Mengen Treibhausgas binden. Dieses Potenzial wird in umfangreichen Forschungsprojekten kartographiert, um Instrumente für die Zukunft zu entwickeln. Doch die Forschung zeigt auch, dass das Vorgehen wohlüberlegt sein will: Damit Wälder ihre Funktion erfüllen und künftigem Wandel standhalten können, müssen sie an geeigneten Standorten gepflanzt werden und vor allem biologisch vielfältig sein. Die Vielfalt unterschiedlicher Arten ist der eigentliche Schlüssel zu einer gesunden Natur. Zum einen muss die Biodiversität an vielen Orten der Erde wiederhergestellt werden, zum anderen kommt es darauf an, die noch intakten Gebiete zu schützen, wie etwa den Bialowieza-Urwald in Polen. Heute ist bekannt, dass neben Wäldern auch andere Ökosysteme wie Torfmoore oder Seegraswiesen riesige CO2-Speicher sind. Da ihre Zerstörung direkt zur Erderwärmung beiträgt, muss es höchste Priorität haben, diese Lebensräume zu bewahren. Auch hier gilt es, die biologische Vielfalt zu erhalten, damit ihr fragiles Gleichgewicht gewahrt bleibt. In Australien hat man es geschafft, durch das Wiederansiedeln von Haien die Schildkrötenpopulation zu regulieren. Dort können nun die Seegraswiesen wieder gut gedeihen. Die Menschheit hängt von der Natur und ihren Ökosystemen ab — und die Natur von uns. Es bleibt noch sehr viel zu tun, um sie zu schützen. In der Antarktis wurde ein beispielhafter Beschluss gefasst: Das Rossmeer, dessen Phytoplankton ebenfalls eine wichtige Rolle als Kohlenstoffsenke spielt, wurde zum Meeresschutzgebiet erklärt. Damit ist gewährleistet, dass das marine Ökosystem dort auch in Zukunft intakt bleibt.
Rekordhitze, Überflutungen, Dürre: normale Wetterphänomene oder bereits die Folgen des Klimawandels? Die Dokumentation mit Harald Lesch fasst den Stand der weltweiten Klimaforschung zusammen.
Schon seit Langem beobachten Forscher einen globalen Temperaturanstieg. Gletscher schmelzen, der Meeresspiegel steigt, in Deutschland droht ein neues Waldsterben. Steuert die Menschheit auf eine neue Heißzeit zu? Oder lässt sich die globale Erwärmung noch begrenzen? Die Dokumentation zieht mithilfe internationaler Experten Bilanz. Um die globale Erwärmung auf zwei Grad Celsius zu begrenzen, müssten die stetig steigenden CO2-Emissionen in den nächsten zehn Jahren halbiert und bis 2050 komplett gestoppt werden. Notwendig wäre ein weitgehender Verzicht auf fossile Brennstoffe wie Kohle oder Erdöl zur Energiegewinnung. Wenn das nicht gelingt, wird sich die Erde weiter erwärmen — darin ist sich die überwiegende Zahl der Wissenschaftler einig. Auch, wenn einige den menschengemachten Klimawandel infrage stellen — weltweit häufen sich die Wetter-Extreme. In Deutschland haben die zurückliegenden trockenen Sommer den Wald bereits massiv geschwächt — Borkenkäfer haben leichtes Spiel und vernichten ganze Fichtenwälder. Hinzu kommt, dass Klimasysteme nicht immer linear reagieren. Sie können sich auch sprunghaft verändern, wenn ein bestimmtes Belastungsniveau überschritten ist. Wissenschaftler sprechen von sogenannten Kipppunkten. Momentan sind es unsere eigenen Emissionen, die den Klimawandel befeuern. Kipppunkte jedoch können Dominoeffekte auslösen, die den Klimawandel dramatisch beschleunigen. Eine tickende Zeitbombe haben Forscher im Permafrost der Arktis ausgemacht. Was können wir tun, um den Klimawandel zu begrenzen? Anders Levermann vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung sagt: „Natürlich ist es toll, wenn jeder Einzelne weniger Auto fährt, weniger fliegt, weniger Fleisch konsumiert. Aber entscheidend ist, dass jeder Einzelne von der Politik über die nächsten 30 Jahre einfordert, dass dieses Problem global gelöst wird. Denn das ist es, was wir brauchen.“
Spätherbst und Winter sind für uns regelmäßig die Jahreszeiten, die uns Sorge bereiten. Denn es ist die Zeit der Waldbrände – vor allem in El Niño-Jahren – oder die Zeit heftiger Regenfälle – falls Borneo eher unter dem Einfluss von La Niña steht. Mit fortschreitendem Klimawandel treffen uns solche Wetterphänomene deutlich heftiger und häufiger. Und die Zerstörung der Ökosysteme, der Regenwälder, Torfmoore und in deren Folge auftretende Bodenerosionen tun ihr übriges.
In den zurückliegenden Tagen wurden drei von fünf Provinzen in Kalimantan von schweren Überschwemmungen heimgesucht. Allein in Zentral-Kalimantan sind seit vergangener Woche sechs Bezirke – darunter die Provinzhauptstadt Palangka Raya – von Hochwassern in Mitleidenschaft gezogen worden. Betroffen sind Tausende von Menschen. Und unsere Arbeit für die Orang-Utans.
Tausende von Menschen sind betroffen
Unsere Inselgruppe Salat Island – auf der Orang-Utans die Rehabilitationsphase der Vorauswilderung durchlaufen und Orang-Utans leben, die nicht mehr ausgewildert werden können – war ebenfalls stark von Überflutungen betroffen. An manchen Stellen stand das Wasser rund 1,5 Meter über Normal. Die Inseln im Bezirk Pulang Pisau sind von einem großen Fluss umgeben, der große Teile des 2.089 Hektar großen Inselgebiets unter Wasser setzte.
Salat Island wird intensiv beobachtet
Rund um die Uhr sind unsere Mitarbeiter seither im Einsatz, um für die Sicherheit der Orang-Utans auf den Inseln zu sorgen.
Unser Kollege Hermansyah vom Kommunikationsteam der BOS Foundation berichtet: „Unsere Mitarbeiter sind seit Beginn der Hochwassersituation vor Ort, um mit den steigenden Pegeln und ständig sich verändernden Umständen fertig zu werden. Wir sind alle im Einsatz.“ Glücklicherweise hat bisher keine der Insel-Anlagen strukturelle Schäden erlitten. Das genaue Ausmaß möglicher Schäden können wir allerdings erst dann überblicken, wenn das Wasser abgeflossen ist. Doch der Wasserstand beginnt gerade erst zu sinken.
Bisher konnten wir auf den Inseln keine gravierenden Schäden feststellen
Bislang scheinen die Überschwemmungen den felltragenden Inselbewohnern keine Probleme zu bereiten, aber unsere Teams behalten die Lage der Orang-Utans permanent im Auge. „Wir sind erleichtert, dass die Versorgung der Tiere mit Futter weiterhin problemlos möglich ist, da unsere Plattformen nicht von den Überflutungen betroffen sind”, fügte Hermansyah hinzu.
In unserem Rettungszentrum Nyaru Menteng stehen Unterkünfte von Mitarbeitern teilweise unter Wasser
Auch unser Rettungszentrum Nyaru Menteng, das außerhalb der Hauptstadt Palangka Raya liegt, ist von leichten Hochwassern betroffen. In mehrere Unterkünfte von Mitarbeiter:innen rund um Nyaru Menteng drang Wasser ein.
In Mawas sind die Pegelstände sehr unterschiedlich hoch
In unserem Schutzgebiet Mawas, in dem wir zahlreiche Projekte zur Wiederaufforstung, Gemeindeentwicklung und zum Schutz der dort wild lebenden Orang-Utans durchführen, kam es auch zu Hochwassern. Selbst die Fahrt zu unseren Projektgebieten ist eine Herausforderung. Straßen können größtenteils nur noch mit dem Boot befahren werden, da Autos den Wassermassen oft nicht mehr standhalten können.
In dem 309.000 Hektar großen Torfmoorgebiet schwanken die Wasserstände. Aber an mehreren unserer Überwachungsstationen, von Rantau Upak bis Camp Release, steht das Wasser nur wenige Zentimeter vor der Überflutung der Böden. In vielen der Dörfer, darunter Tumbang Muroi, Tumbang Mangkutub, Batampang, Batilap, Mangkatip und Sungai Jaya kämpfen die Bewohner, um ihre Häuser vor dem eindringenden Wasser zu schützen. Unsere Gemeindeentwicklungsteams unterstützen sie tatkräftig beim Hochwassermanagement – alle geplanten Aktivitäten können warten.
Setzlinge in der Baumschule sind vom Hochwasser betroffen
Schnelles Handeln war die Rettung unserer Setzlinge in den Baumschulen, die unsere Mitarbeiter:innen alle in höher gelegene Gebiete bringen konnten. So ging kein einziger verloren! Bei den Gebieten, die neu mit Setzlingen bepflanzt worden waren, hatten wir das Glück, dass sie sich alle in höheren Lagen Gebieten befanden und keines davon vom Hochwasser betroffen war.
Durch den schnellen Einsatz unserer Mitarbeiter konnten alle Setzlinge gerettet werden
Langfristig gehen wir davon aus, solch verheerenden Überschwemmungen in Mawas vorbeugen zu können, indem wir das trockengelegte Torfmoor durch unsere Wiedervernässungs- und Aufforstungsarbeit wieder in seinen natürlichen Zustand zurückversetzen. Dann ist der Torfboden in der Lage, wie ein Schwamm deutlich mehr Wasser aufzusaugen, wobei die Bäume dem Boden weitere Festigkeit verleihen und zusätzliches Wasser aufnehmen können. Doch bis dahin ist es noch ein weiter Weg. Zerstört ist schnell, reparieren ist schwieriger.
Aus unseren Projektgebieten in Ost-Kalimantan wurden bisher glücklicherweise keine Schäden oder Bodenerosionen gemeldet.
Auf der Vorauswilderungsinsel Bangamat sinkt der Pegelstand langsam
In Zentral-Kalimantan haben wir aktuell Grund zur Hoffnung, denn das Wasser beginnt an vielen Orten zurückzugehen. Doch noch sind unsere Mitarbeiter voll im Einsatz. Und die Wetterbedingungen während der Regenzeit können unvorhersehbar sein.
Wir stellen fest, dass extreme Wetterereignisse immer häufiger auftreten. Die Auswirkungen des Klimawandels sind deutlich zu spüren.
Wir werden weiterhin wachsam sein, um die Orang-Utans zu schützen und die Menschen in den Gemeinden zu unterstützen. Denn wir leben alle gemeinsam auf diesem Planeten und es ist unserer gemeinsame Zukunft.
Unabhängig der peinlichen Verhandlungsergebnissen der „Staatengemeinschaft“ in Glasgow, findet in deren Schatten ein weiterer Skandal statt. In diesem Falle im grünen Mantel.
Große Klima- und Landverschmutzer wie Shell und Nestlé hausieren aktuell mit einer relativ neuen Betrugsmasche – den sogenannten „Nature-based Solutions“ (NbS): Sie kommunizieren öffentlichkeitswirksam, dass sie ihre Treibhausgasemissionen auf null senken und gleichzeitig weiterhin fossile Brennstoffe verbrennen, mehr vom Planeten abbauen und die industrielle Fleisch- und Milchproduktion steigern. Sie nennen dies die Reduzierung der Emissionen auf „Netto-Null“. Das Pflanzen von Bäumen, der Schutz von Wäldern und die Optimierung der industriellen Anbaumethoden, so behaupten sie, wird genug zusätzlichen Kohlenstoff in Pflanzen und im Boden speichern, um die Treibhausgasemissionen auszugleichen, die sie in die Atmosphäre pumpen.
Klimaschutz als beinhartes Geschäftsmodell
Was Konzerne und große Naturschutzunternehmen „naturbasierte Lösungen“ nennen, ist eine gefährliche Ablenkung. Ihre Marketingkonzepte sind geschmückt mit unbewiesenen Daten und der steilen Behauptung, dass bis 2030 37 Prozent der CO2-Einsparungen realistisch seien. Immer mehr Unternehmen, von Total über Microsoft bis Unilever, machen „naturbasierte Lösungen“ zum Kern ihrer Klimaaktionspläne, während die Naturschutzindustrie auf die Finanzierung von „naturbasierten Lösungen“ von Unternehmen zurückgreift, um im grünen Markt zu dominieren. Denn auch dieser ist ein beinhartes Geschäft voller Partei- bzw. Industrielobbyinteressen.
Zerstörter Torfmoorregenwald in Mawas
Aus Sicht der Naturschutzindustrie ist die Idee einfach: Unternehmen bezahlen sie dafür, Wälder zu umschließen oder Bäume auf Land zu pflanzen, von dem sie behaupten, dass es „degradiert“ sei und dass bei einer Wiederherstellung mehr Kohlenstoff absorbiert werden könnte.
Im Gegenzug behaupten die Konzerne, dass die Klimaschäden durch ihre anhaltenden Treibhausgasemissionen ausgeglichen werden. Oft wird ein Dokument, das als Carbon Credit (CO2-Zertifikat) bezeichnet wird, verwendet, um diese Aufrechnungsforderung zu vermarkten.
Naturbasierte Lösungen oder naturbasierte Enteignungen
Wenn Konzerne und große Naturschutzorganisationen von „Natur“ sprechen, meinen sie meist geschlossene Räume ohne Menschen. Gemeint sind Schutzgebiete, Baumplantagen und große Monokulturbetriebe. Ihre „Natur“ ist unvereinbar mit der Natur, die als Territorium verstanden wird, als Lebensraum, der untrennbar mit den Kulturen, Ernährungssystemen und Lebensgrundlagen der Gemeinschaften verbunden ist, die sich um sie kümmern und sich als intrinsische Teile davon verstehen.
Monokultur Ölpalmplantage
„Naturbasierte Lösungen“ sind also keine Lösung, sondern ein Betrug. Die vermeintlichen Lösungen werden zu „naturbasierten Enteignungen“ führen, weil sie die verbleibenden Lebensräume von indigenen Völkern, Bauern und anderen waldabhängigen Gemeinschaften einschließen und „die Natur“ zu einem Dienstleister zwecks Ausgleiches der Umweltverschmutzungen durch Konzerne und zum Schutz von Gewinnen reduzieren werden. Der Unternehmen, die am meisten für das Klimachaos verantwortlich sind. Indigene Völker, Bauern und andere waldabhängige Gemeinschaften, deren Territorien eingeschlossen werden, werden mit mehr Gewalt, mehr Einschränkungen bei der Nutzung ihres Landes und mehr Kontrolle über ihr Territorium konfrontiert sein.
Neues Gewand für alte Taktik
„Naturbasierte Lösungen“ sind eine Wiederholung der gescheiterten REDD+-Baumpflanzungs- und Waldschutzprogramme, die dieselben Naturschutzgruppen seit 15 Jahren fördern. REDD+ hat nichts getan, um die globalen Treibhausgasemissionen zu reduzieren oder die großen Lebensmittel- und Agrarunternehmen zu beherrschen, die die Entwaldung vorantreiben. Sein bleibendes Vermächtnis ist jedoch der Verlust von Land und Wäldern für bäuerliche und waldbasierte Gemeinschaften und starke Einschränkungen bei der Nutzung ihres Landes. REDD+ hat auch eine Branche von „Nachhaltigkeits- und Sicherheitsberatern“ und Projektbefürwortern hervorgebracht, die davon profitieren, REDD+-Projekte als „nachhaltig“ zu deklarieren, trotz der Verletzungen von Rechten, die solche Projekte verursachen. Die Befürworter „naturbasierter Lösungen“ wenden nun die gleiche Taktik von Zertifizierungssystemen und Schutzmaßnahmen an, um Kritik abzuwehren und die Übernahme von Gemeinschaftsland und ‑wäldern durch die Unternehmen zu verschleiern.
Woher soll all das Land kommen?
Die Unternehmen mit „naturbasierten Lösungen“ in ihren Klimaschutzplänen wollen ihre Produktion stark umweltbelastender Produkte steigern. In der fehlerhaften Logik der „naturbasierten Lösungen“ von Unternehmen bedeutet mehr Umweltverschmutzung, dass Unternehmen mehr Land als ihre Kohlenstoffspeicher beanspruchen müssen; es wird mehr Enteignungen und weitere Beschränkungen der bäuerlichen Landwirtschaft und der gemeinschaftlichen Nutzung ihrer Territorien bedeuten. Es wird auch eine noch stärkere Kontrolle der Unternehmen über Land und Wälder bedeuten.
Die Opfer der Zerstörung: Orang-Utans, die ihre Heimat verloren haben
Der italienische Energiekonzern Eni zum Beispiel will bis 2050 noch 90 Prozent seiner Energie aus fossilen Brennstoffen gewinnen. Um diese Emissionen auszugleichen, muss er das gesamte Potenzial aller Wälder in Italien beanspruchen, um Kohlenstoff zu absorbieren – acht Millionen Hektar für Enis „Netto-Null“-Anspruch!
Laut Oxfam könnten allein die Netto-Null-Ziele von nur vier der großen Öl- und Gaskonzerne (Shell, BP, Total und Eni) eine Landfläche benötigen, die doppelt so groß ist wie die Großbritanniens. Das sind nur einige der großen Energiekonzerne. Der „Netto-Null“-Plan des weltgrößten Lebensmittelkonzerns Nestlé könnte 4,4 Millionen Hektar Land pro Jahr für den Ausgleich benötigen. Und auch die Pläne von Big-Tech-Firmen wie Microsoft und Amazon basieren auf der Anrechnung ähnlich großer Flächen.
Mehr Klimachaos und Biodiversitätsverlust
Konzerne und die großen Naturschutz-NGOs bieten diese „grünen“ Unternehmenslösungen nicht nur in den Klimagesprächen an; sie drängen die Idee auch in Regierungssitzungen der UN-Konvention über die biologische Vielfalt (Convention on Biological Diversity). Im Zusammenhang mit dem UN-Food Systems Summit im September 2021 wird „nature-positive production“ als ähnliches Konzept wie NbS genutzt – um die Landwirtschaft weiter zu industrialisieren und die Kontrolle der Unternehmen auszubauen. Wenn diese Versuche erfolgreich sind, kommt es zu mehr Klimachaos und einem noch schnelleren Verlust an Biodiversität, während Konzerne weiterhin von der Zerstörung und Verbrennung fossilen Kohlenstoffs profitieren.
Regierungen müssen wissen, dass es eine wachsende Bewegung von Gemeinschaften, Organisationen und Aktivisten an vorderster Front für Klimagerechtigkeit gibt.
Ich plädiere dafür, „naturbasierte Lösungen“ und alle Ausgleichsprogramme neu zu überdenken. In ihrer jetzigen Form sind sie nicht darauf ausgelegt, der Klimakrise zu begegnen. Ihre Hauptfunktion besteht darin, ein oder zwei Jahrzehnte ungezügelter Unternehmensgewinne aus der Ausbeutung von fossilem Kohlenstoff und der industriellen Landwirtschaft zu erkaufen und gleichzeitig die Kontrolle über die Gebiete der Gemeinschaft von außen zu erhöhen.
Klimaneutralität bedeutet kaum mehr als Papiereinsparungen, erreicht durch kreative Buchführung und nicht überprüfbare Behauptungen, hypothetische Emissionen verhindert zu haben. Die Zeit für solche Ablenkungen ist abgelaufen. Nur ein rascher und terminierter Plan, die verbleibenden Kohle‑, Öl- und Gasreserven im Boden zu belassen und die industrielle Landwirtschaft ökologisch zu reformieren, wird ein katastrophales Klimachaos verhindern.
Nachhaltige Lösungen gehen nur mit den lokalen Gemeinden
Grassroots-Gemeinschaften an vorderster Front, die gegen die Förderung fossiler Brennstoffe, Pipelines, Minen, Plantagen und andere Projekte der Rohstoffindustrie sind, weisen den Weg. Der Widerstand gegen „naturbasierte Lösungen“ und der gemeinschaftliche Widerstand gegen die Zerstörung unterirdischer Kohlenstoffvorkommen, den Bergbau und die Agrarindustrie durch Konzerne müssen als Teil desselben Kampfes verstanden werden.
Grassroots-Gemeinschaften stehen auch an vorderster Front bei den Kämpfen um Ernährungssouveränität und Agrarökologie, die notwendig sind, um die vielfältige Krise des Planeten zu lösen. Wir erkennen und unterstützen die Kämpfe, die von Basisgemeinschaften um die Kontrolle über die Gebiete geführt werden, von denen sie heute und in Zukunft abhängen.
In Mawas reparieren wir zerstörte Torfmoore, forsten auf und unterstützen die lokalen Gemeinden durch neue, sichere und nachhaltige Einnahmemöglichkeiten. Sie können helfen!
Erstaunlicherweise ist die diesjährige Artenschutzkonferenz zumindest in den deutschen Medien untergangen. Offensichtlich sind Koalitionsspekulationen von größerem Interesse als die Zukunft der weltweiten Biodiversität. Als hätte Covid-19 als Warnschuss nicht stattgefunden.
Gleichzeitig fühlten sich viele Delegierte der sog. Entwicklungsländer vernachlässigt und konnten während des zweitägigen hochrangigen Diskurses nicht rechtzeitig sprechen, wiederum aufgrund technischer Probleme. Dies war eine weitere Erinnerung an die unausgewogenen Ergebnisse der globalen Entwicklung.
Die Verhandlungsführer haben nun nur noch sieben Monate bis zum zweiten und letzten Teil des Treffens Zeit, und es mangelt nicht an Meinungsverschiedenheiten, insbesondere in Bezug auf Finanzierung und Umsetzung. In der in der vergangenen Woche veröffentlichten Kunming-Erklärung fassten die Unterzeichner ihre Absicht zusammen, “dass die biologische Vielfalt bis spätestens 2030 auf den Weg der Erholung gebracht wird”. Es bleibt jedoch unklar, ob sie dazu in der Lage sein werden.
Schwierige Themen
Ziel der ersten Sitzung des Treffens war es, neue politische Ambitionen zu schaffen, anstatt in echte Verhandlungen einzusteigen. Die Delegierten bekräftigten daher ihre bestehenden Positionen.
Die Idee, bis 2030 30 Prozent des Landes und der Meere der Erde unter Schutz zu stellen – bekannt als das „30×30× Ziel“ wurde während der ersten Sitzung häufig erwähnt: Mehr aber noch nicht.
Eine Bewertung von IPBES (Intergovernmental Science-Policy Platform on Biodiversity and Ecosystem Services) aus dem Jahr 2019 ergab, dass nur 15 Prozent der globalen Land- und Süßwasserflächen und 7 Prozent der Meeresgebiete geschützt sind. Obwohl einige Parteien das 30-Prozent-Ziel angesichts der aktuellen Fortschritte für zu radikal halten, tauchte die auffällige Zahl immer noch im Entwurf der Rahmenverhandlungen auf — eine seltene Demonstration von Ehrgeiz. Allerdings sind sich nicht alle einig, was diese 30 Prozent bedeuten sollen.
30 Prozent von was genau? Von der gesamten Oberfläche der Welt? Oder müssen es sowohl 30 Prozent des Landes als auch 30 Prozent des Ozeans sein? Oder würde jedes Land 30 Prozent seines Territoriums schützen? Der Entwurf in seiner jetzigen Form ist schlichtweg unklar. Besonders umstritten ist die Idee, 30 Prozent des Ozeans zu schützen, was andere multilaterale Prozesse in die Länge ziehen würde. Wenn Fragen rund um Schutzgebiete auf hoher See nicht im Rahmen des Seerechtsübereinkommens der Vereinten Nationen (UNCLOS) gelöst werden können, wäre das Ziel nicht möglich.
Was für 30 Prozent? Einige Länder befürchten, dass eine Fokussierung auf Quantität über Qualität zum Schutz von Gebieten mit geringem Erhaltungswert führen wird, nur um die Zahlen zu bilden. Doch wie sollten Qualitätsziele festgelegt werden? Der Rahmenentwurf sagt das nicht. Ein weiteres Problem ist, dass Reservate in der Vergangenheit meist funktioniert haben, indem sie menschliche Aktivitäten ausgeschlossen haben.
Das 30×30 Ziel würde die Ausweitung von Schutzgebieten vorsehen, und es gibt Bedenken, dass dies die Rechte indigener Völker und lokaler Gemeinschaften, die gerade in Regionen mit besonderer biologischer Vielfalt leben, beeinträchtigen könnte. Einige NGOs sind daher ambivalent oder sogar gegen das Ziel.
Finanzierung und Umsetzung
Der Rahmenentwurf weist auf eine jährliche Finanzierungslücke von 700 Milliarden US-Dollar hin. Woher soll dieses Geld kommen? Alle reden gerne über den Ausbau der Finanzierungsquellen, die Nutzung nichtstaatlicher Akteure und insbesondere des Privatsektors, aber die sog Entwicklungsländer sind sich darüber im Klaren, dass sie mehr Geld von den Regierungen der Industrieländer sehen wollen — da dies die zuverlässigste Finanzierungsquelle ist.
Bei der Abschlusszeremonie betonte die Afrikanische Gruppe erneut die Notwendigkeit eines speziellen Biodiversitätsfonds sowie die Bedeutung von Technologietransfer und Kapazitätsaufbau. Die Lateinamerika- und Karibikgruppe warnte, dass zwei Jahre der Pandemie zu einem beispiellosen Mangel an Mitteln geführt hätten, was die Erfüllung von Verpflichtungen schwierig mache. “Eine echte Verpflichtung zur Bereitstellung von Ressourcen ist eine der wichtigsten Änderungen, die vorgenommen werden müssen, wenn wir die aktuelle Biodiversitätskrise stoppen und umkehren wollen”, sagt die Gruppe.
Die EU und andere Industrieländer hielten an ihrer bestehenden Haltung fest: Es müssen mehr private Mittel mobilisiert werden, und Hilfsgelder dürfen nicht in schädliche Subventionen fließen. Im vergangenen Jahr veröffentlichten das Paulson Institute und andere internationale Organisationen einen Bericht über die Finanzierung der biologischen Vielfalt und stellten fest, dass die Umleitung von Agrar‑, Forst- und Fischereisubventionen, die der Biodiversität schaden, fast 300 Milliarden US-Dollar freisetzten würden. Wir kennen diese Gegenrechnungen bereits von unserer klimaschädlichen Subventionspolitik. Ein Thema, was in der Bundestagswahl leider auch viel zu kurz kam und in den aktuellen Koalitionsverhandlungen nicht stattfindet. Nun auch keine Versprechen in Kunming. Die NGOs werden es schon richten?
Dagegen hat der französische Präsident Emanuel Macron wiederum 30 Prozent der Klimafinanzierung des Landes für die biologische Vielfalt zugesagt, und Großbritannien versprach, dass ein großer Teil seiner zusätzlichen Klimafinanzierung für die biologische Vielfalt ausgegeben würde. Trotzdem bleibt dies eine Umverteilung von Klimaschutzmitteln und kein Versprechen von neuem Geld.
Chinas wichtige Rolle
Chinas Rolle als Gastgeber ist mit hohen Erwartungen verbunden. Auf einer Pressekonferenz zum Ende der ersten Phase der COP15 fragte ein deutscher Reporter Huang Runqiu, Vorsitzender der Konferenz und Chinas Umweltminister, ob sich China zum 30×30 Ziel verpflichten wolle. Huang gab keine endgültige Antwort, deutete aber an, dass China als Gastgeber daran arbeiten werde, einen Konsens zu erreichen und ehrgeizige Ziele zu erreichen.
Dies ist das erste Mal, dass einer der führenden Politiker Chinas dies ausdrücklich betont, und es ist ein äußerst wichtiger Schritt im Kontext globaler Maßnahmen für die biologische Vielfalt. China hat auch die globale Biodiversitäts-Governance außerhalb der Konferenz gefördert, zum Beispiel in bilateralen Partnerschaften. Während des hochrangigen Umwelt- und Klimadialogs zwischen China und der EU kamen beide Seiten überein, die weltweite Entwaldung zu reduzieren, indem sie die Zusammenarbeit bei der Erhaltung und nachhaltigen Bewirtschaftung von Wäldern, der Nachhaltigkeit der Lieferkette und der Bekämpfung des illegalen Holzeinschlags und des damit verbundenen Handels verstärken.
Das heißt analog zur internationalen Klimadebatte, wird auch der globale Biodiversitätsschutz von China abhängig sein. Die internationale Staatengemeinschaft ist sich dessen bewusst, während wir noch über mögliche Finanzminister diskutieren.